Interessanterweise sind die Zentralbanken selbst weniger zuversichtlich als die Märkte und auch das ist nicht weiter verwunderlich. Sie machen ungern alleine Politik, vor allem, weil das Wirtschaftswachstum wiederholt hinter ihren Erwartungen und Prognosen zurückgeblieben ist. Schließlich können die Zentralbanken zwar die Geldpolitik festlegen, haben aber nicht die Möglichkeit, Wachstumstreiber wie Infrastrukturinvestitionen oder Arbeitsmarktreformen, die lange vernachlässigt wurden, anzupacken. Genauso wenig können sie unausgewogenes Nachfrageverhalten, bei dem der Wille und die Fähigkeit zu investieren aus dem Gleichgewicht geraten sind, korrigieren und gegen die punktuell exzessive Verschuldung vorgehen, die das Wirtschaftswachstum und die Bereitschaft zu neuen Investitionen dämpft.
Doch damit sind die Sorgen der Zentralbanken noch lange nicht zu Ende. Wenn überhaupt, so sind die völlig unerwartete Zinssenkung, die kürzlich von der chinesischen Zentralbank verkündet wurde, sowie eine Aussage des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, der eine weitere geldpolitische Lockerung für notwendig erachtet, Zeichen von Schwäche und nicht von Stärke. Das spiegelt sich auch in den Wachstumsprognosen wider, die rund um den Globus nach unten korrigiert werden. Außerdem gibt es in der Eurozone Anzeichen dafür, dass die Preisinflation kurz vor der Tür steht.
Die Sorgen, die sich die Zentralbanken über das Wirtschaftswachstum machen, werden sich kurzfristig nicht sonderlich auf die Märkte auswirken. Schließlich sind Investoren mittlerweile darauf trainiert, darauf zu spekulieren, dass ein geldpolitischer Stimulus die Preise von finanziellen Vermögenswerten in die Höhe treibt. Und obwohl sich Investoren der Tatsache bewusst sind, dass die Zentralbanken beim Wachstum bisher keinen Durchbruch erzielen konnten, ändert dies kurzfristig nicht viel, sofern die Zentralbanken bei jedem Anzeichen von Schwäche bereit sind, Zinsen zu senken oder andere Stimuli einzusetzen.
Über die aktuelle Hochstimmung an den Märkten hinaus sollten Investoren drei Punkte nicht vergessen, wenn sie weitere Unterstützung durch die Zentralbanken erwarten.
-- Mit jeder neuen Einflussnahme durch die Zentralbanken erhöhen die Märkte ihre Spekulation auf zwei unerprobte Phänomene: zum einen mustergültiges Wachstum oder die Idee, dass es den Zentralbanken gelingen könnte, neue Wachstumsmotoren zu bauen, selbst wenn ihnen dafür die Werkzeuge fehlen; zum anderen die Effektivität unerprobter Maßnahmen, die die möglichen Kollateralschäden durch überhöhte Risikobereitschaft beschränken sollen.
-- Nicht alle Zentralbanken verstärken ihre geldpolitischen Unterstützungsmaßnahmen. Insbesondere die US-Notenbank, die den Fuß allmählich (wenn auch sehr vorsichtig) vom Gaspedal nimmt, wird voraussichtlich in ihrem Kurs weiterhin von dem der EZB und anderen abweichen. Und 2015 wird genau diese Abweichung Anpassungen erfordern , die über die Stärkung des Dollars hinausgehen - und zu Volatilität führen könnten.
-- Die erhebliche Risikobereitschaft an den Finanzmärkten geht noch nicht mit der Bereitschaft von Unternehmen einher, mehr Risiken zu übernehmen. Selbst Unternehmen mit überaus gesunden Bilanzen ziehen es vor, ihr Geld für Dividenden, Aktien-Rückkäufe und defensive Übernahmen einzusetzen. Wenn sich das nicht ändert und das Vertriebs- und Umsatzwachstum nicht beschleunigt, wird es den Märkten schwerfallen, die übertriebenen Preise finanzieller Vermögensanlagen zu validieren.
Die Märkte tun recht daran, die zusätzliche Unterstützung von den Zentralbanken zu begrüßen. Aber dabei sollten die Investoren die langfristigen Probleme nicht vergessen. Gerade bei der Übernahme weiterer Risiken sollten sie auf ihre Liquidität achten, um auch in Zukunft flexibel agieren zu können.
Von Mohamed A.El-Erian, im Original erschienen auf Bloomberg view am 21.11.2014. Abdruck mit Einverständnis. Die Meinungen im Artikel entsprechen denen des Autors.