Geduld lohnt sich, meinen diejenigen, die schon seit einem halben Jahrhundert das tauende Eis knacken hören. So alt ist die Sehnsucht nach einer nördlichen Schifffahrtsroute zwischen Atlantik und Asien. Es war immer ein verwegener, ein verführerischer Traum. Aber bald könnte eine kommerziell nutzbare Nordpassage Realität werden.
Binnen weniger Jahre hat sich die arktische Meereseisfläche dramatisch verkleinert. Im Herbst 2012 war die Gesamtmasse 36 Prozent kleiner als im Schnitt der Herbsttage von 2003 bis 2008. Erstmals geschah es 2005, dass das sonst gefrorene Gewässer im Spätsommer schiffbar wurde. Drei Jahre später war die Meeresstraße erstmals eisfrei.
Atemlos heißt es in einigen Geschäftskontoren nunmehr: Das ist einer der Riesenvorteile des globalen Klimawandels! 2010 passierten vier Schiffe die Nordostpassage entlang der russischen Nordküste. Ein Jahr später waren es schon 34, im vorigen Jahr dann A7. Und Prognosen sagen: Bis 2030 könnten zwei Prozent der Weltschifffahrt über die Arktis verkehren, bis 2050 gar fünf Prozent.
Könnte, sollte — dafür müsste aber auch ein hoher Preis gezahlt werden, den heute keiner realistisch beziffern kann: der Preis für die Umweltkosten. Natürlich ist die Verkürzung der Handelsrouten beeindruckend. Die Strecke New York—Tokio schrumpft über die Nordwestpassage im Vergleich zur Panama-Querung um 4200 Kilometer. Die Distanz zwischen Hamburg und Yokohama verkleinert sich um 36 Prozent, die von Hamburg nach Schanghai um 25 Prozent. Und Piraten gibt es dort oben auch nicht. Die Route könnte also theoretisch den Transport beschleunigen und kräftig Ressourcen und C02-Emissionen sparen.
Allerdings ist die Polarroute für Handelsschiffe höchstens im Sommer passierbar. Und selbst im Sommer können kurzfristige Klima Schwankungen den Wasserweg zufrieren lassen. Vor fünf Jahren hieß es: 2008 erleben wir den ersten eisfreien Sommer in der Arktis. Tatsächlich blieb das Polarmeer ausgerechnet in jenem Jahr: vereist.
Das Eis ist aber nicht die einzige Gefahr einer Sommerpassage. Das Hauptrisiko sind Unfälle, bei denen tonnenweise Öl und Chemikalien austreten können. Sie würden irreparablen Schaden an einem hochsensiblen Ökosystem anrichten, das in seiner Unberührtheit auf der Erde einzigartig ist. Und es gibt kein Gerät, das nach einem Ölleck im Treibeis den hochgiftigen Rohstoff absaugen könnte. Eine Infrastruktur mit Krankenhäusern, Rettungswachen und Bergungsteams ist kaum vorhanden.