Was Europas Stresstests erreichen können und was nicht

Ähnlich den Bestrebungen in den USA vor fünf Jahren, sind rigorose Stresstests der Banken auch in Europa unerlässlich: Sie tragen erheblich dazu bei, das Fundament für die gesamte Wirtschaft der Region und somit für eine dauerhafte Erholung der Konjunktur zu schaffen. Das ist zumindest die gute Nachricht, was die kürzlich von der Europäischen Zentralbank veröffentlichten Daten betrifft.

 

Aber damit diese Bewertung ihre volle Wirkung entfalten kann, muss Europa mehr tun. Und dazu gehört auch, die Arbeit an den vier Standbeinen der erfolgreichen wirtschaftlichen Integration zu Ende zu bringen.

 

Die Stresstests (früher AQR, d.h. Asset Quality Review) sind wichtig, weil Banken in Europa bei der Kanalisierung von Geldern in Richtung produktiver Aktivitäten eine unverhältnismäßig große Rolle spielen. Trotz deutlicher Kapitalerhöhungen in den letzten Jahren bestehen weiterhin Zweifel, was die Solidität ihrer Bilanzen und ihres Betriebs angeht, aber auch hinsichtlich ihrer Rolle als effektive Vermittler.

 

Die Tests sind auch unerlässlich für den Übergang der Region in ein einziges, einheitliches System, in dem die EZB, Europas vertrauenswürdigste Institution, weit größere aufsichtsrechtliche und regulatorische Verantwortung übernimmt.

 

Als umfassende Momentaufnahme des Bankensystems Ende Dezember 2013 hilft die AQR dabei, Informationsasymmetrien – d.h. den Informationsvorsprung, den bestimmte Parteien gegenüber anderen Parteien haben – und die Unsicherheiten, die aus dem Mangel an vertrauenswürdigen und vergleichbaren Daten herrühren, zu überwinden. Denn genau diese Asymmetrien und Unsicherheiten verhindern höhere Investitionen, Wachstum und finanzielle Stabilität.

 

Durch die Veröffentlichung von ausreichend Informationen würde es die EZB Analysten ermöglichen, die Stresstests aus der Perspektive ihrer eigenen Annahmen über regionale Konjunkturaussichten, Ausfallraten, die Reaktion der Banken etc. zu betrachten.

 

Wie steht es nun um die unmittelbaren Auswirkungen? Zumindest sollten die Stresstests schwächelnde Banken dazu bringen, sich Kapital zu besorgen, Vermögenswerte zu veräußern und - in bestimmten Fällen – zu solideren Einheiten zu fusionieren. Aber das ist noch nicht alles.

 

Die AQR ermöglicht eine stärkere Differenzierung zwischen guten und schlechten Investments. Somit werden besser geführte Banken belohnt werden und andere haben einen deutlicheren Anreiz, ihre Häuser in Ordnung zu bringen. Generell trägt die AQR auch dazu bei, Unsicherheiten zu beseitigen und den Kapitalfluss in den Bankensektor zu verbessern.

 

All diese Effekte können zu nachhaltigerem Wachstum führen und die Gefahr der finanziellen Instabilität verringern – schließlich geschah genau dies auch nach den Stresstests in den USA und führte dazu, dass sich die amerikanische Wirtschaft in den letzten Jahren weit besser entwickelte als die europäische. Aber wie in den USA, so können die Stresstests ihren vollen kurzfristigen Nutzen erst dann entfalten, wenn sich wachstumsfördernde Strukturreformen und Infrastrukturinvestitionen nicht weiter verzögern und die Fiskalpolitik ihre allzu restriktive Haltung aufgibt, welche ihre Reaktionsfähigkeit und Flexibilität bisher einschränkt.

 

Auf lange Sicht - und gerade weil sich mehrere Länder Europas zu einer Währungsunion zusammengeschlossen haben – lässt sich das Potenzial der AQR nur dann vollends ausschöpfen, wenn auch in den Bereichen, in denen die erfolgreiche, regionale Wirtschaftsintegration noch im Rückstand ist, Fortschritte erzielt werden.

 

Durch die Maßnahmen der EZB kommt Europa der Bankenunion, die für eine erfolgreiche Eurozone unerlässlich ist, einen Schritt näher. Jetzt sind die Politiker gefordert. Sie müssen sich den zwei verbleibenden Beinen des vierbeinigen europäischen Tisches zuwenden: der stärkeren finanzwirtschaftlichen und politischen Integration.

 

 

Von Mohamed A.El-Erian, im Original erschienen auf Bloomberg view am 27.10.2014. Abdruck mit Einverständnis. Die Meinungen im Artikel entsprechen denen des Autors.

Mohamed El-Erian, Chief Economic Adviser der Allianz
Mohamed El-Erian, Chief Economic Adviser der Allianz

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Petra Brandes
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