Herr Diekmann, die Finanzwelt hat ein weiteres Jahr des Krisenmanagements hinter sich. Macht es aktuell überhaupt Sinn, an Zukunft und Nachhaltigkeit zu denken?
Michael Diekmann: Die Finanz- und Schuldenkrise kann mehr als alle Sonntagsreden der Vergangenheit dazu beitragen, dass der Wert nachhaltigen Wirtschaftens wieder stärker in das Bewusstsein rückt. Wir werden nicht für immer über unsere Verhältnisse leben können.
Wie soll das gleichzeitig gehen, Krisenbewältigung und nachhaltiges Wirtschaften?
Die Krise ist eine Chance, wenn wir als Bürger und Konsumenten die Handlungsnotwendigkeiten erkennen und auch der Politik Rückhalt für mutige und langfristige Weichenstellungen geben. Das gilt für die EU und den globalen Handel ebenso wie für den Klimaschutz und den demografischen Wandel.
Welche Rolle kann die EU zukünftig spielen?
Die EU ist für alle ihre Mitgliedsstaaten die Eintrittskarte, wenn sie global mitspielen wollen. China und Indien haben jeweils mehr als doppelt so viele Einwohner wie alle 27 EU-Staaten zusammen. Afrika wird bis 2040 mehr als vier Mal so viele Einwohner haben wie die EU, davon die Hälfte jünger als 24 Jahre. Das sind Basisdaten für den Wettbewerb, in dem wir nur erfolgreich sein können, wenn wir uns einigen und auf unsere Stärken besinnen: Forschung und Wissen, Einigkeit und Frieden, Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit – das halte ich für eine Formel, mit der die EU 500 Millionen Menschen und ihren Handelspartnern eine Perspektive bieten kann.
Müssen wir erst die Finanzkrise bewältigen, bevor wir uns wieder der Rettung des Klimas widmen können?
Das Klima wartet nicht, bis wir unsere Hausaufgaben erledigt haben. Die globale Erwärmung setzt sich fort und Stürme wie Sandy zeigen, wie wenig wir auf die Folgen vorbereitet sind. Dabei geht es neben dem Erhalt einer intakten und lebenswerten Umwelt auch um eine nachhaltige ökonomische Entwicklung: Je früher und konsequenter wir unsere Emissionen reduzieren und unsere Energieeffizienz verbessern, umso günstiger wird die Rechnung. Und wer das als Erster erkennt und verlässliche Rahmenbedingungen schafft, wird mit Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätzen belohnt. Als Versicherer und Investor sind wir bereit und in der Lage, einen wesentlichen und verlässlichen Beitrag zum Risikomanagement und zur Finanzierung zu leisten. Gleichzeitig stärken wir mit den Erträgen aus diesen Investitionen die Altersvorsorge unserer Kunden.
Ist die Sorge um die Altersvorsorge angesichts niedriger Zinsen und zunehmender Alterung berechtigt?
Die niedrigen Zinsen werden in der Altersvorsorge Spuren hinterlassen. Ebenso gravierend ist allerdings die Tatsache, dass die meisten Menschen zu spät mit der Altersvorsorge beginnen und den Finanzbedarf einer heute deutlich längeren Ruhestandszeit unterschätzen. Ein früher Einstieg und ein aktiv gesteuertes Investmentportfolio sind die beste Strategie in diesem schwierigen Umfeld.