Fragen und Antworten: Allianz 1933-45 und heute

Häufig gestellte Fragen zur Geschichte der Allianz und den Bemühungen des Unternehmens, unbezahlte Versicherungspolicen aus der Zeit des Nationalsozialismus aufzufinden
Wie kam es dazu, dass Lebensversicherungen an jüdische Kunden zum Teil nicht ausgezahlt wurden?

Nachdem die Nationalsozialisten im Jahr 1933 die Macht in Deutschland übernommen hatten, kündigten immer mehr jüdische Kunden ihre Lebensversicherungen. Die Kündigungen erreichten im Jahr 1938 ihren Höhepunkt, nachdem die NS-Regierung ihre antisemitischen Maßnahmen drastisch verschärft hatte. Erträge aus Lebensversicherungen mussten auf Sperrkonten eingezahlt werden. Der Staat nutzte sie, um damit Steuerforderungen, Schulden und andere Sondergebühren (z.B. die so genannte "Reichsfluchtsteuer") einzuziehen, die er der jüdischen Bevölkerung auferlegte. Zum Teil beschlagnahmte der Staat auch direkt Lebensversicherungspolicen jüdischer Kunden.

Wer hat davon profitiert?

Nachdem die jüdischen Kunden gezwungen wurden, das Land zu verlassen, oder in Konzentrationslager deportiert worden waren, konfiszierte die NS-Regierung das auf den Sperrkonten eingefrorene Geld sowie sämtlichen weiteren Besitz der jüdischen Opfer und ließ diese Vermögenswerte durch die Finanzbehörden des Reichs einziehen.

Wie wurden die Opfer bisher materiell entschädigt?

Schon 1947 erließen die Militärregierungen Gesetze zur Rückerstattung entzogener Vermögenswerte an die jüdischen und nicht-jüdischen Opfer der Verfolgung durch den NS-Staat. Seit 1953 verabschiedete die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland mehrere Entschädigungs- und Rückerstattungsgesetze, darunter vor allem das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) und das Bundesrückerstattungsgesetz.

Bis 1970 stellten insgesamt mehr als vier Millionen politisch, rassistisch oder religiös verfolgte Menschen Anträge auf Entschädigung gemäß den Regelungen des BEG. In 2,7 Millionen Fällen wurden Zahlungen geleistet. (Vor der Errichtung der NS-Diktatur hatten im Deutschen Reich etwa eine halbe Million jüdische Bürger gelebt.)

Zusätzlich unterzeichneten Deutschland und Israel das Luxemburger Abkommen (1952), in welchem die Bundesrepublik sich zu Zahlungen in Höhe von 3 Milliarden DM als Entschädigung und als Hilfe zur Eingliederung jüdischer Verfolgter in Israel verpflichtet hatte. Ergebnis dieses Abkommens waren zudem Zahlungen an die "Conference on Jewish Material Claims against Germany" (Claims Conference) für nicht ausbezahlte und erbenlose Policen.

Seit den 1950er Jahren wurden im Rahmen dieser Verfahren etwa 78 Milliarden Euro (ein vielfaches mehr nach heutigem Wert) an materieller Entschädigung an Opfer des Nationalsozialismus gezahlt. Die Zahlungen sind fortlaufend.

Ausgelöst durch eine Reihe von Klagen in den USA gründete sich die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft (1999). Gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung stellten hunderte deutscher Unternehmen (auch Unternehmen, die erst nach dem Krieg gegründet wurden) 10 Milliarden DM (ca. 5,1 Milliarden Euro) für die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter, aber auch für Vermögensschäden zur Verfügung. Dazu zählten auch unbezahlte oder entzogene und nicht anderweitig entschädigte Versicherungspolicen.

Die von der Bundesrepublik Deutschland und der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft aufgebrachten Mittel wurden in die neu gegründete Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (Stiftung) eingebracht. Die Stiftung hat über Partnerorganisationen Finanzmittel zur Gewährung von Leistungen an ehemalige Zwangsarbeiter und von anderem Unrecht aus der Zeit des Nationalsozialismus Betroffene bereitgestellt.

Welche Rolle spielte die Allianz bei der Entschädigung?

1997 wurde die Allianz gemeinsam mit 15 anderen europäischen Versicherungsgesellschaften verklagt, Lebensversicherungen von Opfern nationalsozialistischer Verfolgung nicht ausbezahlt zu haben. Daraufhin richtete das Unternehmen eine internationale Telefon-Hotline ein, um Anfragern einen einfachen und schnellen Zugang zu ermöglichen. Zusätzlich wurde eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt, die Archive des Unternehmens nach Policen aus der NS-Zeit zu durchsuchen.

1998 wurde die "International Commission on Holocaust Era Insurance Claims" (ICHEIC) gegründet. Mitglieder waren der Staat Israel, jüdische Interessensvertreter, amerikanische Versicherungsaufsichtsbehörden und neben vier anderen Versicherungsunternehmen die Allianz. Wenige Monate später zählte die Allianz zu den Mitgründern der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft. Die Arbeit von ICHEIC und Stiftung wurde miteinander verknüpft, auch um sicherzustellen, dass alle bisher unbezahlten oder entzogenen und nicht entschädigten Versicherungspolicen ausbezahlt werden können, unabhängig ob sie von der Allianz oder von anderen deutschen Unternehmen ausgestellt waren.

Wie viele nicht ausbezahlte und nicht entschädigte Lebensversicherungen konnten gefunden werden? In welchem Umfang wurden diese entschädigt?

Die Recherchen der Wirtschaftsprüfer in den Archiven der Allianz ergaben, dass in den allermeisten Fällen die Erträge auf die Konten der Policeninhaber ausgezahlt wurden. Dort wo dies nicht geschah, oder wo die Erträge direkt durch den NS-Staat konfisziert worden waren, erhielten die Policeninhaber oder ihre Familien Leistungen gemäß dem Bundesentschädigungsgesetz. Dort, wo keine individuellen Ansprüche angemeldet wurden (so genannte "erbenlose Vermögen"), gab es eine pauschale Entschädigung zugunsten der Claims Conference durch das Luxemburger Abkommen. Nach deutschem Recht wurde die Claims Conference als Rechtsnachfolger erbenloser jüdischer Vermögenswerte behandelt.

Dennoch war die Allianz daran interessiert, mögliche Fälle zu klären und alle Kunden zu entschädigen, die selbst oder deren Familien erst in den letzten Jahren auf Hinweise zu Lebensversicherungspolicen gestoßen sind.

2002 schlossen die Stiftung, ICHEIC und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ein Abkommen, in dem der Ausgleich von Einzelansprüchen aufgrund von unbezahlten oder entzogenen und nicht anderweitig entschädigten Versicherungspolicen deutscher Versicherungsunternehmen im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrecht geregelt wurde. ICHEIC erhielt von der Stiftung insgesamt mehr als 280 Millionen Euro.

Im Rahmen dieses Abkommens haben die deutschen Versicherungsgesellschaften insgesamt mehr als 19.400 Anfragen erhalten, es war nach mehr als 86.000 Namen zu suchen. In fast 3200 Fällen (mit fast 16.000 Namen) war ein Unternehmen namentlich benannt, in mehr als 16.200 Fällen (mit fast 70.400 Namen) war kein Unternehmen namentlich benannt, d.h. alle deutschen Versicherungsgesellschaften haben in ihren vorhandenen Archiven nach diesen Fällen recherchiert.

Insgesamt konnten 11.399 Policen entschädigt werden, davon betrafen 3861 Policen sog. Sperrkontenfälle, in denen die Versicherungsleistung vor 1945 vom Versicherungsunternehmen auf ein vom Staat gesperrtes Konto gezahlt wurde. Die durchschnittliche Entschädigungssumme betrug fast 9000 US-Dollar.

Insgesamt wurden im Rahmen der ICHEIC in mehr als 48.000 Fällen Versicherungspolicen mit einer Gesamtsumme von mehr als 300 Millionen US-Dollar entschädigt. Darüber hinaus wurden mehr als 170 Millionen US-Dollar für humanitäre Zwecke zur Verfügung gestellt.

Wie wird die Allianz mit zukünftigen Anfragen umgehen?

Die Allianz wird weiterhin dafür Sorge tragen, dass jede von ihr ausgestellte Lebensversicherungspolice, die bisher unbezahlt geblieben und nicht entschädigt worden ist, ausbezahlt werden wird.

Wohin können sich Anfrager wenden?

Kontakt Anja Rechenberg
Tel. +49.89.3800-4511

Gerd Modert
Corporate Historian

Tel. +49 89 3800 66062

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