Überschwemmungen in Australien

Markus Stowasser: In der Zeit von Ende November 2010 bis Mitte Januar 2011 waren in den meisten Regionen Ostaustraliens extrem viele Niederschläge gefallen. Während dieser Periode haben sechs Starkregenfälle große Regionen der östlichen Bundesstaaten heimgesucht. Dies bewirkte, dass viele Flüsse weiträumig über die Ufer traten und es in der zweiten Januarwoche in Brisbane und den umliegenden Gebieten zu schweren Überschwemmungen kam. Hinsichtlich ihres Ausmaßes, ihrer Wirkungen und ihrer Schwere gehören diese Überflutungen zu den stärksten, die bisher in Australien verzeichnet wurden.

Es war laut Aufzeichnungen der regnerischste Dezember für Queensland und das gesamte Ostaustralien. Ihm folgte ein extrem regenreicher Frühling; in manchen Regionen war es der feuchteste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, wodurch viele Gebiete bereits durchnässt waren, bevor der zu den Überschwemmungen führende Regen einsetzte. Die Niederschläge Ende 2010 fielen während eines starken La-Niña-Ereignisses im Pazifischen Ozean. Es war eines der vier stärksten Ereignisse in den vergangenen hundert Jahren. Frühere starke La-Niña-Ereignisse wie die 1973/74 und 1955 gingen ebenfalls mit weiträumigen und schweren Überschwemmungen in Ostaustralien einher.

Markus Stowasser: "Diese Überflutungen gehören zu den stärksten, die bisher in Australien verzeichnet wurden"

Stowasser: La Niña ist Teil einer natürlichen Klimaschwankung im tropischen Pazifikgebiet, die zwischen der warmen El-Niño- und der kalten La-Niña-Phase pendelt. La Niña ist ein völlig natürliches Ereignis, das alle paar Jahr als Teil dieser natürlichen Oszillation auftritt. Es hat eine steuernde Wirkung auf das wärmste Wasser im Westpazifik und löst einen stärkeren Monsun als üblich aus. Das bewirkt, dass sich der normalerweise über dem Pazifik niedergehende Regen während La Niña nach Westen auf Indonesien und auf nördliche sowie östliche Teile Australiens verschiebt. Daher steht die Tatsache, dass es in Queensland kürzlich zahlreiche Überschwemmungen gegeben hat, mit dem rekordverdächtigen Auftreten von La Niña völlig im Einklang.

Prognosen zum Klimawandel deuten auf eine deutliche Intensivierung extremer Niederschlagsereignisse hin

Stowasser: Mit Windgeschwindigkeiten von rund 230 Stundenkilometern entsprach Yasi einem ausgeprägten Kategorie-4-System gemäß der Saffir-Simpson-Skala _blank und war einer der stärksten und größten tropischen Zyklone, die je auf Queensland einwirkten. Der stärkste Sturm, der Australien seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahre 1970 getroffen hat, war der Zyklon Monica im Jahre 2006, der mit einer Windgeschwindigkeit von 287 Stundenkilometern im Western Territory auf das Festland stieß und einem Sturm der Kategorie 5 entsprach. La-Niña-Ereignisse bewirken geschichtlich betrachtet eine Zunahme der Zyklone während der australischen Sturmsaison, die von November bis April dauert. Das gegenwärtige starke La-Niña-Phänomen trägt dazu bei, die jüngst um Australien gemessenen Meerestemperaturen hochzutreiben. Diese warmen Wassermassen an der Meeresoberfläche stellen einen wichtigen Faktor zum Anheizen solch starker Systeme wie Yasni dar, indem sie reichlich Wärme und Feuchtigkeit liefern.

Stowasser: Zur Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines finanziellen Verlusts kombinieren moderne Katastrophenmodelle naturwissenschaftliche Erkenntnisse, zum Beispiel Wettervorhersagemodelle, mit Daten über versicherte Werte und die Schadenanfälligkeit von Immobilien. Durchdachte Modelle zur Einstufung von Überschwemmungsrisiken sind sehr komplex, weil sie verschiedene Komponenten einschließen müssen: Allen voran ein Wettermodell, mit dem sich vorhersagen lässt, wo wie viel Regen fällt. Dann benötigt man ein Flutmodell, mit dessen Hilfe man prognostizieren kann, wie sich das Wasser entsprechend der jeweiligen Bodenbeschaffenheit auf die Landoberfläche und in die Flüsse verteilt. Um die endgültigen Überflutungsgebiete berechnen zu können, braucht man außerdem ein Modell, das die bestehenden Schutzmaßnahmen gegen die Flut und die Wahrscheinlichkeit, dass die Vorkehrungen unzureichend sind, mit einbezieht.

Stowasser: Es ist sehr schwierig, irgendein bestimmtes extremes Ereignis auf den Klimawandel zurückzuführen. La Niña-, El Niño-Zyklen laufen schon seit einer sehr langen Zeit ab, es sind natürliche Zyklen. Sie sind Teil einer natürlichen Oszillation im Pazifik, und wenn man in die Zukunft laufende, von der Annahme ansteigender Treibhausgasniveaus ausgehende Klimamodelle betrachtet, lassen sich keine gleichbleibenden Veränderungen des La Niña-, El Niño-Zyklus feststellen.

Stowasser: Bis jetzt ist es sehr schwer, zwischen den natürlichen Klimaschwankungen und einem Trend zu unterscheiden, der auf einen Klimawandel zurückzuführen ist. Allerdings zeigen Prognosen zum Klimawandel eine deutliche Intensivierung extremer Niederschlagsereignisse in einer wärmeren Welt auf. Das entspricht ganz unserem physikalischen Verständnis der Atmosphäre, wonach wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann.

Obwohl es also höchst unwahrscheinlich ist, dass man allein den Klimawandel für die jüngsten Wetterextreme verantwortlich machen kann, ist es wahrscheinlich, dass der Klimawandel dazu führen wird, dass in Zukunft rund um den Globus häufiger schwere Niederschläge auftreten. Zahlreiche Klimamodelle zeigen einen Anstieg der Intensität der stärksten tropischen Zyklone und zugleich eine Abnahme ihrer Häufigkeit in einigen Regionen der Welt. Da die derzeitigen Klimamodelle jedoch noch zu grob sind, um all die Details dieser komplexen Sturmsysteme abbilden zu können, ist es in der wissenschaftlichen Gemeinschaft noch immer heftig umstritten, ob und inwieweit sich tropische Zyklone in einem Szenario globaler Erwärmung verändern.

 
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