Helga Jung

Wie würden Sie einem Kind Ihren Job erklären?

Helga Jung: Ich beschäftige mich mit Fusionen und Übernahmen. Ich kaufe und verkaufe Unternehmen die zum Kerngeschäft der Allianz gehören – Versicherung, Asset Management, und noch immer ein bisschen Bankwesen.

Um den Aspekt des Kaufens zu veranschaulichen, würde ich einem Fünfjährigen sagen: Stell dir vor, dein Freund Jim bietet dir für 25 Euro seine gebrauchten Fußballschuhe an. Was würdest du dich fragen, bevor du dich entscheidest sie zu kaufen?

Grundsätzlich machen wir bei der Allianz das Gleiche; wenn wir uns entscheiden in ein Unternehmen zu investieren, fragen wir uns: Können wir uns das leisten oder können wir das finanzieren? Welche Auswirkung hat das auf unsere Kapitalbasis?

Während der letzten zwei Jahre haben wir eher verkauft, beispielsweise die Dresdner Bank und kürzlich zwei Schweizer Versicherungsunternehmen an Helvetia.

Müssen die Schuhe nicht auch passen?

Jung: Wenn wir ein Projekt voranbringen, fragen wir uns als nächstes: Passt es? Passt das Unternehmen zu unserem Portfolio – sowohl aus regionaler Sicht als auch vom Geschäftsfeld her? Hat es die richtige Größe? Haben wir kartellrechtliche Probleme oder andere Herausforderungen zu erwarten, insbesondere in Bezug auf die Integration?

Die nächste Frage ist: Stimmt der Preis? Das bedeutet, dass wir die "Schuhe" gründlich prüfen um zu sehen, ob sie noch in gutem Zustand sind oder nicht. Wie sind die Spikes etc.? Wir analysieren die Unternehmen systematisch  und versuchen die Risiken und Chancen abzuwägen. Für uns und das Kind stellt sich die Frage: Zahlen wir den richtigen Preis für das, was wir bekommen? Das ist in etwa mein Job bei der Allianz.

Was gefällt Ihnen an Ihrem Job am meisten?

Jung: Wie Sie sich vorstellen können, arbeite ich hauptsächlich projektbezogen. Das bedeutet, dass es keine tägliche Routine gibt. Das ist das Großartige an meinem Job. Ich treffe immer unterschiedliche Leute, habe immer wieder mit anderen Zuständigkeiten, Ländern und Beratern zu tun. Es gibt also immer etwas Neues, in Bezug auf Wissen, spezifische Unternehmen und Produkte. Das mag ich an dem Job wirklich und deshalb langweilt er mich nicht, obwohl ich ihn schon seit zehn Jahren mache.

Was raten Sie Frauen, die ins Top-Management streben?

Jung: Zunächst gibt es nach meiner persönlichen Erfahrung keinen Unterschied zwischen dem Rat, den ich einer Frau oder einem Man geben würde. Während meiner 17 Jahre bei der Allianz habe ich mich als Frau weder bevorteilt noch benachteiligt gefühlt. Mein Rat an junge Kollegen ist ganz einfach: Machen Sie Ihre Arbeit so gut wie möglich und sammeln Sie so viel Erfahrung, wie Sie können.

Zudem denke ich, dass es wichtig ist, bei einer sachlichen Meinung zu bleiben. Man sollte sich nicht danach richten, was der Chef denken oder als Ergebnis erwarten könnte. Vertrauen Sie Ihrer eigenen Meinung. Das waren die Prinzipien meines Berufslebens. Diese Herangehensweise hat bei mir funktioniert, und ich denke, wenn eine Organisation gut arbeitet – und ich weiß, die Allianz tut das – zahlt es sich aus.

Helga Jung
Helga Jung

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen