Ein Interview mit Christian Finckh, Personalchef der Allianz Gruppe, und Stuart Cameron, Mitbegründer der "MILK MESSE - für Schwule, Lesben und Heteros"
"Unterschiede trennen uns nicht, sondern machen uns stärker"
Herr Dr. Finckh, weshalb hat sich die Allianz dazu entschlossen einen Roundtable zu LGBT Themen zu veranstalten?
Finckh: Die Idee entstand aus der Beteiligung der Allianz an der diesjährigen MILK MESSE in Berlin. Ziel unseres Roundtable war es, sich darüber auszutauschen, wie deutsche Unternehmen und die Allianz im Besonderen Mitarbeitern aus der LGBT Community Gewissheit geben können, dass sie in ihrem Arbeitsumfeld nicht diskriminiert werden. Außerdem war es unsere Absicht Allianz intern das Bewusstsein und die Offenheit für LGBT Themen auf allen Unternehmensebenen zu stärken.
In vielen Unternehmen gibt es bereits Richtlinien zu Diversity und Verhaltenskodices als Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, des Alters, der Religion, der ethnischen Herkunft und der sexuellen Orientierung. Reicht dies nicht aus?
Finckh: Die Allianz hat seit 2006 eine Diversity Richtlinie und wir verfügen auch über einen Verhaltenskodex. Doch trotz der offiziellen Regeln wissen wir, dass es viele lesbische und schwule Mitarbeiter gibt, die Angst haben, dass ein absichtliches oder zufälliges Coming Out ihre Karriere gefährden könnte. Wir möchten diese Angst vor den Folgen verringern; als Arbeitgeber sind wir hier in der Verantwortung. Wir sind ein Unternehmen, das sich Diversity auf die Fahnen geschrieben hat - wir dulden keine Diskriminierung.
Für die Allianz ist Diversity nicht bloß eine Modeerscheinung, sondern steht im Kern unseres Unternehmens: unserer Geschäftssegmente, der Risiken, die wir verwalten, unserer Mitarbeiter und Kunden in über 70 Ländern. Wir müssen verstehen, dass unsere Unterschiede uns nicht trennen. Ganz im Gegenteil: Sie machen uns stärker.
Wie können LGBT Themen das Geschäft beeinflussen?
Finckh: Nehmen wir an, dass fünf bis zehn Prozent der Weltbevölkerung lesbisch, schwul, bisexuell oder transsexuell ist, und nehmen wir weiterhin an, dass dies auch für die Allianz Mitarbeiter zutrifft. Viele von ihnen verbrauchen viel Energie, um ihre sexuelle Identität vor Kollegen geheim zu halten. Studien zeigen, dass die Angst vor einem zufälligen Coming Out Mitarbeiter 15 bis 20 Prozent weniger effektiv arbeiten lässt. Es geht hier also um einen Produktivitätsfaktor, den wir nicht einfach ignorieren können, allein schon im Blick auf unsere Kunden und Aktionäre. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass die LGBT Community eine attraktive Kundschaft ist, weil ihre Kaufkraft überdurchschnittlich hoch ist.
Herr Cameron, viele Leute finden, dass Sexualität ein rein privates Thema ist, das nicht ins Arbeitsumfeld gehört. Wäre es nicht effektiver, einfach Stillschweigen darüber zu bewahren?
Cameron: Niemand regt sich auf, wenn ein männlicher Kollege über seine Frau oder Kinder spricht, weil eine heterosexuelle Identität in unserer Arbeitskultur akzeptiert wird. Weshalb sollten Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle nicht auch dieselbe Freiheit haben, über ihre Partner und Familien zu sprechen. Sexuelle Identität als Tabu zu behandeln, Stillschweigen zu erwarten oder gar Menschen zu schikanieren, die sich "geoutet" haben, ist ganz einfach schlechte Geschäftspraxis. Intoleranz ist Gift für den Unternehmenserfolg.
Was ist die wichtigste Maßnahme, die ein Unternehmen ergreifen kann, um ein Arbeitsklima zu schaffen, in dem Diskriminierung ein Fremdwort ist?
Cameron: Man darf nicht vergessen, dass Toleranz in der Verantwortung eines jeden einzelnen liegt. Stellen Sie allen Mitarbeitern in Ihrem Unternehmen gegenüber klar, dass Diskriminierung gegen das Gesetz verstößt, und seien Sie konsequent bei der Verfolgung von Verstößen. Das betrifft alle Unternehmensebenen. Das Ziel sollte sein, am Arbeitsplatz ein Gefühl der Normalität bezüglich dieser Gruppen zu schaffen.
Mehrere Dax 30 Unternehmen waren auf der letzten MILK MESSE vertreten - weit mehr als im Vorjahr. Wie erklären Sie sich dieses gesteigerte Interesse?
Cameron: Viele große Unternehmen haben festgestellt, dass ein Engagement für LGBT-Themen als Teil ihrer Diversity-Politik nachweislich zum Erfolg führt – als Signal für den Arbeitsmarkt und um Mitarbeiter mit hoher Qualität zu rekrutieren und zu binden. Uns als Initiatoren der MILK MESSE hat man damit bescheinigt, professionell und glaubhaft zu agieren.
Herr Dr. Finckh, was sind die nächsten Schritte bei der Allianz für eine bessere Integration von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen?
Finckh: Wir werden auch weiterhin verschiedene Maßnahmen ergreifen, um den Mitgliedern der LGBT Community zu verdeutlichen, dass sie bei der Allianz willkommen sind und sich nicht wegen Diskriminierung sorgen müssen. Natürlich wird die Allianz auch künftig an der MILK Karrieremesse teilnehmen. Außerdem führen wir eine interne Kampagne durch, die mit dem Roundtable begann, und in der LGBT Mitarbeiter der Allianz und andere, die unsere Arbeit unterstützen wollen, ihren "Ratschlag" zu größerer Offenheit im Arbeitsumfeld erteilen können.
Des Weiteren fördern wir Bildungsmaßnahmen, z.B. Schulungen für Führungskräfte und Webinare, und bitten bei unser jährlichen weltweiten Allianz Engagement Survey gezielt um Rückmeldungen zur Umgang unseres Unternehmens mit dem Thema Diversity. Und schließlich, aber nicht minder wichtig, werden wir einen LGBT Vertreter dazu einladen, ständiges Mitglied des Allianz Global Diversity Council zu werden.
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen hier zur Verfügung gestellt wird.
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