Was Hongkong für die Weltwirtschaft bedeutet

Werden die Spannungen in Hongkong das Fass zum Überlaufen bringen? Diese Frage beschäftigt viele Investoren, wenn sie die Reaktion der chinesischen Regierung auf eine der größten soziopolitischen Herausforderungen des Landes in den letzten Jahren betrachten. Die Antwort ist alles andere als einfach.

 

Bereits jetzt sind es unsichere Zeiten für die Weltwirtschaft. Das Wachstum in Europa und Japan schwindet. Obwohl die US-Wirtschaft sich etwas besser entwickelt, muss sie noch an Fahrt gewinnen. Die Entwicklungsländer verzeichnen einen wirtschaftlichen Abschwung, und es ist unwahrscheinlich, dass sie irgendwann in naher Zukunft zu mehr Wachstum zurückkehren werden. Indes haben sich die Bereiche mit exzessiver Risikokumulierung an den Finanzmärkten multipliziert, was die Ängste vor zukünftige Volatilität noch beflügelt. Und die Zentralbanken in den Industrieländern haben sich bereits weit in experimentelles Gebiet vorgewagt, wobei die Wirksamkeit ihrer Strategien alles andere als sichergestellt ist. Die Welt kann sich keine politisch bedingte Konjunkturabschwächung in China leisten.

 

Einige berufen sich schnell auf die Geschichte, um länger andauernde wirtschaftliche Auswirkungen der Proteste in Hongkong - sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene - zurückzuweisen. Sie betonen ganz zu Recht die wiederholt bewiesene Fähigkeit der chinesischen Regierung, interne Proteste niederzuschlagen, ohne dabei den Wachstumskurs des Landes zu ändern. Ihrer Ansicht nach ist es nur eine Frage der Zeit, wann der aktuelle zivile Ungehorsam in Zentral-Hongkong verschwindet.

 

Allerdings lässt diese Sichtweise zwei neuere Erkenntnisse außer Acht. Erstens macht die Kombination von Internet, Sozialen Medien und besserer Mobilität eine Koordination und eine Unterstützung der Proteste einfacher und stärkt gleichzeitig auch das Vertrauen der Einzelnen, dass ihre Erwartungen erfüllt werden. Die Resultate der sich daraus ergebenden kollektiven Aktionen sind viel schwieriger vorherzusagen. Zweitens hat sich China der heiklen Aufgabe verschrieben, sein Wachstumsmodel zu aufzupolieren. Dazu gehört auch, die Abhängigkeit von externer Nachfrage und übermäßigen staatlichen und kreditbasierten Investitionen zu reduzieren und stärker die inländischen Wachstums-, Investitions-, Konsum- und Wohlstandstreiber zu beleben.

 

Das soll nicht bedeuten, dass die Stabilität der Regierung heute durch die Protestbewegung gefährdet ist und ein wirtschaftlicher Abschwung in China die ganze Weltwirtschaft ins Wanken bringt. Denn die chinesische Regierung wird vermutlich die Oberhand über die "Occupy Central"-Bewegung in Hongkong gewinnen. Damit verbunden wird der Staat wohl dazu tendieren, bestimmte Wirtschaftsreformen erst einmal zu verlangsamen und stattdessen dem alten und zunehmend ausgereizten Modell mehr Wachstum abzuringen, vergleichbar mit der Reaktion der brasilianischen Regierung auf die Proteste im Vorfeld der Fussball-Weltmeisterschaft vor einigen Monaten. Als Teil einer umfassenderen politischen Strategie zur Entschärfung von Spannungen und Vermeidung eines unmittelbaren Wachstumseinbruchs Chinas und der Weltwirtschaft würde dies die langfristige wirtschaftliche Dynamik beider untergraben.

 

 

Von Mohamed A.El-Erian, im Original erschienen auf Bloomberg view am 29.09.2014. Abdruck mit Einverständnis. Die Meinungen im Artikel entsprechen denen des Autors.

Mohamed El-Erian, Chief Economic Adviser der Allianz
Mohamed El-Erian, Chief Economic Adviser der Allianz

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Petra Brandes
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