"Täglich Erschütterungen"

Sybille Steimen: Es ist zu früh, um abzusehen, wie sich dieses Ereignis auswirken wird. Mit einer Stärke von 8.6 ist es definitiv ein sehr starkes Beben. Aber es ist dennoch deutlich geringer als das Beben von 2004 mit einer Stärke von 9.1.

Auch verläuft der Bruchmechanismus dieses Mal anders, was die Entwicklung von Tsunamis bestimmt und beeinflusst. Schließlich wurde die Tsunamiwarnung nach ein paar Stunden aufgehoben.

Wir reden über weniger als ein Jahrzehnt seit der Katastrophe in Südostasien. Ist diese Region besonders gefährdet?

Steimen: Die seismische Aktivität in dieser Region ist eine der höchsten auf der Welt, es gibt hier täglich Erschütterungen. Kleinere Beben verursachen gewöhnlich kaum Schäden. Ereignisse wie das gegenwärtige hingegen passieren nicht so häufig, aber es ist auch nicht völlig überraschend, dass ein größeres Beben genau diese Gegend bereits nach wenigen Jahren wieder getroffen hat.

Welche Faktoren sind entscheidend für die Heftigkeit der Auswirkungen, abgesehen von der Stärke des Bebens?

Steimen: Je tiefer unter der Erde ein Erdbeben geschieht, desto weniger spürt man es an der Oberfläche, da die seismischen Wellen gedämpft werden, wenn sie sich durch die Erde fortbewegen. Weiterhin macht es einen Unterschied für die betroffenen Menschen, ob das Beben in unmittelbarer Nähe bewohnter Gegenden passiert oder weit draußen im Meer.

Dieses Mal ereignete sich das Beben ca. 400km vor der Küste und in einer Tiefe von 23km. Wenn sich ein Erdbeben unter der Wasseroberfläche ereignet, ist die Richtung, in der sich die Erde bewegt, von kritischer Bedeutung. Gestern war die Relativbewegung der tektonischen Platten hauptsächlich horizontal. Damals, in 2004, war die Relativbewegung hauptsächlich vertikal, also senkrecht. Es ist zwar nicht unmöglich, dass ein Erdbebenmechanismus wie der von gestern einen Tsunami auslöst, aber die Wahrscheinlichkeit eines großen Tsunamis durch eine vertikale Bewegung ist ungleich viel größer.

Sibylle Steimen, Seismologin und Leiterin der Abteilung Risk Management der Allianz Re

Das Erdbeben ereignete sich for der Küste Sumatras und löste eine Tsunami-Warnung für den gesamten Raum des Indischen Ozeans aus

Steimen: Sie helfen in der Tat – in Regionen wo Tsunamiwarnungen eingerichtet sind, werden diese innerhalb weniger Minuten nach einem größeren Beben im Meer ausgerufen und sie können Leben retten. Ob Tausende, Hunderte oder nur einige Menschen dadurch dem Unglück entkommen hängt davon ab, wie weit von der Küste entfernt die Erschütterungen tatsächlich stattgefunden haben und wie gut die Menschen darüber informiert sind, wie sich im Falle einer Warnung verhalten sollen. Wenn ein Tsunami in nächster Nähe ausgelöst wird, wie letztes Jahr in Japan, bleibt nur wenig Zeit für die Menschen, um sich vor der Welle in Sicherheit zu bringen.

Dieses Mal wurden in vielen der betroffenen Länder, z.B. Thailand, die Menschen in den Küstenregionen dringend aufgefordert, sich so schnell wie möglich an höher gelegene Orte zu begeben. Zum Glück blieb der eigentliche Tsunami dieses Mal aus. Ein anderes Mal kann diese Maßnahme vielen Menschen das Leben retten, nicht nur aber auch weil die Ereignisse von 2004 immer noch im Gedächtnis der Menschen in den potentiell betroffenen Regionen bleiben.

Wie sehr sind Versicherungen und Rückversicherungen von diesem Erdbeben betroffen - bis jetzt das schwerste Naturkatastrophenereignis in 2012?

Steimen: Über eine solche Distanz wurden die seismischen Wellen ziemlich gedämpft, also werden die Beben in der Region höchstens – wenn überhaupt - sehr leichte Schäden angerichtet haben. Erste Berichte aus der Region bestätigen das. Wäre es zu einem Tsunami gekommen, wäre die Situation ganz anders, wie wir bedauerlicherweise 2004 und neulich in Japan erlebt haben.

Die Versicherungsdichte in Indonesien ist eher unterentwickelt – kein Vergleich mit Japan, Europa oder den USA. Der versicherte Schaden wird dort daher sicher unter den eigentlichen Verlusten liegen.

 
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Christiane Merkel

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