Asiens Städte in Gefahr

Während die Wissenschaftler überall auf der Welt über den Klimawandel und seine Auswirkungen auf wetterbedingte Katastrophen debattieren, mühen sich die Versicherer, die Risiken zu bewerten, die dieser Klimawandel mit sich bringt. Erhöht werden die Risiken durch die zunehmende Urbanisierung, vor allem in Asien.

Die Kosten, die solche Katastrophen in Asiens Metropolen erzeugen, werden in Zukunft wahrscheinlich steigen. Wenn nicht bald proaktiv etwas dagegen unternommen wird, werden das mögliche Ausmaß der Schäden in Asiens Ballungszentren und die damit verbundenen Konsequenzen für die dortige Bevölkerung beträchtlich sein. Und während die Versicherungsdichte dank des größeren Wohlstands weiter zunimmt, müssen wir die Informationsstandards und die Instrumente zur Risikobewertung weiterentwickeln.

Scott Ryrie, CEO von Allianz SE Reinsurance Asien-Pazifik

Die Urbanisierung in Asien schreitet erheblich schneller voran als dies in der Vergangenheit in Europa und in Amerika der Fall war. Laut Daten von den Vereinten Nationen wohnten 1950 rund 230 Millionen Menschen in Asiens Städten; Schätzungen zufolge soll diese Zahl bis 2050 auf fast 3,5 Milliarden ansteigen. Der Ausbau der Infrastruktur kann jedoch mit den wachsenden Bedürfnissen der Bevölkerung nicht Schritt halten. Mit dem steigenden Platzbedarf zieht die expandierende Bevölkerung außerdem zunehmend in Gebiete mit sich verstärkenden Wetterschwankungen. Diese Schieflage macht die Städte gegenüber Naturkatastrophen extrem verletzbar.

Das Problem wird dadurch verschärft, dass eine Risikobewertung schwierig ist, weil Statistiken und Informationen zu der von Naturkatastrophen ausgehende Bedrohung, zur Lage und Bauart von Gebäuden und Industriekomplexen sowie zu Krisenmanagement und vorbeugenden Maßnahmen fehlen.

Städte wie Peking, Delhi, Jakarta, Manila, Mumbai (Bombay), Shanghai und Taipeh liegen alle in Erdbebengebieten. Sie sind außerdem von Überflutungen und/oder Taifunen bedroht. Auf den Philippinen werden beispielsweise 62 der 79 Provinzen regelmäßig von Zyklonen heimgesucht – mit verheerenden Folgen. Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten ist Asien 590 mal stärker durch Erbeben, 62 mal häufiger durch Überflutungen und 40 mal mehr durch tropische Wirbelstürme gefährdet. Folglich wird Asien vermutlich erheblich größere Schäden durch Naturkatastrophen erleiden.

Die Auswahl von Baumaterialien, Vorschriften für erdbebensichere Häuser und ihre Durchsetzung (oder ihr Fehlen), veraltete oder mangelhafte Abwassersysteme – all das sind nur einige der Faktoren, welche die Folgen von Naturereignissen für Ballungsgebiete beeinflussen können. Manchmal spielt auch reines Pech eine Rolle: Als der Taifun Nari im Jahre 2001 mit relativ niedriger Windgeschwindigkeit auf Taipeh traf, verursachte er Schäden in Höhe von 500 Millionen US-Dollar: Die schweren Regenfälle setzten das U-Bahn-Netzwerk unter Wasser, nachdem das Pumpsystem versagt hatte, und die Hauptverkehrsadern kamen für Wochen zum Erliegen.

Der Klimawandel könnte die Situation in Asien noch weiter verschärfen. Manche Wissenschaftler glauben, dass die steigenden Meeresspiegel Millionen von Menschen zu Umweltflüchtlingen machen könnten. Das wiederum würde den Migrationsdruck auf die Städte und damit ihre Gefährdung durch Naturkatastrophen erhöhen.

Die Frage lautet dann: Worauf soll die Versicherungsindustrie angesichts des Mangels an Informationen ihre Risikomodelle stützen? 

Die indische Regierung hat beispielsweise zugegeben, dass sie nicht imstande ist, die ordnungsgemäße Bauweise jedes einzelnen Gebäudes zu überwachen. Daher besteht nicht nur bei alten Gebäuden, die vor der Einführung strengerer Vorschriften errichtet wurden, sondern auch bei einer unbekannten Anzahl von Neubauten ein Datenmangel.

In Asien sind Modelle zur Bewertung von Katastrophenrisiken daher bestimmten Beschränkungen unterworfen.

Derzeit ist die Versicherungsindustrie in Asien nur minimal von Naturkatastrophen betroffen. Das könnte sich bald ändern, da die Konzentration von versicherten Vermögensgegenständen rasch zunehmen wird. Um unschöne Überraschungen zu vermeiden, benötigen die Versicherer einen detaillierten Überblick über die Lage in jeder einzelnen Stadt. Ohne aussagekräftige Informationen über die versicherten Gegenstände und die sie umgebende Infrastruktur sowie ohne Schadensminderungsmechanismus besteht für die Versicherer die große Gefahr, dass sie ihre Schätzungen über mögliche künftige Schäden zu niedrig ansetzen.

Um Risikoszenarien und Risikoanfälligkeiten abschätzen zu können, sollte ein engmaschiges Datennetzwerk, in dem alle Informationen gesammelt sind, als Grundlage für die Bestimmung von Risikoparametern dienen. Solch eine Datenbank wäre nicht nur für die Versicherungsindustrie von unschätzbarem Wert; sie wäre auch für Asiens Stadtplaner von außerordentlichem Nutzen, weil sie ihnen dabei helfen würde, die Schwachpunkte städtischer Systeme zu erkennen.

Der Klimawandel ist nicht der Hauptschuldige, aber das Ignorieren der globalen Erwärmung birgt die Gefahr einer steigenden Exponierung, was dann zu einem sprunghaften Anstieg der Versicherungsschäden führen wird.

 
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen hier zur Verfügung gestellt wird.
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