Wieviel ist eine Million Dollar wert?

Shlomo Benartzi: Wir behaupten nicht, dass die Menschen wirklich eine Million Dollar brauchen. Es geht uns vor allem um eines: Sie werden überrascht sein, wie wenig eine Million Dollar tatsächlich wert ist.

Bei einigen Untersuchungen, die nicht in dem Buch veröffentlicht sind, haben wir gefragt: Nehmen Sie an, Sie bekämen eine solche Summe. Was halten Sie davon und wie würden Sie mit Ihren Ersparnissen umgehen? Die Menschen fanden es wunderbar und sagten, sie würden dann weniger sparen.

Darauf fragten wir: Angenommen, Sie würden diese pauschale Summe von einer Million Dollar in Form monatlicher Zahlungen erhalten. Was würden Sie dann tun? Sie sagten, das sei zu wenig und sie würden mehr zurücklegen.

Wie viel würden sie monatlich erhalten?

Benartzi: Das hängt von der Gesamtsumme ab. Gehen Sie von 100.000 Dollar aus, dann könnte die monatliche Auszahlung etwa 500 Dollar betragen. Bei einer Million Dollar könnten es monatlich 5000 Dollar sein. Doch wenn Sie den Inflationsschutz mit einrechnen, der rapide sinkt, könnte die Summe auch auf monatlich 4000 Dollar schrumpfen.

Die meisten Menschen schätzen die wirkliche Kaufkraft der gesamten Summe zweieinhalb mal höher ein, als sie wirklich ist. Wenn sie 100.000 Dollar haben, rechnen sie eigentlich mit 250.000 Dollar – der Wohlstand ist eine Illusion.

Die Idee zu Ihrem Buch kam Ihnen durch das "Save more tomorrow"-Programm, "Morgen für morgen sparen", das Sie mit Richard Thaler entwickelt haben. Es soll die US-Amerikaner davon überzeugen, mehr für ihre 401(k)-Rentenpläne anzusparen. Wie hat sich Ihr Programm ausgewirkt?

Benartzi: Inzwischen nehmen in den USA rund 10 Millionen Menschen an dem Programm teil. Die Sparquoten haben sich dadurch erhöht, ebenso hat sich die Branche verändert. Ich wäre nicht überrascht, wenn in den nächsten drei bis vier Jahren 20 Millionen Menschen Teil des Programms sind.

Bei denjenigen, die das Programm als Erste integrierten, nehmen rund 25 Prozent der Kunden daran teil. Diejenigen, die es erst später in ihr Angebot aufnahmen, haben bisher zwischen fünf und zehn Prozent der Kunden im Programm. Ich kann mir vorstellen, dass Sie mit der Zeit ebenfalls auf eine Quote von 25 Prozent kommen.

Wie sieht für Sie der ideale Pensionsplan aus? Die Faustregel in Ihrem Buch heißt 90-10-90.

Benartzi: Ich weiß nicht, ob der Pensionsplan ideal ist, aber er ist ein guter Anfang. Wir haben Rentenberater befragt, die auf die sogenannten 401(k)-Pläne der USA – eine private Rentenvorsorge mit Steuervergünstigungen – spezialisiert sind. Wir wollten wissen, wie Pensionspläne ihrer Meinung nach aussehen sollten. Wir haben auch Teilnehmer des Plans befragt, was ihrer Meinung nach das Beste wäre. Außerdem haben wir Forschungsarbeiten mit einbezogen.

Als Summe dessen errechneten wir eine einfach Faustregel, die besagt, dass die meisten Menschen – sagen wir 90 Prozent – für die Rente sparen sollten. Sie sollten mindestens 10 Prozent zurücklegen. Und 90 Prozent von ihnen möchten lieber ein professionelles Produkt haben, als sich selbst darum zu kümmern. Meiner Meinung nach sollten die meisten Menschen die Produkte aus einer Hand bekommen.

Welche Produkte hätte solch ein Anbieter?

Benartzi: Es gibt verschiedene Lösungen; eine davon könnten Target Date Fonds, also Fonds mit "Ablaufdatum" sein. Im Großen und Ganzen halte ich gut ausgewogene Portfolios, die von Experten zusammengestellt werden, für sinnvoll. Wenn den Kunden das nicht gefällt, können sie sich immer noch anders entscheiden. Aber die vorhandenen Daten zeigen, dass die meisten Menschen diese Dienstleistung gerne in Anspruch nehmen. Wir sollten es ihnen einfacher machen, indem wir ihnen alles aus einer Hand anbieten.

Wie hoch dürfen die Gebühren sein, damit sichergestellt ist, dass die Rentner einen vernünftigen Ertrag erhalten?

Benartzi: Die Gebühren sind sicher sehr wichtig. Doch hierfür eine Faustregel zu nennen wäre das Gleiche wie eine Faustregel dafür, was eine Wohnung kosten sollte. Es hängt davon ab, ob Sie ein Penthouse oder eine Ein-Zimmer-Wohnung haben wollen.

Um Gebühren kann es erst gehen, wenn klar ist, welche Dienstleistungen benötigt werden. In den USA müssen die 401(k)-Pläne jede Menge gesetzliche Auflagen erfüllen und dafür werden Anwälte gebraucht – was wiederum sehr teuer ist. Die Kunden bekommen alle drei Monate eine Abrechnung: Auch das muss bezahlt werden. Außerdem gibt es Mitarbeiter, die über gebührenfreie Telefonnummern bei Fragen direkt erreichbar sind. Auch das kostet Geld.

Gibt es Rentenpläne, die zu viel berechnen? Vielleicht, aber meiner Meinung nach sind das eher wenige. Die Branche hat keine hohen Gewinnspannen. Leitende Mitarbeiter von 401(k)-Plänen reisen nicht in Privatjets.

Inwiefern bringt Ihr Programm die Menschen dazu, mehr zu sparen?

Benartzi: Das wichtigste Instrument, das wir den Trägern der Rentenpläne zu bieten haben ist das Verhaltens-Audit. Dies soll sowohl den Trägern als auch den Beratern die Anwendung eines umfangreichen Leitfadens erleichtern, der erklärt, wie die verhaltensorientierte Finanzierungslehre funktioniert. Der Ansatz, die verhaltensorientierte Finanzierungslehre mit einzubeziehen, damit bei der Neugestaltung des 401(k)-Plans alle verfügbaren Erfahrungen genutzt werden, ist sehr wirkungsvoll.

Auf Endverbraucher hat das Gesichts-Tool eine starke Wirkung. Wenn 401(k)-Teilnehmer überlegen, ob sie für die Zukunft vorsorgen sollen oder nicht und wenn ja, wie viel sie sparen sollen, können sie sich ein Bild von sich selbst als Rentner machen. Je mehr sie sparen, desto glücklicher wird dieses spätere "Ich". Sie werden in die Lage versetzt, eine Verbindung zu ihrem künftigen Befinden herzustellen. Das wiederum hilft ihnen mehr zu sparen.

Sie schreiben auch von Lohntüten, auf denen die Kinder der jeweiligen Mitarbeiter abgebildet sind.

Benartzi: Hier handelt es sich um Angestellte in Indien, die pro Tag ein paar Dollar verdienen und dieses Geld bar ausgezahlt bekommen. Es ist ziemlich leicht, dieses Geld gleich wieder auszugeben, aber schwierig, diese Menschen zum Sparen zu bewegen. Dilip Soman von der Universität Toronto und Amar Cheema von der Unversität von Virginia fanden heraus, dass die Menschen eher sparen, wenn sie ihren Lohn in einem Umschlag bekommen, auf dem ihre Kinder abgebildet sind.

Die Finanzbildung ist meist auf das kognitive System, auf Zahlen und das Rechnen beschränkt. Die beiden haben dagegen versucht, die Menschen über eine emotionale Schiene zu erreichen, die vor allem von Bildern abhängig ist. Wenn Sie Bilder von Ihren Kindern sehen, spricht Sie das emotional sofort an.

Wie können Menschen bei der heutigen Wirtschaftslage ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Schuldenreduzierung, früher Hypothekenrückzahlung und Sparen fürs Alter finden?

Benartzi: In den Vereinigten Staaten sind Hypotheken sehr günstig, weil sie sich von der Steuer absetzen lassen. Man kann also genauso gut Geld in einem 401(k)-Plan anlegen.

Betrachtet man hingegen Länder, in denen Hypotheken nicht steuermindernd sind, beispielsweise Australien, sind die Menschen vielleicht der Meinung, es könnte besser sein, zuerst das Haus abzubezahlen und dann erst für die Rente zu sparen; schließlich sind Hypotheken teuer. Das Problem dabei ist die Mentalität der Menschen: Wenn sie ihre Hypothek abgezahlt haben, kaufen sie sich ein größeres Haus und nehmen eine noch höhere Hypothek auf.

Bei unseren Studien arbeiteten wir mit Angestellten, die uns sagten, sie könnten im Moment nichts sparen, auch wenn sie sich "abstrampelten". Wir suchten dann nach Wegen, wie sie morgen mit dem Sparen anfangen konnten. Ich glaube, dass die wirtschaftliche Situation nicht so schlecht ist. Die verhaltensorientierte Finanzierungslehre kann den Menschen sicherlich helfen, mehr zu sparen.

Shlomo Benartzi: "Die meisten Menschen schätzen die wirkliche Kaufkraft der gesamten Summe zweieinhalb mal höher ein, als sie wirklich ist. Wenn sie 100.000 Dollar haben, rechnen sie eigentlich mit 250.000 Dollar"

 
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen hier zur Verfügung gestellt wird.
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Michael Matern

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