"Als Versicherer leisten wir unseren Beitrag zum Klimaschutz"

Insgesamt ist die Allianz so bereits als Versicherer an über 30 Offshore-Wind-Projekten beteiligt. Ein weiterer Ausbau des Geschäftsfeldes ist geplant – trotz der Herausforderungen. Die Experten Dr. Wolfram Pazur von der Allianz Deutschland und Robert Maurer von der AGCS sprechen über Chancen und Risiken für Versicherungen in diesem Bereich.  

Robert Maurer (AGCS): In Offshore-Windparks werden europaweit Milliarden Euro investiert. Das ist mit entsprechenden Risiken für Investoren und Betreiber verbunden. Die Allianz wirkt mit geeigneten Versicherungslösungen bei der Realisierung dieser Projekte entscheidend mit. So unterstützen wir unsere langjährigen Kunden wie Energieversorger oder Turbinenhersteller, wollen aber auch neue Kunden gewinnen und an diesem Wachstumsmarkt partizipieren.

Wolfram Pazur (Allianz Deutschland): Die Versicherung von Windparks auf See ist einer unserer Beiträge zum Klimaschutz. Denn erneuerbare Energien sind das innovative Zukunftssegment unserer Zeit. Doch sie und damit auch der energiepolitische Wandel sind ohne Offshore-Windenergie kaum möglich. Das Windaufkommen auf See und die dadurch zu erzielende Energie sind enorm. Als technischer Versicherer wollen wir unsere Kunden mit entsprechenden Versicherungslösungen unterstützen.

Birgt die Versicherung von Offshore-Windparks dabei besondere Herausforderungen im Vergleich zum Onshore-Bereich?

Wolfram Pazur (Allianz Deutschland): Sehr viele sogar. Offshore-Windparks stellen allein durch die Größe der einzelnen Anlagen eine enorme Herausforderung dar. Schon deren Errichtung ist schwierig. Die Einzelteile müssen mit Spezialschiffen zum geplanten Aufbauort transportiert werden. Bei bis zu 40 Metern Wassertiefe muss das Fundament besonders stark sein. Zudem muss die gesamte Anlage so konzipiert sein, dass sie Naturgefahren wie extremen Wellenschlag und Korrosion durch Seewasser standhält. Das maritime Umfeld stellt Betreiber und Versicherer vor Herausforderungen. Niemand kann abschätzen, wie sich das Zusammenwirken von Wind, Wellen und Strömung auf das Fundament auswirkt. Auch die Netzanschlüsse sind sehr kritisch, denn wenn sie ausfallen, bricht die Stromzufuhr aufs Festland ab. Wem wird aber das Risiko zugerechnet? Zu dieser Frage besteht eine gesetzliche Regelungslücke mit der Folge, dass dieses Risiko derzeit den Versicherern aufgebürdet wird. 

Robert Maurer

Insgesamt ist die Allianz so bereits als Versicherer an über 30 Offshore-Wind-Projekten beteiligt. Ein weiterer Ausbau des Geschäftsfeldes ist geplant – trotz der Herausforderungen. 

Maurer: Das größte Risiko bergen Schäden am Seekabel, vor allem wenn dadurch gleich mehrere Windparks stillstehen. Solche Schäden entstehen häufig schon während des Baus. So können die im Meeresboden verlegten Kabel durch ankernde Arbeitsschiffe oder die Standbeine von Errichterschiffen beschädigt werden. Im späteren Betrieb könnte dies durch Schiffsverkehr passieren. Würde das Seekabel unglücklicherweise im November eines Jahres beschädigt, droht ein enormer Betriebsausfallsschaden. Dann beginnt nämlich die stürmische Winterphase mit hohem Wellengang; die Reparaturarbeiten könnten sich schlimmstenfalls bis zum Frühling verzögern bzw. wären nur mit sehr teuren Spezialschiffen zu bewerkstelligen.

Wie können Sie überhaupt Risiken bewerten, wenn es an Erfahrungswerten fehlt?

Maurer: Die Prämienkalkulation ist in der Tat schwierig. Die Risiken sind komplex und neuartig; historische Schadentabellen gibt es nicht. Wir helfen uns mit den Erfahrungen von Onshore-Anlagen und simulieren das Wetterrisiko. Zudem bewerten unsere Risikoingenieure Technik und Logistik. Über den Zeitverlauf können wir unsere Erwartungen mit den tatsächlichen Schäden abgleichen, so dass sich unsere Risikobewertung und Kalkulation stetig verbessern.

Unterscheiden sich die Risiken in verschiedenen Ländern?

Pazur: In Deutschland sehen wir uns besonderen Risiken ausgesetzt, unter anderem weil das Wattenmeer in der Nord- und Ostsee unter Naturschutz steht. Windparks sind daher weiter auf See gelegen als beispielsweise vor der englischen Küste. Außerdem sollen sie die Sicht vom Land aus nicht behindern. Dadurch bestehen besondere Herausforderungen an Versicherer. Denn die Schiffe sind sechs Stunden unterwegs, bis sie überhaupt an der Baustelle ankommen. In dieser Zeit kann viel passieren, beispielsweise ein Wetterumschlag.

Maurer: International sind die Standards in Bezug auf Logistik und Technik tatsächlich sehr heterogen. So verfolgen die einzelnen Turbinenhersteller unterschiedliche Konzepte und Qualitätssicherungen. In Großbritannien, Dänemark oder Belgien sind die Windparks nur 10 bis 20 Kilometer von der Küste entfernt; das macht Bau und spätere Wartung sowie die Netzanbindung deutlich einfacher. Als Versicherer wünschen wir uns internationale Standards für den Bau und Betrieb von Offshore-Windparks. Wir arbeiten daher an der Erstellung eines entsprechenden Joint Code of Practice mit.  

Heißt es trotz dieser Risiken im Bereich Offshore-Wind für die Allianz "Volle Kraft voraus"?

Maurer: Die Energiewende ist politisch und gesellschaftlich gewollt – und wir als Versicherer leisten gerne unseren Beitrag. Offshore Windenergie kommt dabei im Wachstumsmarkt der Erneuerbaren Energien auch noch eine besondere Bedeutung zu: Sie ist als einzige regenerative Energiequelle in der Lage, konventionelle Großkraftwerke zu ersetzen. Doch die gesamte Industrie befindet sich noch am Anfang einer Lernkurve. Deshalb sehen wir uns die Offshore-Wind-Risiken genau an und prüfen jeden einzelnen Fall sehr sorgfältig. Erst die Erfahrungen der nächsten Jahre werden die Robustheit sowie die Kosten für Betrieb und Wartung von Windparks auf dem Meer zeigen.

Pazur: Bis 2030 sollen allein in deutschen Gewässern 25.000 Megawatt Stromleistung aus dem Meer kommen; mehr als 90 Windparks sind in der Nord- und Ostsee geplant. Dazu werden zunächst in der Montagephase und dann erst recht in den Betriebsphasen weitreichende Kapazitäten der Versicherungsmärkte benötigt. Wir sehen großes Potenzial in der Branche und  wollen zunächst  in der  Errichtungsphase von Offshore-Windparks weiter Erfahrungen sammeln – sowohl als führender Versicherer wie auch gemeinsam in anderen Mitversicherungsgemeinschaften.

Dr. Wolfram Pazur

 
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen hier zur Verfügung gestellt wird.
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