Alles im grünen Bereich

Instand setzen statt austauschen: Um einen Beitrag zur Umwelt zu leisten, setzt die Allianz auf nachhaltige Autoreparatur. Ein Werkstattbesuch zeigt, wie das in der Praxis funktioniert. 

Das Geräusch von Schleifpapier auf Metall ist zu hören, aus den Lautsprechern kommt Radiomusik. Ein getragenes Stück, das den traurigen Anblick auf den Stellplätzen untermalt: Ein weißer Golf hat eine Delle in der Tür, ein silberner Lieferwagen lässt die Heckstoßstange hängen. Ein rosa Fiat weist Kratzer auf, als hätte ein Löwe ihn für einen 500 Kilo schweren Braten gehalten. Zwischen den lädierten Autos schieben Kfz-Expert:innen rote Werkzeugwagen hin und her. In der Lackierkabine, die entfernt an einen OP-Saal erinnert, steht Ernst Fritz vor einem abgedeckten Fahrzeug. Der 36-Jährige ist gemeinsam mit seiner Schwester Romy Geschäftsführer der Karosseriebau Fritz GmbH im deutschen Backnang.

Von der Gesellschaft werden Nachhaltigkeit und Mobilität zwar längst zusammengedacht, dabei geht es jedoch meistens um den CO2e-Ausstoß auf der Straße. Ein anderer Aspekt wird weniger beachtet: die Nachhaltigkeit in Werkstätten. Hier gibt es ein riesiges Potenzial um Energie zu sparen, Abfall zu vermeiden, Materialien und Ressourcen zu schonen – sowie die Kosten zu senken. Eine Untersuchung des Allianz Zentrum für Technik (AZT) zeigt: Die Reparatur einer Windschutzscheibe des Volkswagen ID.3 spart im Vergleich zum Ersatz 99 Prozent der CO2e-Emissionen ein und kostet dabei deutlich weniger. Bei der Seitenwand eines Ford Fiesta ist das Reparieren ebenfalls merklich günstiger und der CO2e-Verbrauch um 60 Prozent geringer. 

So war es auch bei Herrn Meier, der im E-Auto eine Mauer vor der Garage streifte. In der Werkstatt begutachtet Herr Fritz nun die Folgen: Die Stoßstange des einst makellos weißen Tesla wurde deformiert und eingerissen, die Felge hat eine tiefe Schramme. „Wir haben dazu geraten, die Stoßstange zu reparieren, statt sie auszutauschen. Das ist etwa 15 Prozent günstiger“, sagt Fritz. Die Felge muss als sicherheitsrelevantes Teil aber getauscht werden. Auch Komponenten wie die Radarsensorik für Fahrassistenten sind in Deutschland nicht zur Reparatur freigegeben.

In Deutschland werden nachhaltige Autoreparaturen immer beliebter. Andere Länder sind hier jedoch einen Schritt voraus. Besonders England gilt als Vorreiter dieses Themas. Hier werden nicht nur die Reparaturen von kaputten Teilen in der Werkstatt gefördert, sondern auch der Einbau umweltfreundlicher Teile. Nicht immer können Autoteile repariert werden. Doch statt dann ein neues Teil einzubauen, gibt es auch die Möglichkeit, ein aufbereitetes Teil einzusetzen. Als Versicherer ist es besonders wichtig, eng mit den Werkstattnetzwerken der einzelnen Länder zusammenzuarbeiten und zum Beispiel bei der Schulung von Personal und der Entwicklung von neuen Verfahren zu unterstützen und die umweltschonenden Reparaturmethoden so voranzubringen. Wenn die Versicherer die Reparaturquoten in Europa um nur zwei Prozentpunkte pro Jahr erhöhen, können nach Berechnungen von Allianz Experten und Expertinnen fast 30.000 Tonnen CO2e-Emissionen vermieden werden. Das entspricht in etwa dem jährlichen Energieverbrauch von rund 5.100 Haushalten in Deutschland.

Foto: Niklas Niessner
Foto: Niklas Niessner

Im Fall von Herrn Meiers Auto wird die Stoßstange zuerst demontiert und „entkleidet“: Kfz-Meister Habip Mahmutoglu entfernt Parksensoren, Kennzeichen und Ziergitter. Anschließend säubert er das Teil, damit weder Schmutz noch Staub das Lackieren erschweren. Während die meisten Werkstätten Lösungsmittel für die Reinigung verwenden, kommt hier Wasserdampf zum Einsatz, der 100 Grad heiß und mit 10 Bar Druck aus speziellen Hochdruckreinigern schießt. „Damit lassen sich Verschmutzungen sehr gut beseitigen. Es ist gesünder für unsere Mitarbeitenden und nachhaltiger für die Umwelt. Früher wurden mehrere Hundert Liter Lösungsmittel angeliefert und verarbeitet. Seit wir Wasser verwenden, reduzieren sich die Transportemissionen“, sagt Ernst Fritz.

Die gereinigte Stoßstange wird jetzt punktuell erhitzt, um Form und Kontur wiederherzustellen. Anschließend schweißt Habip Mahmutoglu alle Risse und Brüche zu. Das Schweißen funktioniert mittels Stickstoff, der dafür notwendige Generator ist unter dem Werkstattdach verbaut. Ein eigenes Blockheizkraftwerk produziert Strom und Wärme, zum Beispiel, um die Trockenkabinen zu versorgen und im Winter die Halle zu heizen. Nach dem Schweißen härtet das Material unter einer UV-Lampe aus. Damit ist die Stoßstange wieder funktionsfähig – wie neu. Im nächsten Schritt wird der alte Lack abgeschliffen. Dann trägt Lackiermeister Claudio Mauceri den Grundlack auf. Auch dabei kommt der Generator unter dem Dach zum Einsatz: Anstatt den Lack mit Luft aufzusprühen, wird er mit Stickstoff appliziert. So wird weniger Lack für dasselbe Ergebnis benötigt. Im Farbmischraum steht eine Maschine, die fast 100.000 Farbkombinationen aus umweltschonenderem Wasserbasislack anmischen kann. Auf den Grundlack kommt dann der Klarlack.

Foto: Niklas Niessner

Wenn ein Teil nicht ausgebaut, sondern am Auto lackiert wird, kommen die einst von Oma Fritz zusammengenähten Stoffe zum Einsatz: Sie schützen Karosserieteile vor Farbnebel. „Die Tücher werden mehrere Monate benutzt und dann gewaschen. Das spart Plastikmüll“, sagt Fritz.

Nach dem Lackieren kommt die Tesla-Stoßstange für eine gute halbe Stunde bei 50 Grad in die Trockenkabine. Nun montiert Habip das reparierte Teil ans Auto, kalibriert die Fahrassistenten und dokumentiert, dass alles ordnungsgemäß funktioniert. Dann kann Herr Meier sein Auto abholen – zu einem günstigeren Preis, als es nach Einbau eines Neuteils der Fall gewesen wäre. Für die Werkstattbetreiber Ernst und Romy Fritz ist das nicht das Entscheidende. Sie interessiert, dass sich die CO2e-Bilanz ihres Betriebs verbessert hat und rund 70 Prozent weniger Kunststoffmüll anfallen. „Nachhaltigkeit ist für mich kein Mittel zum Zweck, um Geld zu sparen. Wir müssen mit den Ressourcen auf der Erde verantwortungsbewusst umgehen“, sagt Ernst Fritz.