Ein Trio wirtschaftlicher Probleme macht Europa Angst

Derzeit geht ein Schreckgespenst in Europa um, genauer gesagt ein Trio wirtschaftlicher Probleme, das den Wohlstand und die soziale Stabilität des Kontinents gefährdet, bei dem es immer um den Begriff "ein Prozent" geht.

 

Ähnlich wie in vielen anderen Teilen der Welt beinhaltet Europas erstes "Ein-Prozent-Problem" eine relative und absolute Bereicherung einer bereits begüterten Klasse, nämlich das eine Prozent der reichsten Bürger Europas. Die "Ein-Prozent-Probleme" äußern sich auch möglicherweise in zu vielen Jahren kraftlosen Wirtschaftswachstums von circa einem Prozent und "Lowflation", das heißt einer Inflationsrate um ein Prozent.

 

In Kombination führen diese Ein-Prozent-Probleme zu dauerhafter extrem hoher Arbeitslosigkeit und ruinöser Schuldenlast, erschwert durch - wie der Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi es bereits beschrieb - eine fragile und uneinheitliche Erholung. Und je länger dieser Zustand anhält, umso größer ist der Schaden für das politische und gesellschaftliche Wohlergehen Europas.

 

All das ist das Ergebnis sowohl geschichtlicher Entwicklungen als auch der aktuellen Politik. Mit der rühmlichen Ausnahme Deutschlands haben sich die meisten Länder bei der Umsetzung der Reformen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und der Schaffung von Arbeitsplätzen viel Zeit gelassen. Die Situation wurde noch erschwert durch eine unausgewogene wirtschaftliche und finanzpolitische Haltung, die diejenigen, die bereits über erhebliches finanzielles Vermögen verfügen, gegenüber den Bedürfnissen durchschnittlicher Beschäftigter vorzieht.

 

Angesichts der finanziellen Aufspaltung und des ökonomischen Zusammenbruchs, denen Europa vor zwei Jahren knapp entging, könnten einige möglicherweise der Auffassung sein, dass diese Ein-Prozent-Troika am Ende gar nicht so schlecht ist. Die sich verstärkende Ungleichheit wird von Europas Sozialsystem teilweise abgefedert. Ein Prozent Wachstum ist besser als die Rezession, mit der die Region kürzlich zu kämpfen hatte; und eine stabile "Lowflation" ist nicht so schädlich wie eine ausgesprochene Deflation oder instabile Inflation.

 

Es könnte auch sein, dass sich diese Troika - also eine Art Gleichgewicht des nominalen Bruttoinlandsprodukts auf niedrigem Niveau - eine Weile hält, was für das politische Mainstream-System akzeptabel ist. Denn dadurch werden eine bescheidene wirtschaftliche Entwicklung gewährleistet, erneute Finanzkrisen vermieden und die Unterstützung der Wirtschaftseliten sichergestellt.

 

Aber diese Kurzsichtigkeit ist gefährlich.

 

Selbst wenn es länger anhielte, würde ein Gleichgewicht auf niedrigem Niveau Europa zu strukturell hoher Arbeitslosigkeit sowie zu alarmierender Jugendarbeitslosigkeit verurteilen und somit zu einer verlorenen Generation und zunehmender Schuldenlast führen. Unter solchen Bedingungen ist es noch wahrscheinlicher, dass das politische System von Randparteien vereinnahmt würde, mit der Folge noch größerer Instabilität und Unsicherheit. In einer solchen Welt hätte es Europa schwer, im globalen Wettbewerb mitzuhalten.

 

Die Ein-Prozent-Troika sollte nicht als Signal dafür betrachtet werden, dass sich die Lage in Europa tatsächlich in den letzten zwei Jahren verbessert hat und dass die sich daraus ergebende wirtschaftliche und finanzielle Beruhigung aufrecht erhalten werden kann. Stattdessen sollte sie als ein Appell verstanden werden, etwas zu tun, um die Agenda zur Wiederankurbelung des Wachstums weiterzuverfolgen und sogar nachdrücklich voranzutreiben. Wenn Europa Opfer einer länger andauernden politischen Selbstzufriedenheit wird, wird die geringfügige Stabilität, die es momentan genießt, irgendwann wesentlich harscheren ökonomischen, politischen und sozialen Bedingungen weichen.

 

Von Mohamed A.El-Erian, im Original erschienen auf Bloomberg view am 24.6.2014. Abdruck mit Einverständnis. Die Meinungen im Artikel entsprechen denen des Autors.

Mohamed El-Erian, Chief Economic Adviser der Allianz
Mohamed El-Erian, Chief Economic Adviser der Allianz.

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Petra Brandes
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