Scheitern der Währungsunion würde Deutschland eine Million Arbeitsplätze kosten

Die Ökonomen der Allianz gehen in ihrem Basisszenario davon aus, dass es in den nächsten Monaten gelingt, die Staatsschuldenkrise unter Kontrolle zu halten. Auch wenn die Märkte weiter nervös bleiben, kommt es weder zu einer offenen Bankenkrise noch zu einer gravierenden Ansteckung von Italien oder Spanien. Trotz wiederholter Zwischenrufe, die einen weitergehenden Schuldenschnitt für Griechenland fordern, hält die Troika Kurs und konzentriert sich stattdessen auf die Durchsetzung der versprochenen Reformen; der Pakt zur Beteiligung der privaten Gläubiger wird nicht wieder aufgeschnürt. Vor diesem Hintergrund einer Stabilisierung der Märkte kann die Politik ihren Masterplan der sukzessiven Vertiefung des Euro-Raums weiter verfolgen.

Auch wenn dieses Szenario einer evolutionären Weiterentwicklung der Währungsunion eine hohe Wahrscheinlichkeit hat, können andere, krisenhafte Entwicklungen nicht ausgeschlossen werden. Dies gilt umso mehr für den Fall, dass der leichte konjunkturelle Rückenwind in einen scharfen Gegenwind umschlagen sollte. Käme es zu einer starken Zuspitzung der Krise – die für das Scheitern des bisher verfolgten Ansatzes der Krisenbekämpfung durch eine bedingte Kreditgewährung stände – würde auf allen Seiten die Bereitschaft zu radikalen Lösungen fördern. In dieser Lage verbliebe nur noch die Auflösung der Währungsunion oder die Einführung von Eurobonds, d.h. die sofortige Vergemeinschaftung der Schulden, um den betroffenen Ländern wieder Zugang zum Kapitalmarkt zu verschaffen. Während Eurobonds die Währungsunion kurzfristig stabilisieren, können sie längerfristig auch zu Konflikten und schwindender Akzeptanz des Euro führen. Denn wenn einer schnellen, vielleicht überhasteten Einführung einer europäischen Haftungsgemeinschaft keine entsprechenden Kontroll- und Durchgriffsrechte und keine verbindlichen Regeln in der Finanzpolitik gegenüberstehen, dürfte die Ablehnungsfront wachsen. Die politische Auseinandersetzung würde an Heftigkeit zunehmen. Langfristig wäre damit ein Auseinanderbrechen der Währungsunion auch mit Eurobonds keineswegs ausgeschlossen. Das Extremszenario eines Scheiterns der Währungsunion hätte für Deutschland gravierende Auswirkungen. "Nach unseren Berechnungen würde ein Scheitern der Währungsunion Deutschland 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und mindestens eine Million Arbeitsplätze kosten", sagte Heise.

Aufschwung in Deutschland legt Verschnaufpause ein

Die Konjunkturrisiken haben infolge der Schuldenkrise zwar erheblich zugenommen, die jüngste Entwicklung ist jedoch nicht als den Beginn einer Rezession, sondern allenfalls als eine vorübergehende Wachstumspause zu sehen. Wahrscheinlicher ist sogar, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Halbjahr 2011 weiterhin leicht wächst. "Hierfür spricht vor allem die weiterhin günstige Entwicklung am Arbeitsmarkt. Nach wie vor entstehen Monat für Monat mehrere Zehntausend zusätzliche Arbeitsplätze in der deutschen Wirtschaft. Dies schafft Einkommen und erhöht angesichts tendenziell rückläufiger Inflationsraten auch die Kaufkraft. Eine Konsumschwäche ist von daher wenig wahrscheinlich", sagte Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz. Auch für die anderen Bereiche der Binnennachfrage sehen die Perspektiven überwiegend günstig aus. Die außergewöhnlich niedrigen Kreditzinsen fördern die Bautätigkeit erheblich. Angesichts der hohen Auslastung der Kapazitäten ist eine weiterhin kräftige Investitionsnachfrage zu erwarten, sofern es allerdings nicht zu einer grundlegenden Verunsicherung hinsichtlich der wirtschaftlichen Zukunft kommt. Im Jahresdurchschnitt 2012 dürfte die deutsche Wirtschaft um 1,5 Prozent wachsen.

Weltkonjunktur verliert an Schwung

Die Weltkonjunktur hat in der ersten Jahreshälfte 2011 an Schwung verloren. Durch die beginnende Rückführung der teils sehr hohen Budgetdefizite in den Industrieländern und der graduellen Normalisierung der Geldpolitik insbesondere in den Schwellenländern konnte das hohe Expansionstempo des Jahres 2010 nicht gehalten werden. Hinzu kamen in den ersten Monaten dieses Jahres jedoch zusätzlich dämpfende Effekte. Der Kaufkraftverlust infolge des ausgeprägten Rohstoffpreisanstiegs verhinderte in den Industrieländern, dass sich der Übergang auf ein stärker von der privaten Nachfrage getragenes Wachstum vollziehen konnte. Darüber hinaus hatten die Produktionsunterbrechungen in Japan infolge der Naturkatastrophe und des Reaktorunfalls im März vor allem über die Beeinträchtigung internationaler Wertschöpfungsketten globale Rückwirkungen. Von diesem ungünstigeren Gesamtumfeld war die Industrie besonders betroffen. Die Expansion der globalen Industrieproduktion kam im zweiten Quartal zum Erliegen. Die regional breit angelegte Schwäche übertrug sich auf den internationalen Warenaustausch, der im Vergleich zum ersten Quartal sogar leicht nachgab.

Weiterhin robuster deutscher Arbeitsmarkt

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass infolge der Konjunkturabkühlung der Abbau der Arbeitslosigkeit in Deutschland in den nächsten Monaten zumindest vorübergehend zu einem Stillstand kommt. Dennoch dürfte die Beschäftigung weiterhin leicht zunehmen. In den Wintermonaten 2011/2012 wird die Zahl der Arbeitslosen voraussichtlich auf 3,1 bis 3,2 Millionen ansteigen, aber bereits in den Frühjahrsmonaten 2012 die Grenze von 3 Millionen wieder unterschreiten. "Sofern es nicht zu einem stärkeren Konjunkturrückschlag als von uns erwartet kommt, dürfte sich der Arbeitsmarkt als robust erweisen. Für den Jahresdurchschnitt 2012 rechnen wir mit einer Zahl der Arbeitslosen von rund 2,85 Millionen nach 2,98 Millionen in diesem Jahr. Dem Rückgang der Arbeitslosigkeit um rund 130 Tausend im Jahr 2012 steht ein durchschnittlicher Beschäftigungszuwachs von rund 250 Tausend gegenüber", sagte Heise.

Michael Heise: "Nach unseren Berechnungen würde ein Scheitern der Währungsunion Deutschland 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und mindestens eine Million Arbeitsplätze kosten"

 
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