Michael Diekmann: Die Krise ist eine Chance

Die Allianz veröffentlicht heute, zeitgleich mit dem Geschäftsbericht, ihren 12. Nachhaltigkeitsbericht. In dem Bericht nimmt der Vorstandsvorsitzende der Allianz SE, Michael Diekmann, Stellung zur Eurokrise, der globalen Erwärmung, dem demografischen Wandel und der Frage, ob Nachhaltigkeit in Zeiten der Krise eine Zukunft hat.

 

Herr Diekmann, die Finanzwelt hat ein weiteres Jahr des Krisenmanagements hinter sich. Macht es aktuell überhaupt Sinn, an Zukunft und Nachhaltigkeit zu denken?

Michael Diekmann: Die Finanz- und Schuldenkrise kann mehr als alle Sonntagsreden der Vergangenheit dazu beitragen, dass der Wert nachhaltigen Wirtschaftens wieder stärker in das Bewusstsein rückt. Wir werden nicht für immer über unsere Verhältnisse leben können.

 

Wie soll das gleichzeitig gehen, Krisenbewältigung und nachhaltiges Wirtschaften?

Die Krise ist eine Chance, wenn wir als Bürger und Konsumenten die Handlungsnotwendigkeiten erkennen und auch der Politik Rückhalt für mutige und langfristige Weichenstellungen geben. Das gilt für die EU und den globalen Handel ebenso wie für den Klimaschutz und den demografischen Wandel.

 

Welche Rolle kann die EU zukünftig spielen?

Die EU ist für alle ihre Mitgliedsstaaten die Eintrittskarte, wenn sie global mitspielen wollen. China und Indien haben jeweils mehr als doppelt so viele Einwohner wie alle 27 EU-Staaten zusammen. Afrika wird bis 2040 mehr als vier Mal so viele Einwohner haben wie die EU, davon die Hälfte jünger als 24 Jahre. Das sind Basisdaten für den Wettbewerb, in dem wir nur erfolgreich sein können, wenn wir uns einigen und auf unsere Stärken besinnen: Forschung und Wissen, Einigkeit und Frieden, Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit – das halte ich für eine Formel, mit der die EU 500 Millionen Menschen und ihren Handelspartnern eine Perspektive bieten kann.

 

Müssen wir erst die Finanzkrise bewältigen, bevor wir uns wieder der Rettung des Klimas widmen können?

Das Klima wartet nicht, bis wir unsere Hausaufgaben erledigt haben. Die globale Erwärmung setzt sich fort und Stürme wie Sandy zeigen, wie wenig wir auf die Folgen vorbereitet sind. Dabei geht es neben dem Erhalt einer intakten und  lebenswerten Umwelt auch um eine nachhaltige ökonomische Entwicklung: Je früher und konsequenter wir unsere Emissionen reduzieren und unsere Energieeffizienz verbessern, umso günstiger wird die Rechnung. Und wer das als Erster erkennt und verlässliche Rahmenbedingungen schafft, wird mit Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätzen belohnt. Als Versicherer und Investor sind wir bereit und in der Lage, einen wesentlichen und verlässlichen Beitrag zum Risikomanagement und zur Finanzierung zu leisten. Gleichzeitig stärken wir mit den Erträgen aus diesen Investitionen die Altersvorsorge unserer Kunden.

 

Ist die Sorge um die Altersvorsorge angesichts niedriger Zinsen und zunehmender Alterung berechtigt?

Die niedrigen Zinsen werden in der Altersvorsorge Spuren hinterlassen. Ebenso gravierend ist allerdings die Tatsache, dass die meisten Menschen zu spät mit der Altersvorsorge beginnen und den Finanzbedarf einer heute deutlich längeren Ruhestandszeit unterschätzen. Ein früher Einstieg und ein aktiv gesteuertes Investmentportfolio sind die beste Strategie in diesem schwierigen Umfeld.

Allianz Sustainability Factbook 2012
Lesen Sie den Allianz Nachhaltigkeitsbericht 2012
Michael Diekmann: Die Krise ist eine Chance

Michael Diekmann: "Die Finanz- und Schuldenkrise kann mehr als alle Sonntagsreden der Vergangenheit dazu beitragen, dass der Wert nachhaltigen Wirtschaftens wieder stärker in das Bewusstsein rückt."

2012 haben Nichtregierungsorganisationen Banken, Hedgefonds und Versicherer für ihre Investitionen in Agrarrohstoffe kritisiert. Nimmt die Allianz diese Kritik zum Anlass, ihre Investments zu überdenken?

Wir haben diese Investments geprüft. Wir investieren nicht in Agrarrohstoffe, sondern dienen auf dem Terminmarkt (wo ausschließlich die Preisrisiken gehandelt werden) den Landwirten und Käufern als Risikopartner. Wir übernehmen gegen eine Prämie die Risiken, die sich aus der Volatilität der Preise an den Kassamärkten (wo die Rohstoffe später gehandelt werden) ergeben. Wir gewährleisten dadurch einen verlässlichen Ertrag für die Landwirte und verlässliche Preise für die Käufer. Dabei müssen wir nicht „auf hohe Preise wetten“, denn wir verdienen unsere Risikoprämie auch bei niedrigen Preisen.

Wir halten die Kritik an der Allianz bei diesem Thema nicht für gerechtfertigt. Ich muss aber auch sagen, dass sie unser Bewusstsein für das Problem geschärft hat. Im Dialog mit Experten und NGOs wollen wir Lösungen finden, mit denen wir unstrittige Ursachen des Hungers angehen können.

Welchen nachhaltigen Beitrag hat die Allianz 2012 geleistet, und was steht für 2013 an?

Unsere Aufmerksamkeit galt 2012 und gilt in den kommenden Jahren weiterhin vier Themenschwerpunkten, von denen unsere Kunden besonders betroffen sind:

 

  • Die Stabilisierung der Kapitalmärkte und der EU unterstützen wir durch unsere Geschäftstätigkeit als Versicherer und langfristiger Investor und darüber hinaus mit fachlichen Vorschlägen für bessere Eigenkapitalregeln unserer Branche.
  • Dem demografischen Wandel begegnen wir mit einem breiten Portfolio von Altersvorsorgeprodukten und dem Ausbau alternativer Investments. Im Berliner Demografie Forum informieren wir die Öffentlichkeit und diskutieren mit Vertretern aller Generationen sowie mit Politik und Wissenschaft neue Lösungswege.
  • Auch im Klimaschutz gehen wir weiter voran. Seit 2012 ist die Allianz klimaneutral. Wir sind mit 1,3 Milliarden Euro einer der führenden Investoren in erneuerbare Energien und möchten diesen Beitrag ausbauen. Mehr als 130 grüne Produktlösungen unterstützen unsere Kunden beim Klimaschutz.
  • Am stärksten von den Klimafolgen betroffen sind unsere Kunden in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Als führender Agrar- und Mikroversicherer arbeiten wir mit unseren Partnern an dem ersten Satellitensystem, das frühzeitig Ernteschäden erkennen lässt und flächendeckend Versicherungsschutz möglich machen kann.

Ein Signal haben wir 2012 mit der Unterzeichnung der Principles for Responsible Investments der Vereinten Nationen (UN PRI) gesetzt. Wir wollen damit gegenüber unseren Kunden und auch gegenüber den Unternehmen, in die wir zum überwiegenden Teil treuhänderisch für unsere Kunden investieren, deutlich machen, dass wir auf die Nachhaltigkeit unserer Investments achten. 

Zukünftig wollen wir unsere Aktivitäten als Versicherer und Vermögensverwalter noch besser koordinieren und haben dafür im September 2012 ein ESG-Board (Environmental, Social, Governance) auf Vorstandsebene eingerichtet. Die Ergebnisse unseres jüngsten Stakeholder Expectations Surveys und der Dialog mit führenden Nichtregierungsorganisationen sollen uns dabei helfen, diese und weitere Themen einzuschätzen und Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Weitere Details zu diesen und weiteren Aktivitäten finden Sie in unserem heute veröffentlichten Nachhaltigkeitsbericht auf unserem Nachhaltigkeitsportal.

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Nicolai Tewes
Allianz SE
Tel. +49.89.3800-4511
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