Tornados: stürmische Zeiten?

Markus Stowasser: Es gibt mehrere Gründe für dieses massive Auftreten von Tornados.

Feuchte, warme Luft aus dem Golf von Mexiko strömte andauernd gen Norden. Gleichzeitig trieben Kaltfronten aus dem Nordwesten heran. Die beiden Luftströme prallten über dem Mittleren Westen und dem Süden der USA aufeinander und erzeugten Stürme und Tornados.

Ein wichtiger zusätzlicher Faktor war eine lange und sehr starke Störung des Jetstream, die starke Winde in der höheren Atmosphäre mit sich brachte. Die Stärke dieser Störung lieferte die Energie für die sehr heftigen Tornados.

Und das räumliche Ausmaß der Störung ließ Starkwinde in einem größeren Gebiet als normal aufkommen.

Markus Stowasser: "Die Schadensmeldungen in den USA deuten auf einen Trend zur Zunahme von schweren konvektiven Wetterphänomenen hin, darunter auch Tornados"

Stowasser: Damit sich ein Tornado bilden kann, ist vor allem warme und feuchte Luft nötig, zum Beispiel aus dem Golf von Mexiko. Sie enthält eine Menge Energie, die freigesetzt wird, sobald sie aufsteigen muss. Gleichzeitig strömt kalte Luft in große Höhen, das macht die Atmosphäre instabil.

In der aufsteigenden, warmen Luft bilden sich Gewitter und formen schließlich eine Superzelle. Das ist ein enormes Wolkensystem, das sich bis zu zehn Kilometer weit ausbreitet. Superzellen sind die größte Gewitterart auf der Erde. Charakteristisch für Superzellengewitter ist ihre anhaltende Aufwärtsrotation. Sie bilden sich in Gegenden mit starker vertikaler Windscherung – einer Änderung der Windgeschwindigkeit oder -richtung mit der Höhe.

Diese Bedingungen sind oft in Jetstream-Gebieten zu finden – Regionen mit großen Windgeschwindigkeiten in den Höhen. Die meisten Tornados entstehen aus Superzellen; die Winde im Inneren der Zelle blasen Wolkenschläuche in Richtung Boden.

Die Rohdaten der letzten 30 Jahre zeigen ganz klar eine zahlenmäßige Zunahme der Tornados

Stowasser: Das war wirklich ein sehr außergewöhnliches Wetterereignis mit bis zu 160 Tornados innerhalb von 24 Stunden. Zuletzt haben wir eine so große Anzahl von Tornados in einem vergleichbaren Zeitraum im Jahr 1974 erlebt. Damals zählten wir 148 Tornados.

Doch seit Anfang 2011 erfassten wir schon 745 Tornados, eine herausragende Zahl, die noch nie zuvor dokumentiert wurde. Normalerweise haben wir in den USA durchschnittlich rund 1200 Tornados pro Jahr.

Die Hauptsaison für diese Art von Stürmen hat zwar etwas früher begonnen als üblich. Doch diese Stürme unterscheiden sich nicht von anderen ähnlichen Wetterereignissen. Diese Stürme kommen an den Orten vor, wo sie um diese Jahreszeit zu erwarten sind.

Leider waren die Ausgangsbedingungen für dieses Tornado-Ereignis geradezu perfekt und alle Risikofaktoren spielten optimal zusammen. Daher ist ein solcher Ausbruch ein relativ seltenes Ereignis.

Stowasser: Das liegt an einer Kombination topografischer Elemente.

Anders als in Mitteleuropa gibt es kein Gebirge wie die Alpen, das den Austausch der Luftströme vom Norden nach Süden oder umgekehrt unterbrechen könnte. Trockene, kalte Luft kann sehr weit nach Süden und feuchte, warme Luft sehr weit nach Norden strömen. Diese Gegebenheiten machen die Tornado Alley einzigartig.

Stowasser: Tornados sind sehr schwer vorherzusagen. Es gibt einige Hinweise in den Wettermodellen, die es erleichtern, Warnungen auszusprechen. Aber es ist noch nicht völlig geklärt, wie sich Tornados bilden.

Wir können sagen, dass das Risiko an einem Tag höher ist als an einem anderen. Aber wenn es darum geht, genau zu bestimmen, wo sich ein Tornado bilden wird, sind wir am Ende.

Um diese Stürme zu verfolgen, brauchen wir hochauflösende Computermodelle. Ein Tornado hat einen Durchmesser von maximal einem Kilometer. Die aktuellen Wettermodelle können einen so kleinen Sturm nicht erfassen.

Stowasser: Je nach Bauweise kann der sicherste Platz im Inneren eines Hauses sein. Doch man sollte sich klarmachen, dass ein starker Tornado, wie er beispielweise Tuscaloosa in Alabama niedermähte, ohne Weiteres ein Holzhaus zerstören kann. In diesem Fall kann ein Keller genug Schutz bieten. Halten Sie sich von den Fenstern fern, weil Gegenstände herumfliegen können.

Bleiben Sie außerdem nicht im Auto sitzen. Starke Tornados können sie einfach umwerfen und sogar zertrümmern. Wenn Sie sich im Freien befinden, suchen Sie Schutz in Mulden oder anderen tiefliegenden Bereichen.

Stowasser: Es gibt Hinweise darauf, dass man die Bildung eines schweren Hagelereignisses verhindern kann, indem man die Anzahl der Partikel in einer Gewitterwolke erhöht. Aber Tornados sind viel stärker. Sie heißen nicht umsonst Superzellen.

In ihnen stecken gewaltige Energiemengen. Selbst wenn man eine solche Wolke impfen könnte, hätte das kaum Auswirkungen auf die Entwicklung von Superzellen.

Stowasser: Es ist schwer zu sagen, ob sie zahlreicher, stärker oder großflächiger werden. Zum Teil liegt das an einem Mangel an historischen Daten, zum Teil an ihrer unberechenbaren Natur.

Die Rohdaten der letzten 30 Jahre zeigen ganz klar eine zahlenmäßige Zunahme der Tornados. Aber man muss bei der Interpretation dieser Daten vorsichtig sein.

Veränderungen bei der Bevölkerung, den Medien und weiterentwickelte Aufzeichnungssysteme tragen zur stärkeren Wahrnehmung von Tornados bei. Man kann also nicht sicher sein, ob es wirklich einen Aufwärtstrend gibt.

Sogar bei den Schadensmeldungen der Versicherungen ist schwer zu unterscheiden, ob der Schaden durch einen Tornado, ein schweres Hagelereignis, einen einfachen Sturm entstanden ist oder ob es um Verluste aufgrund höher versicherter Werte geht.

Die Wissenschaftler glauben zwar, dass der Klimawandel zu einem Anstieg schwerer Wetterphänomene, darunter Hurrikane und Gewitter, führen wird. Aber es herrscht wenig Einigkeit darüber, wie er sich auf Tornados auswirken könnte.

 
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen hier zur Verfügung gestellt wird.
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