„Non-Consensual Society“

Die erste Ausgabe der „Reden über Europa“ in London führte am 14. März 2013 in das Royal College of Art (RCA) in Kensington. Dort diskutierten die bekannten Sozialwissenschaftler Chantal Mouffe, Richard Sennett und Paul Gilroy über die „Non-Consensual Society“. Moderiert wurde die Debatte vom Kurator des RCA, Kit Hammonds.

 

Die Krise der EU macht Risse, aber auch neue Kooperationen innerhalb und zwischen den Nationalstaaten sichtbar. Vor diesem Hintergrund diskutierten die Teilnehmer die Frage, ob kommende Gemeinschaften ausschließlich auf Basis von gemeinsamen Werten und gesellschaftlichem Konsens bestehen können. Wie kann die gemeinsame Erfahrung kultureller Vielfalt und Andersartigkeit für Gesellschaften identitätsbildend werden?

 

Die belgische Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe, konstatiert einen post-politischen Konsens unter den gewählten politischen Repräsentanten, der sich in einer Politik der scheinbaren Alternativlosigkeit erschöpft und das neo-liberale Wirtschaftmodell als gesetzt ansieht. Dies habe zu zahlreichen neuen Protestbewegungen geführt, die diesen (faulen) politischen Kompromiss ablehnen - wie beispielsweise den Indignados oder den Occupy-Aktivisten. Wenn sich an den demokratischen Strukturen nichts ändere, sieht Mouffe eine schleichende Entpolitisierung der Gesellschaft: Aus mündigen Bürgern würden manipulierte Konsumenten.

„Non-Consensual Society“
Reden über Europa

Richard Sennett, der amerikanisch-britische Soziologe reflektiert die europäischen Traditionen der Kooperation und der Konfliktlösung, die von der Dialektik geprägt sind und auf Synthese und Solidarität zielen. Sennett fragt nach neuen Kooperationsformen zwischen Menschen und Gruppen, die keine oder nur wenige Gemeinsamkeiten haben. Seine Schlüsselbegriffe sind dabei 'Zuhören, Verstehen und Empathie', die den Verständigungsprozess in sog. „dialogischen Räumen“ charakterisieren. Hier sieht er die europäischen Städte als potentielle Vorreiter, wo Menschen unterschiedlicher Herkunft und Klasse aufeinander treffen und Wege finden müssen trotz Differenzen zusammenzuleben.

Der britische Kulturwissenschaftler Paul Gilroy ergänzt die Debatte mit einem Blick auf den noch immer vernachlässigten Umgang Europas mit seiner Kolonialgeschichte. Das Streben des Imperialismus nach Hegemonie und ungezügeltem Wachstum präge bis heute das europäische Verständnis. Dabei habe der Zusammenbruch des Kolonialismus die Grenzen dieser auf Ausbeutung und Unterdrückung zielenden Einstellung, die auch innerhalb Europas präsent ist, aufgezeigt. Die imperialistische Idee führe zu einer Desintegration der Gesellschaft(en). Nach Gilroy ist es also Zeit, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen und das Konsumverhalten zu ändern:'Nachhaltigkeit statt Wachstum' (Gilroy).

Die verschiedenen Thesen und Standpunkte animierten zu einer lebhaften Diskussion zwischen den Panellisten und mit dem Publikum.

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Michael M. Thoss
Allianz Kulturstiftung
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