Die European Startup Initiative (esi) organisierte vor wenigen Tagen im Berliner Allianz Forum eine Konferenz unter dem Titel "Accelerate EU: Making Europe an Easy Place for Startups.” Ziel der Veranstaltung war, das Potenzial für europäische Startups auszuloten und festzustellen, wie Europa für Neugründung noch attraktiver werden kann. Die Veranstaltung wird unterstützt von der Allianz Kulturstiftung. Vier Alumni der Kulturstiftung haben das Projekt auf die Beine gestellt. Sie wollen damit eine grundlegende Debatte darüber anstoßen, wie wir Europa zu einem guten Ort für Startups machen können.
Seit 2013 fördert esi die Interaktion von Startups in Europa, um die "besondere Mischung", die ein erfolgreiches Startup ausmacht, zu analysieren. Von besonderem Interesse ist auch die Exitstrategie, d.h. wie Gründer ihre innovativen Ideen letztendlich durch Börsengänge oder Verkauf zu Geld machen.
Umfragen von esi zeigen, dass es an der Zeit ist, Startup-Initiativen in Europa zu unterstützen. „Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa ist sehr hoch“, so Andrea Contigiani von esi, „und das bedeutet, dass Europa sich in einer tiefen Krise befindet.“ Aber genau das sieht Contigiani auch als Chance, weil die vielen gut ausgebildeten aber frustrierten jungen Leute einen Beitrag zur Gründung erfolgreicher Startups leisten könnten.
Skype zeigt, was möglich ist
Was Startups angeht, so gibt es in Europa bereits einige Lichtblicke, die sich der übrige Kontinent zum Vorbild nehmen könnte. Chris Brown, ein Amerikaner, der sechs Jahre in Tallinn (Estland) verbracht hat, wies die Konferenzteilnehmer darauf hin, dass der frühe, viel beachtete Erfolg eines ganz besonderen Startups dort zumindest aus psychologischer Sicht viel Schwung in die Startup-Szene gebracht hat. „Skype erzeugte in der Startup-Gemeinschaft ein Bewusstsein dafür, was alles möglich ist“, sagte Braun. Er ist Partner bei Traction Tribe, einem Accelerator mit Sitz in Budapest und berät dort Startups.
Skype wurde ursprünglich 2003 in Tallinn gegründet. Die Gründer allerdings stiegen gleich zweimal wieder aus: Einmal im Rahmen der Übernahme von 2,6 Milliarden Dollar durch eBay im Jahr 2005 und dann bei einem erneuten Aufkauf von etwa 8,5 Milliarden Dollar im Jahr 2011, dieses Mal durch Microsoft. Außerdem sind die estnischen Unternehmer offenbar auch sehr ambitioniert, bisweilen aus der Notwendigkeit heraus. „In einem derart kleinen Land wie Estland müssen sich Startups nach außen orientieren und darüber nachdenken, international zu werden, und das fast schon von Anfang an“, so Brown weiter.
Aber ganz abgesehen von der Inspiration durch Skype und der Ausrichtung der Szene nach außen, sollten andere europäische Länder sich ein Beispiel an den regulatorischen Schritten nehmen, die die technokratische Regierung Estlands ergriffen hat, um die Startup-Aktivitäten zu beflügeln. So teilte ein Fachmann dem Economist im vergangenen Jahr mit, dass die Anmeldung einer Firma in Estland nur ganze fünf Minuten dauert.
„… noch ein ganz zartes Pflänzchen“
Was ist sonst noch zu tun, um die Zahl der Startups in Europa zu erhöhen, außer der Verschlankung des regulatorischen Prozedere? Die vorläufigen Ergebnisse der jüngsten esi-Befragung, die derzeit noch läuft, aber in diesem Jahr abgeschlossen werden soll, zeigen, dass der größte Hemmschuh für die Gründung von Startups die fehlende Finanzierung ist. Obwohl Wagniskapital-Aktivitäten in Europa in den vergangenen Jahren zugenommen haben, hinken Startup-Investitionen auf dem alten Kontinent noch immer hinter denen im Silicon Valley und dem Rest der USA hinterher.
Kay Müller, CFO der Allianz Real Estate, vermutet, dass das Wachstum - zumindest bisher - einfach noch nicht ausreicht. In Europa - merkt Müller an - beträgt die Durchschnittsrendite auf Wagniskapital seit den 1980er Jahren 1,27 Prozent gegenüber 4 Prozent in den USA in den letzten Jahren, ganz zu schweigen von den astronomischen 40 oder mehr Prozent, die man in den 1990er Jahren in den USA verzeichnete.
Seiner Ansicht nach investieren Anleger tendenziell nicht in Startups, weil „es keinen Grund gibt, sich für diese Anlagenklasse zu interessieren", wenn es sonst andere rentablere Investitionsformen gibt.
Allerdings sind für Andrea Contigiani von esi die europäischen Startup-Hubs Grund zum Optimismus.
„Wir haben festgestellt, dass in diesem Umfeld jeder jeden kennt und man sich gegenseitig hilft“, ergänzt er. „Das ist typisch für Europa, und das sollte man auch nicht unterschätzen. Da kann sich etwas in Europa entwickeln, aber es ist noch ein ganz zartes Pflänzchen.“