Die Allianz-Gruppe ist Europas grösster Versicherer. Den Verbindlichkeiten aus dem weitverzweigten Versicherungsgeschäft steht ein Vermögen von mehr als 500 Milliarden Euro gegenüber, dass grossmehrheitlich in Anleihen angelegt ist. Dank des globalen Vermögensverwalters PIMCO gehört der in mehr als 70 Ländern präsente Konzern auch zu den führenden Anbietern von Anlagelösungen für institutionelle und private Investoren.
Herr Wemmer, die Niedrigzinspolitik aller bedeutenden Notenbanken vermindert zunehmend den Ertrag des riesigen Versicherungsvermögens. Wie sehr ist der Allianz-Konzern ein Opfer der Zinslage?
Dieter Wemmer: Opfer sind nicht nur die Versichererbranche und deren Kunden. Von der Notenbankpolitik zur Kasse gebeten werden alle Institutionen und Personen, die sparen und vorsorgen. Als Allianz haben wir jedoch ausreichend Möglichkeiten, dagegenzuhalten. Im Bereich der Sach- und Haftpflichtversicherungen gestalten wir unsere Angebotspreise so, dass der geringer werdende Ertragsteil aus der Vermögensanlage durch eine zunehmende versicherungstechnische Marge ausgeglichen wird.
Liegen kritisch eingestellte Anleger somit richtig in der Einschätzung, die Versicherer seien enormen Zins- und Bewertungsrisiken ausgesetzt?
Der Finanzmarkt wird in der Tat von den Notenbanken manipuliert. Bezeichnungen wie Quantitative Easing und Financial Repression klingen zwar moderater, bedeuten letztlich aber nichts anderes. Der Ausstieg aus der aktuellen Geldpolitik wird kurzfristig jedoch nur schwer möglich sein, vor allem weil nun auch Japan durch Zinsmassnahmen mitmacht am weltweiten Wettlauf um Exportchancen über eine möglichst schwache Währung.
Welche Möglichkeiten nutzt Allianz, die eigenen Investments in ertragreichere Felder umzuleiten?
Wir verfügen über genügend Investmentkompetenz, um die schwierigen Marktgegebenheiten zu meistern. Ergänzend zu den eigenen gut 500 Milliarden Euro Geldanlagen betreuen unsere Einheiten PIMCO und Allianz Global Investors zusammen 1500 Milliarden Euro Kundengelder. Dies verleiht unserer Gruppe im Investmentgeschäft den globalen Platz zwei. Diese Stärke nutzen wir.
Welche Beispiele können Sie uns dazu geben?
Jährlich kommen aus unserem Versicherungsvermögen gegen 80 Milliarden Euro zur Neuanlage. Mindestens 3 bis 4 Milliarden davon möchten wir bis 2015 jedes Jahr in reale Werte investieren, von denen wir uns ausreichenden Ertrag und erst noch Inflationsschutz erwarten. Interessant können infrastrukturelle Grossanlagen, etwa Einkaufszentren, Gasnetze, Windparks, Autobahnabschnitte und sogar Gefängnisanlagen sein. Die Kapitalstückelungen erreichen dabei 100 bis 500 Milliarden Euro. Der Banksektor ist aus der Finanzierung solcher Langfristprojekte herausgedrängt wird, auch wegen der Kapitalanforderungen im Zuge von Basel III. Damit bleiben große Versicherungen und Pensionskassen als Investoren.