Klar zur Wende

Der Ausbau von erneuerbaren Energieformen ist eine Menschheitsaufgabe – auch ein Windpark entsteht nur mithilfe vieler. Von der Planung bis zum Bau erzählen Wegbereiter:innen über ihre Funktion bei He Dreiht, einem der größten Offshore-Windkraft-Projekte Europas und das jüngste Beispiel für nachhaltige Investitionen der Allianz.

Die Höhe eines Windrades entspricht fast dem Eiffelturm, sein Gewicht etwa dem von 170 Elefanten. Der Rotor ist so lang wie zwei Fußballfelder. Und das alles mal 64 – so viele Windräder sollen ab 2024 in der deutschen Nordsee gebaut werden. Gesamtleistung: 960 Megawatt. Damit soll der geplante Offshore-Windpark He Dreiht mehr als 1,1 Millionen Haushalte mit Strom versorgen können. Eine gigantische Leistung, wenn man die Entwicklung der Branche betrachtet: 1991 brachte der weltweit erste Offshore-Windpark vor der Küste Dänemarks mit elf Windrädern gerade einmal eine Leistung von knapp fünf Megawatt. Bald wird eine einzige Turbine von He Dreiht das Dreifache an Strom erzeugen. Kein Wunder, dass das Bauvorhaben aktuell zu den größten Offshore-Windkraftanlagen Europas zählt.

Die Zahlen klingen imposant. „Doch genauso stark sind unsere Partner“, erklärt Michelle Rühl, Senior Investment Manager bei Allianz Investment Management (AIM). Die studierte Volkswirtin ist für die Allianz maßgeblich an der Investition von He Dreiht beteiligt gewesen und eine Protagonistin in der Porträtreihe.

Die notwendige Entwicklung zu immer größeren und leistungsstärkeren Offshore-Windparks verlangt auch eine wachsende Kooperation auf internationaler Ebene. Das Investitionsvolumen für den Rekordpark He Dreiht beträgt etwa 2,4 Milliarden Euro. 49,9 Prozent hat die Allianz in das Projekt investiert – mit einem Konsortium aus dem norwegischen Staatsfonds Norges Bank Investment Management und dem dänischen Infrastruktur-Investor AIP Management. Ein Viertel der Summe finanziert die Europäische Investitionsbank, einer der weltweit größten Geldgeber für Klimaschutz und ökologische Projekte.

Als Betreiber fungiert EnBW. Das Energieunternehmen zählt zu den größten Deutschlands und arbeitet seit Jahren mit der Allianz zusammen. Darüber hinaus gibt es schon jetzt gesicherte, langfristige Abnahmeverträge für den grünen Strom mit namhaften heimischen Konzernen, wie etwa dem Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport, Chemieunternehmen Evonik, Stahlproduzent Salzgitter oder Technologieunternehmen Bosch

Foto: Florian Manz
Foto: Florian Manz

Damit bereichert He Dreiht das Portfolio der Allianz im Feld „erneuerbare Energien“ als starker wie solider Baustein. Neben dem niederländischen Windpark Hollandse Kust Zuid ist He Dreiht das zweite Offshore-Windpark-Investment der Allianz. Darüber hinaus hat sich der Versicherer inzwischen an mehr als 100 Solaranlagen und Onshore-Windparks beteiligt – in Österreich, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Polen, Portugal, Schweden, den Niederlanden, und den USA.

Als Versicherungs- und Finanzdienstleister möchte die Allianz mit solchen nachhaltigen Investitionen vor allem das Geld ihrer Kund:innen bestmöglich anlegen. Davon ist auch Cristina Rotariu überzeugt. Die Direktorin von Allianz Capital Partners (ACP) hat die Transaktion mit He Dreiht ausgehandelt und berichtet mehr darüber in der Porträtreihe. „Uns war wichtig, dass alle Partner das gleiche Verständnis von Nachhaltigkeit haben“, erklärt die erfahrene Diplom-Kauffrau. „Wir wollen solche Kapitalanlagen mindestens 30 Jahre halten.“ Bereits seit 2005 investiert die Allianz erfolgreich und ökologisch nachhaltig Kundenkapital. Davon 2,7 Milliarden Euro in erneuerbare Energien, 4,1 Milliarden Euro in nachhaltige Immobilien und 8,9 Milliarden Euro in nachhaltige Unternehmensaktivitäten. 

Als einem der weltweit führenden Versicherer ist für die Allianz auch die globale Verantwortung gegenüber der Umwelt ein wichtiges Anliegen. Mit nachhaltigen Geldanlagen trägt das Unternehmen aktiv zur Energiewende bei. Denn um die ehrgeizigen Klimaziele vieler Staaten zu erfüllen, muss der Anteil erneuerbarer Energien am weltweiten Energiemix von aktuell rund 20 Prozent im Idealfall auf 80 Prozent bis zum Jahr 2050 anwachsen. Eine Schlüsselrolle werden dabei leistungsstarke Offshore-Windparks wie He Dreiht einnehmen. Zwar erzeugen heute schon Windkraftanlagen auf dem Meer mehr als 64 Gigawatt Strom – doch ist dies nur ein kleiner Anfang. Um das angestrebte Null-Emissionsziel zu erreichen, müssten es laut Global Wind Energy Council bis 2050 mehr als 1150 Gigawatt sein.

Auch die ausgewählten Protagonist:innen arbeiten an der Erreichung dieses globalen Ziels mit. Sie alle haben ihren Teil dazu beigetragen, dass ein Megaprojekt wie He Dreiht gelingen kann. Welche Herausforderungen sie dabei meistern mussten und wie sie selbst über Windkraft und Nachhaltigkeit denken, verraten sie in der exklusiven Porträtreihe der Allianz. 

Foto: Thomas Pirot
Volker Napp und Oliver Cychy.  Seit mehr als 30 Jahren arbeitet Oliver Cychy (re.) als Versicherungsvertreter für die Allianz. Der 53-Jährige berät in seinem Frankfurter Büro in den vergangenen Jahren Klienten auch zunehmend im Bereich Nachhaltigkeit. Zu seinen treuesten Kunden zählt Volker Napp (li.), der im Jahr 2000 eine Allianz Lebensversicherung bei ihm abgeschlossen hat und damit auch in den Windpark He Dreiht investiert.  
„Der Wind hat sich auch in meinem Beruf gedreht. Heute interessieren sich Kundinnen und Kunden für das Thema Nachhaltigkeit viel mehr als noch vor zehn Jahren. Ich berate Menschen, wie sie zum Beispiel ihre E-Autos, Solaranlagen oder neu gebauten Niedrig-Energiehäuser am besten versichern. Aber auch im Bereich der Altersvorsorge hat sich einiges getan. Da solche Produkte inzwischen sehr kapitalmarktnah sind, werde ich öfter gefragt, wie denn die Allianz das Geld überhaupt investiert. Vor allem die gebildeten Jüngeren, so ab Ende 20, möchten das wissen. Viele haben ein erstaunlich großes Finanzwissen, weil sie sich früh mit den Themen Geldanlage und Altersvorsorge beschäftigt haben – beschäftigen müssen. Leider sind ja die Zeiten der stabilen Staatsrente und Zinsen vorbei. Und natürlich ist diese Generation mit der Klimakrise aufgewachsen. Deswegen ist es ihr wichtig, dass ihr Geld nicht in irgendwelchen trendigen Geschäftsmodellen versickert, sondern nachhaltig angelegt wird – wegen der Renditen. Aber auch wegen der Sinnhaftigkeit. Ich freue mich dann immer auf die beeindruckten Gesichter, wenn ich von den großen nachhaltigen Allianz Investments berichten kann. Zum Beispiel über das Tideway-Tunnel-Projekt, mit dem die Stadt London ein modernes Abwassersystem unter der Themse realisieren konnte. He Dreiht kommt garantiert auch auf meine persönliche Best-of-Beispielliste.“ 

„Ganz ehrlich – als ich vor 23 Jahren den Vertrag für meine Allianz Lebensversicherung abgeschlossen habe, dachte ich noch nicht an Nachhaltigkeit. Das war reine Vertrauenssache, weil meine Eltern schon damals lange bei der Allianz versichert waren und bis heute noch sind. Und zwar mit allem, was man so versichern konnte. Zwei Aktenordner voll mit Policen – von Berufsunfähigkeit bis Vollkasko.

Heute finde ich es klasse, dass mein Geld nicht nur rentabel, sondern auch in nachhaltige Großprojekte wie He Dreiht angelegt wird. Denn das Thema Umweltschutz ist mir und meiner Familie in den vergangenen Jahren sehr wichtig geworden. Vor allem der verantwortungsvolle Umgang mit unseren Ressourcen. Wo es für mich möglich ist, versuche ich Energie zu sparen. Auf dem Dach haben wir zum Beispiel eine Fotovoltaikanlage. Und seitdem wir mit unserer Werbeagentur eine indische Hilfsorganisation unterstützen, haben wir auch eine Retentionszisterne im Garten. Damit sammeln wir Regenwasser, um unsere Pflanzen zu gießen. Wenn kein Regenwasser mehr da ist, lassen wir im Sommer die Pflanzen eben austrocknen. Wissen Sie, in Indien freuen sich Kinder über einen Becher sauberes Trinkwasser, und ich habe 200 Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr verschwendet, nur um den Garten zu sprengen. Das durfte nicht sein.“  

Foto: Thomas Pirot
Michelle Rühl. Als Teil des Teams von Allianz Investment Management (AIM) überlegt sich Michelle Rühl, wie man Investitionen im Bereich erneuerbare Energien auswählt und gewichtet. Die studierte Volkswirtin achtet darauf, die Portfolien der Allianz Versicherungsgesellschaften möglichst ausgeglichen zu bestücken, um Risiken bei möglichst hoher Rendite zu minimieren. Ein solider Baustein ist He Dreiht. 

„Warum wir uns ausgerechnet He Dreiht als Investment herausgepickt haben? Das Gesamtpaket hat gestimmt: starke Projektpartner, langfristige Abnahmeverträge für den produzierten Strom, angemessene Renditen und eine weitere Diversifizierung unseres Portfolios.

Generell ist Offshore-Windkraft ein wichtiger Baustein in unserem Portfolio der Erneuerbare-Energien-Anlagen – neben Onshore-Wind und Solarenergie. Diese Technologien weisen unterschiedliche und teilweise sich ergänzende Eigenschaften auf, weshalb wir Wert auf ein diversifiziertes Portfolio legen – nicht nur im Hinblick auf Technologien, sondern auch auf Regionen, Stromabnehmer und Technologiehersteller.

Und ja, die erneuerbaren Energien stehen derzeit auch vor einigen Herausforderungen: Inflation und hohe Zinsen erhöhen die Kosten, es gibt Engpässe in den Lieferketten. Aber erneuerbare Energien sind in weiten Teilen der Welt die günstigste Energiequelle. Wir sind davon überzeugt, dass sie auch weiterhin und auf lange Sicht gesehen attraktive Investitionsmöglichkeiten bieten. Denn letztlich benötigen wir sie, um die ambitionierten Klimaziele vieler Staaten zu erreichen. Darüber hinaus sind sie wichtig, um die stetig steigende Nachfrage nach Strom zu decken – vor allem in den energieintensiven Industrien.

Ich freue mich, dass erneuerbare Energien im vergangenen Jahrzehnt ihr Nischendasein überwinden konnten und wettbewerbsfähig geworden sind. Das hilft, die Energiewende voranzutreiben. Denn wenn Industrieunternehmen ihren Strombedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen langfristig über grünen Strom abdecken können, dann werden sie das machen. Das Prinzip gilt genauso für Privatverbraucherinnen und -verbraucher. Der Weg muss so einfach und bequem wie möglich sein, damit ihn viele gehen.

Ich sehe das in meinem Alltag. Bestes Beispiel ist die Kantine der Allianz, wo ich regelmäßig essen gehe. Dort werden so hervorragende vegane oder vegetarische Menüs angeboten, die oft preiswerter sind als die Fleischgerichte. Da beobachte ich, wie selbst überzeugte Fleischesser freiwillig die klimafreundlichere Alternative wählen. Wenn die nachhaltige Option die einfachere und günstigere ist, greifen viele zu.“ 

Foto: Andrea Artz
Cristina Rotariu, Transaction Director, verantwortet bei Allianz Capital Partners (ACP) Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien. Die diplomierte Kauffrau sucht mit ihrem Team ständig nach Projekten und Partnern, etwa wenn neue Solar- oder Windparks entstehen sollen. Ist so ein Projekt interessant, dann handelt sie die Verträge aus und sorgt für den richtigen gesetzlichen und finanziellen Rahmen.

„Als Transaction Director bin ich immer auf der Suche nach attraktiven Investitionen. So habe ich beispielsweise auch mit He Dreiht mit meinem Team einen echten Schatz entdeckt. Gerade bei riesigen Projekten wie Offshore-Windparks ist das ganz schön kompliziert und braucht jahrelange Planung. Schließlich kostet so ein Vorhaben oft mehrere Milliarden Euro. Das kann man nicht allein stemmen.

Also brauchen wir geeignete Partner. Menschen, die ähnliche Vorstellungen von der gemeinsamen Zukunft haben. Zum Beispiel bei der Frage, wie langfristig man so ein Investment halten möchte. Es gibt z.B. Firmen oder Fonds, die nach fünf Jahren wieder aussteigen wollen. Wir verfolgen einen langfristigen Ansatz. Unsere Investments sollen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch nachhaltig sein. Wer mit uns eine Partnerschaft eingeht, sollte schon bereit sein, sich für mindestens 30 Jahre zu binden. So ein passendes Konsortium haben wir im Fall von He Dreiht etwa mit dem dänischen Pensionsfond und dem norwegischen Staatsfond gefunden. Vertrauen, Kompetenz und Erfahrung spielen für uns eine wichtige Rolle. Deswegen ist EnBW als weiterer Partner bei He Dreiht ein ,Perfect Matchʻ  gewesen. Denn mit dem Energiekonzern kooperiert die Allianz bereits erfolgreich in anderen Projekten. 

Bei aller positiven Aufregung und viel Spaß an solchen Mammutvorhaben habe ich aber auch ganz schön Respekt davor. Am Ende legen wir das Geld von Menschen an, die hart dafür gearbeitet haben. Oft hängt davon ihre Existenz im Alter ab. Fehler darf ich mir deswegen nicht erlauben. Die würde ich mir auch nicht verzeihen.

Ich bin seit zwölf Jahren bei ACP und als ich vor sieben Jahren zum Renewables Investment Team hinzugestoßen bin, waren alternative Energieformen als Investmentklasse noch nicht so entwickelt wie heute. Damals wie heute belächeln manche Menschen das, was wir hier tun. Einige mutieren sogar zu richtigen Don Quichottes, die Windräder verbal bekämpfen, weil sie zu teuer, zu ineffizient oder zu hässlich seien. Ihnen möchte ich entgegnen: Wir erleben gerade eine fundamentale Zeitenwende. Fossile Energien werden langsam aussterben. Ich vergleiche das mit der Erfindung des Autos: Das hat auch die Pferdekutsche ersetzt. Und wir sollten in Europa dankbar dafür sein, dass wir vor vielen Küsten überhaupt die Möglichkeit für den Bau von Offshore-Windparks haben. In Japan, zum Beispiel, würde man sehr gerne solche Projekte realisieren. Aber dort sind die Bedingungen durch Tsunamis und die große Wassertiefe vor der steilen Pazifikküste zu ungünstig.

Ich freue mich, dass aus der einstigen Nische inzwischen ein relevantes, profitables und ökologisch nachhaltiges Geschäft geworden ist.“ 

Foto: Maximillian Mann
Dr. Bente Limmer. Seit mehr als acht Jahren arbeitet die studierte Biologin für das Institut für Angewandte Ökosystemforschung in Rostock. Mit ihrem Team begutachtet sie vorab ausgewiesene Gebiete für Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee. Sie prüfen, welche Tiere und Pflanzen in welcher Anzahl dort vorkommen. Auch für He Dreiht hat sie mit dem Forschungsschiff das Meeresareal kontrolliert.
„Um drei Uhr in der Nacht gehts los. Dann fährt unser Forschungsschiff raus aufs Meer. Wir müssen bei Sonnenaufgang das Areal erreichen, das wir für eine sogenannte Umweltverträglichkeitsstudie prüfen sollen. Wir müssen den ersten Vogelflug am Morgen registrieren können. Das war auch für He Dreiht so. Da haben wir eine erste Basisaufnahme durchgeführt. Dafür fahren wir das gesamte Areal des geplanten Windparks mit dem Schiff ab – in einem engmaschigen Streifenmuster. Dabei dokumentieren wir Flora und Fauna vom Meeresboden bis zum Himmel. Wir erfassen zum Beispiel, welche Vögel oder Meeressäuger wir entdecken und wie viele. Es werden Sidescan-Sonar-Aufnahmen vom Meeresboden gemacht. Zusätzlich entnehmen wir mit Greifern und Netzen Proben vom Meeresboden, um dort das Benthos zu charakterisieren, also die Organismen auf dem Grund oder innerhalb der Sedimentdecke. Mit einem Hydrofon können wir Klicklaute von Walen aufnehmen. Und für die Bestimmung der Vogelwelt nutzen wir am Tag ganz klassisch unsere Ferngläser. Bei Nacht hilft uns das Radar, um Vogeltrupps auch im Dunkeln sichtbar zu machen, oder wir benutzen unsere Ohren, um sie zu ,verhörenʻ. Denn wenn Vögel in der Dunkelheit ziehen, sorgen sie mit ihren ständigen Lauten dafür, dass der Schwarm zusammenbleibt.

Im Fall von He Dreiht waren wir zwei Jahre jeden Monat mehrere Tage unterwegs. Sobald der Windpark gebaut wird, prüfen wir noch einmal das Biotop während der Bauphase und anschließend begleitend, wenn He Dreiht in Betrieb läuft. Damit erforschen wir, inwieweit Tiere ihr Verhalten etwa aufgrund von Bauarbeiten oder dem Betrieb ändern. Daraus gewinnen wir auch Erkenntnisse für künftige Projekte. Ein gutes Beispiel sind die gefährdeten Schweinswale in unseren Meeresgebieten. Auch dank solcher Biotop-Prüfungen konnte schon festgestellt werden, dass die scheuen Säuger sich an den lauten Rammarbeiten stören, die beim Setzen der Windradfundamente in den Meeresboden entstehen. Deswegen legen heute Bautechniker:innen am Meeresgrund Schläuche, aus denen mit Druckluft Blasen gepresst werden. Diese steigen wie eine Wand auf und dämmen so den Schalleintrag der Bauarbeiten. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hat deswegen auch ein gesetzliches Limit für Deutschland vorgeschrieben, dass solche Rammarbeiten in einem Abstand von 750 Metern Entfernung zum Pfahl nicht lauter als 160 Dezibel sein dürfen.

Doch auch wenn Offshore-Bauarbeiten das empfindliche Ökosystem definitiv stören, wissen wir, dass es sich danach auch wieder erholen kann. Schweinswale etwa kehren wieder zurück.  

Vieles wissen wir aber noch nicht. Dafür ändert sich der technische Fortschritt in der Branche zu schnell. Windräder werden zum Beispiel immer höher gebaut. Dadurch können andere Vogelarten betroffen sein, die eher höher am Himmel ziehen. Für andere Spezies können solche Windparks aber auch eine Chance sein. Es gibt zum Beispiel Hinweise, dass die Fundamente im Wasser ein neues Zuhause für die europäische Auster oder den Hummer sein könnten.“  

Foto: Henning Kretschmer
Shana Cohen ist eine in Singapur geborene Französin, die seit 2016 für den dänischen Windturbinenhersteller Vestas tätig ist. Als Senior Director of Technical Sales Management for Offshore in Nord- und Mitteleuropa ist sie für das technische Team verantwortlich, das für die technische Umsetzung und die Optimierung von Offshore-Projekten in der Region zuständig ist. Für He Dreiht hat sie mit ihrem Team die technischen Spezifikationen und Verträge für die neue Turbinengeneration „V236-15.0 MW“ erarbeitet. 

„Viele Jahre lang lautete die Devise in der Offshore-Windindustrie: größer, schneller, leistungsstärker. Viele Unternehmen konkurrierten darum, als Erste die leistungsstärksten Turbinen auf den Markt zu bringen. Auch Vestas war ein Pionier in diesem Wettbewerb. Doch das hohe Tempo stellt derzeit viele Hersteller, Entwickler und Zulieferer vor enorme Herausforderungen. Immer größere Bauteile, wie Türme, Gondeln oder Rotorblätter, erfordern auch immer größere Hafenanlagen, Installationsschiffe, Lagermöglichkeiten oder Lkw an Land, um die Bauteile sicher zu transportieren. Die Krisen der vergangenen Jahre haben die gesamte Wertschöpfungskette weiter strapaziert. Wie viele andere Branchen haben auch wir unter dem inflationsgetriebenen Kostendruck und dem Rückgang der Installationen von Windkraftanlagen gelitten. Dies ist unter anderem auf unnötig komplizierte Genehmigungsverfahren und langwierige Genehmigungsprozesse zurückzuführen.

Aber in jeder Krise steckt auch eine große Chance. Bei der Offshore-Windkraft konzentrieren wir uns ganz auf unser leistungsstärkstes Anlagenmodell, die V236.15.0 MW. Dieses wollen wir effizient industrialisieren, ohne dabei Kompromisse bei der Qualität in Kauf zu nehmen. So wurde unser Prototyp in Østerild, Dänemark, bereits einem strengen Testprogramm unterzogen und hat vor Kurzem sein Typenzertifikat erhalten. Im Bereich der Onshore- und Offshore-Windkraft sehen wir eine zunehmende Komplexität der Marktanforderungen. Für uns ist es daher wichtig, Wege zur Vereinfachung zu finden und auf standardisierten, skalierbaren Bausteinen aufzubauen, basierend auf einer gemeinsamen Architektur für Onshore- und Offshore-Plattformen. Eine Schlüsselfrage, die die technologische Innovation bei Vestas vorantreibt, ist, wie wir Mehrwert für unsere Kunden auf Projektebene kreieren. Bei der V236-15.0 MW können die Rotorblattspitzen bis zu 280 Meter in die Luft ragen, und jedes Blatt ist länger als ein Fußballfeld – welches in der Lage sein muss, jahrzehntelang den extremen Wetterbedingungen auf See standzuhalten und strenge Korrosionsanforderungen und -normen zu erfüllen. Die V236-15.0 MW basiert auf modularen Prinzipien und Gemeinsamkeiten mit der Onshore-Plattform EnVentus und ist von der Normungsorganisation ‚International Electrotechnical Commissionʻ (IEC) für eine Lebensdauer von 30 Jahren zugelassen.

Der Energiesektor ist eine hoch strategische Branche, und meine Motivation war es, eine Karriere in dieser Branche aufzubauen und gleichzeitig intensiven Kontakt zu technologischen Innovationen zu haben. Ich habe meine Karriere in der Öl- und Gasindustrie begonnen, weil das Thema Energie für mich eine grundlegende Rolle spielte. Darüber hinaus hat mich mein tiefgreifendes Interesse und Engagement für Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien dazu bewogen, 2016 zu Vestas zu kommen. Trotz der herausfordernden vergangenen Jahre haben wir bei Vestas unsere Dynamik und Zuversicht bewahrt. Und alle unsere 29.000 Mitarbeitenden, damals wie heute, teilen das gemeinsame Ziel, eine aktive Rolle in der Energiewende zu spielen.“
Foto: Florian Manz
Thomas Bieber.  Als Notfallsanitäter kümmert sich der 47-Jährige an Bord der „Bibby WaveMaster Horizon“ um Unfälle jeder Art – von Schnittwunden am Finger bis zu schweren Verletzungen. Mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung ist er für den Offshore-Einsatz durch eine dreijährige Zusatzausbildung im Bereich Notfallmedizin und im technischen Klettern qualifiziert. 

„Das Schlimmste, was ich auf hoher See erlebt habe? Dazu meine Gegenfrage: Kennen Sie die britische Komikergruppe Monty Python? In deren Film ,Der Sinn des Lebensʻ gab es mal diese Restaurantszene, wo am Ende alle Gäste vor Übelkeit spucken mussten. So ähnlich hab ich das mal an Bord erlebt. Plötzlich kam ein Dutzend Techniker kurz nacheinander zu mir ins Krankenzimmer gestürmt, weil ihnen schlecht war. Alle seekrank. Für mich als Sanitäter war das zwar recht einfach zu behandeln – es gibt gute Medikamente dagegen. Allerdings machen diese auch sehr müde. Arbeiten darf man dann nicht mehr. Aber das war wirklich eine Ausnahme. Normalerweise haben Crew und Techniker robuste Mägen – auch bei Zehn-Meter-Wellen, die hier auf dem Meer öfter vorkommen.

Schwere Unfälle sind heutzutage dank der immer höheren Sicherheitsstandards wirklich selten geworden. Außerdem hat jede und jeder an Bord das Recht, die Arbeit einzustellen, wenn sie oder er sich unsicher fühlt. Die goldene Regel heißt immer: Safety First. Keiner wird bei Sturm mit dem Säbel über die Gangway-Planke getrieben.

Womit ich allerdings öfter zu tun habe, sind seelische Wehwehchen. Irgendwie erzählen mir die Leute gerne von ihren kleinen und großen Sorgen. Manchen überkommt dann doch so eine Art Lagerkoller nach 14 Tagen auf dem Schiff, weit weg von zu Hause. Das Vertrauen ehrt mich natürlich. Mit der Zeit hat man die Gelegenheit, alle Menschen an Bord näher kennenzulernen. Das ist der große Unterschied zur bodengebundenen Notfallrettung, wo man Patient:innen nur kurz betreut. Deswegen braucht man hier neben der beruflichen Qualifikation immer auch eine große Portion Lebenserfahrung, soziale Kompetenz und Einfühlungsvermögen.

Trotz allem bin ich von meinem Arbeitgeber, der Johanniter-Unfall-Hilfe, natürlich für den echten Notfall ausgebildet – viel weitreichender als ein Sanitäter an Land. Ich habe zum Beispiel ein Kletter-Sicherheitstraining absolviert, die sogenannte Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen (SRHT). Damit kann ich mich etwa direkt zum Verletzten auf das Windrad hochseilen und zusammen abseilen. Im Ernstfall muss ich den Patienten auch über längere Zeit selbstständig versorgen können. Denn wir sind mit dem Schiff oft zu weit von der Küste entfernt. Und ein Rettungshelikopter kann auch nicht bei jedem Wetter sofort zu uns fliegen und braucht oft eine Stunde, bis er bei uns ist. Da wäre ich im schlimmsten Fall sogar befugt, unter ärztlicher Anleitung per Videoschalte mit unserem telemedizinischen Zentrum an Land beispielsweise einen Herzinfarkt mit Medikamenten zu behandeln. Durch unsere diagnostischen Geräte kann ich hierfür die Vitalparameter eines Patienten in Echtzeit an die Zentrale und den Hubschrauber übermitteln. Dank der Digitalisierung sind unsere Einsätze viel effektiver geworden – fast genauso erfolgreich wie an Land.“ 
Foto: Florian Manz
David Gouldsmith. Als Kapitän des Versorgungsschiffs „Bibby WaveMaster Horizon“ sorgt der 59-jährige Brite dafür, dass die Techniker an Bord eine komfortable und sichere Unterkunft auf hoher See haben. Gouldsmith transportiert die Arbeiter direkt zu den Windradanlagen und wechselt sich während der Bauphase im 14-Tage-Rhythmus mit anderen Versorgungsschiffen ab.

„Eigentlich wollte ich nie zur See fahren. Ich bin gelernter Elektriker, musste mich aber in jungen Jahren mit kleinen Jobs durchs Leben schlagen. Damals, in den 1980er-Jahren, gab es nicht viel Arbeit in England. Doch dann zog der Chefingenieur eines Frachtschiffs in unser Dorf. Sein Leben klang für meine gefrusteten Landei-Ohren nach Abenteuer. Und auf See wurden ausgebildete Handwerker gebraucht. Also heuerte ich an. Und bin nie mehr wirklich von Bord gegangen.

Seitdem habe ich auf sehr vielen verschiedenen Schiffen gearbeitet. Erst als Elektriker. Dann als einfacher Matrose. Bis zum Kapitän habe ich mich hochgearbeitet – Fähren gesteuert, Halbtauchboote, Tanker, Reparatur- und Versorgungsschiffe von Bohrinseln. Verrückt. Ich bin tatsächlich mal für die Öl- und Gasindustrie über die Ozeane geschippert.

Ausgerechnet das hat mich für meine Arbeit auf der ‚Bibby WaveMaster Horizonʻ qualifiziert. Denn das wohl Anspruchsvollste an meinem Job ist das Andocken an die Windradanlagen. So was habe ich für Bohrinseln auch gemacht. Bei Offshore-Windparks ist das Manöver aber riskanter, weil wir schlechtes Wetter oft nicht ganz abwarten können. Doch Wellenhöhen von drei Metern sind kein Problem. Wir haben einen Kran an Deck, mit dem wir eine Gangway zu den Anlagen ausfahren. Die Techniker gehen dann in 30 Metern über dem Wasser zu ihrem Arbeitsplatz. Unser Schiff sollte dabei seine Position selbst bei starkem Seegang nicht verlieren. Wir dürfen nicht zu nah an die Windradturbinen kommen und auch nicht zu weit wegdriften. Aber die Technik im Schiff gleicht das Schaukeln bis zu einem gewissen Grad aus, außerdem haben wir extrem hohe Sicherheitsstandards. Damals sind Arbeiter öfter auf der Gangway ausgerutscht oder hängen geblieben. Heute passieren kaum Unfälle. Da hat die Branche über die Jahre sehr viel dazugelernt.

Heute bin ich sehr stolz darauf, als Kapitän der ‚Bibbyʻ meinen Teil zum Ausbau von erneuerbaren Energien beizutragen. Es ist schon komisch: Als Elektriker habe ich mir damals nie Gedanken gemacht, ob es gute oder schlechte Stromquellen gibt. Dank meiner Arbeit ist mir das inzwischen nicht mehr egal. Am liebsten würde ich mir ja eine Solaranlage auf mein Dach bauen lassen. Aber ich wohne in einem über 200 Jahre alten Cottage in Südengland. Die Denkmalschutzbehörde war von der Idee nicht gerade begeistert. Na ja, das ist aber eine andere Geschichte.“