Die deutsche Wirtschaft hat zuletzt einen spürbaren Dämpfer erhalten und die Prognosen werden zurzeit reihenweise nach unten korrigiert. Während bereits schon über weite Teile des Jahres verschiedene Konjunkturindikatoren eine Abschwächung der Wachstumsdynamik anzeigten, legte das reale Bruttoinlandsprodukt in der ersten Jahreshälfte noch solide zu. Im dritten Quartal knickte die Konjunktur dann aber regelrecht ein.
Verantwortlich hierfür war maßgeblich die Automobilindustrie, die erhebliche Probleme mit der Zertifizierung von Fahrzeugen nach dem neuen Emissionstestverfahren WLTP hatte. Allianz Research geht davon aus, dass diese Probleme im Automobilsektor spätestens im Verlaufe des ersten Quartals 2019 weitgehend behoben sein werden und rechnet sowohl für das laufende als auch für das kommende Quartal mit einer Gegenbewegung zum Wachstumseinbruch im dritten Quartal.
Die Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung wegen der protektionistischen US-Handelspolitik und geopolitischer Risiken bleibt aber erheblich. Hinzu kommt die Unsicherheit in Europa durch den Brexit und die schwierige Lage in Italien. Die Vernunft dürfte aber die Oberhand behalten und durch Verhandlungen eine spürbare Eskalation der Konflikte vermieden werden können.
Alles in allem rechnet die Allianz trotz der erhöhten Risiken damit, dass die gesamtwirtschaftliche Auslastung in Deutschland im kommenden Jahr weiter zunimmt. Mit einem Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts um 1,7 Prozent (2018: voraussichtlich 1,5 Prozent) wird die Rate der vorangegangenen Jahre (2016 und 2017: jeweils 2,2 Prozent) aber nicht mehr erreicht.
„Trotz des jüngsten Rücksetzers in Deutschland sprechen die binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für eine, wenn auch moderatere Fortsetzung des Aufschwungs. Dies gilt insbesondere für den privaten Konsum. Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte werden auch im Jahr 2019 nominal recht kräftig wachsen“, sagte Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz.
Auch 2018 dürfte der Finanzierungssaldo der öffentlichen Hand höher ausgefallen sein als ursprünglich erwartet. Insgesamt rechnet die Allianz für 2018 mit einem Haushaltsüberschuss von 52,5 Mrd. EUR, was 1,6 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung entspricht. Der öffentliche Schuldenstand dürfte mit 59,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts damit erstmals seit dem Jahr 2001 wieder unter die Marke von 60 Prozent gefallen sein.
Für das Jahr 2019 ist mit einem kräftigen Ausgabenwachstum in einer Größenordnung von etwa 4 ½ Prozent zu rechnen. Dies liegt im Wesentlichen an den bereits beschlossenen rentenpolitischen Maßnahmen sowie an investiven Maßnahmen und Mehrausgaben im Bereich der Entwicklungshilfe. Der Expansionsgrad der deutschen Fiskalpolitik wird 2019 weiter zunehmen. Die Budgetwirkung der bislang verabschiedeten fiskalpolitischen Maßnahmen liegt 2019 bei etwa 0,6 Prozent bis 0,7 Prozent des BIP (nach 0,2 Prozent des BIP im laufenden Jahr). Der Haushaltsüberschuss wird spürbar sinken. Mit prognostizierten 35,5 Mrd. EUR oder 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bleibt er aber substanziell.
„Um die Wirtschaft in dem schwieriger werdenden Umfeld weiter auf Wachstumskurs zu halten, bedarf es wirtschaftspolitischer Reformen. Durch die hohen Haushaltsüberschüsse der öffentlichen Hand ist finanzieller Handlungsspielraum vorhanden. Das Hauptproblem ist, dass Steuersenkungen im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen sind. Angesichts deutlich verminderter Wachstumsaussichten sollten sich die Koalitionäre aber nicht von nötigen Reformen abhalten lassen. Eine Steuerpolitik, die die Nettoeinkommen der privaten Haushalte erhöht und den Investitionsstandort Deutschland attraktiver macht, wird das Wachstum über höhere private Konsum- und Investitionsausgaben stärken. Was für Deutschland gut ist, hilft auch unseren europäischen Partnern, die sich stärkere Impulse aus Deutschland dringend wünschen“, sagte Heise.