Menschen bei der Allianz

Die Menschen im Unternehmen: das Management in der Zeit des Nationalsozialismus und die Schicksale jüdischer Mitarbeiter.
Die Geschäftsleitung der Allianz
Kurt Schmitt

Kurt Schmitt (1886 - 1950)

Generaldirektor der Allianz 1921-1933

Kurt Schmitts energischer Expansionskurs in den 1920er Jahren hatte die Allianz zur größten Versicherungsgesellschaft Deutschlands werden lassen. 1933 wurde Schmitt Wirtschaftsminister in der Regierung Adolf Hitlers. Anfang 1935 trat er von diesem Amt wieder zurück: Er konnte seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen nicht umsetzen und war gesundheitlich angeschlagen. Nach seiner Genesung arbeitete er zunächst wieder für die Allianz und wurde 1938 Generaldirektor der Münchener Rück.

Hans Heß (1881 - 1957)

Generaldirektor der Allianz 1933-1948

Schmitts Nachfolger Hans Heß wahrte ein sehr distanziertes Verhältnis zum Nationalsozialismus. Er trat, anders als viele andere deutsche Unternehmensleiter, nicht in die NSDAP ein. Hans Heß konzentrierte sich auf Fragen der betriebsinternen Organisation und schuf dabei eine effiziente und langfristig tragfähige Struktur des Konzerns.

Hans Hess
Eduard Hilgard

Eduard Hilgard (1884 - 1982)

Vorstandsmitglied der Allianz 1923-1944 und Leiter der Reichsgruppe Versicherungen 1934-1945

Eduard Hilgard flankierte als Verbandsfunktionär die Maßnahmen der Geschäftsführung. Er vertrat die Interessen der Privatversicherer gegenüber Staat und Partei. 1934 wurde Hilgard Leiter der neu gegründeten Reichsgruppe Versicherungen. Die Reichsgruppe war die gemäß der NS-Ideologie neugeschaffene Nachfolgeinstitution der früheren Spitzenverbände der Versicherungswirtschaft.

Glossar
Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei war die Partei Adolf Hitlers. Sie wurde 1920 gegründet und nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten die einzige zugelassene Partei in Deutschland. Zentrale Kennzeichen ihrer Ideologie waren Rassismus und Antisemitismus, Demokratiefeindlichkeit und ein aggressiver Expansionsdrang. Sie wuchs von einer Splitterpartei bis zur Massenpartei mit 8,5 Millionen Mitgliedern.
Die Reichsgruppe Versicherung war die 1934 gegründete zentrale Organisation und der Interessenverband der Versicherungsunternehmen. Leiter der Gruppe war das Allianz Vorstandsmitglied Eduard Hilgard.
Chronik
  • 1921-1944 Mitglied des Vorstands der Allianz
  • 1933 stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Allianz
  • 1933 Vorsitzender des Reichsverbands der Privatversicherung
  • ab 1934 Leiter der Reichsgruppe Versicherungen
  • 1944 Ausscheiden aus dem Vorstand der Allianz
  • 1948-1953 Mitglied des Aufsichtsrats der Allianz
  • 1913 Eintritt bei der Allianz
  • 1917 Mitglied des Vorstands
  • 1921 bis 1933 Vorstandsvorsitzender der Allianz
  • 1933 bis 1935 Reichswirtschaftsminister
  • 1935 bis 1945 Aufsichtsratsmitglied der Allianz
  • 1938 bis 1945 Vorstandsvorsitzender der Münchener Rück
  • 1945 bis 1949 Entnazifizierungsverfahren
  • 1917 Anstellung bei der Allianz als Organisationsleiter
  • 1918-1948 Mitglied des Vorstands der Allianz
  • 1933-1948 Vorsitzender des Vorstands der Allianz
  • 1948-1954 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Allianz
Die jüdischen Mitarbeiter der Allianz
James Freundenburg und seine Frau Erika in Marienbad, 30. April, 1929.

James Freundenburg und seine Frau Erika in Marienbad, 30. April 1929.

James Freudenburg (1875 - 1944)

Direktor der Zweigniederlassung Frankfurt (1924-1934)

1934 musste James Freudenburg als Vorstand einer Frankfurter Tochtergesellschaft der Allianz zurücktreten. Im Alter von 61 Jahren wurde er 1936 pensioniert. James Freudenburg gelang es nicht, Deutschland zu verlassen: er wurde deportiert und 1944 in Auschwitz ermordet.

Maximilian Eichbaum (1881 - 1958)

Direktor der Zweigniederlassung Magdeburg (1924-1930)

Maximilian Eichbaum leitete die Zweigniederlassung der Allianz in Magdeburg. Er verlor seine Stellung im Jahr 1935. Pläne, die Geschäftsleitung einer Tochtergesellschaft der Allianz in Österreich zu übernehmen, erwiesen sich als nicht realisierbar. 1937 emigrierte Eichbaum mit seiner Familie nach Südafrika. Die Allianz beschäftigte ihn dort bei einer befreundeten Versicherungsgesellschaft.

Martin Lachmann

Martin Lachmann (1880 - 1941)

Subdirektor der Allianz in Berlin bis 1939

Denunziationen, rassistisch motivierte Angriffe aus Parteiorganisationen und der Bevölkerung sowie immer neue gesetzliche Bestimmungen führten dazu, dass Unternehmen nach und nach ihre jüdischen Mitarbeiter entließen.

Bei der Allianz bedeutete dies, dass schließlich auch Verträge mit jüdischen Generalagenten wie etwa Martin Lachmann aus Berlin nicht mehr verlängert wurden. Martin Lachmann durfte ab 1939 nicht mehr arbeiten. Während Teile seiner Familie bereits Mitte der 1930er Jahre nach Schweden emigrierten, zögerte Martin Lachmann zunächst, Deutschland zu verlassen.

Als die Lebensverhältnisse für die jüdische Bevölkerung ab 1938 immer bedrückender wurden, entschloss er sich schließlich doch zur Auswanderung. Doch seine Bemühungen scheiterten. Martin Lachmann musste in Deutschland bleiben und wurde nach Minsk deportiert. Er starb bereits auf dem Weg dorthin.

Hugo Kettner (1877-1955)

 

Direktor der Allianz in Frankfurt 1923 bis 1937, Chef der Frankfurter Versicherungs-AG 1945-1946

Im Januar 1936 musste Hugo Kettner im Alter von 58 Jahren vorzeitig in den Ruhestand treten. Er war seit 1923 Direktor bei der Zweigniederlassung Frankfurt der Allianz. Seine Pensionierung erfolgte kurz nach der Verkündung der so genannten Nürnberger Gesetze, die Ehen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen verboten. Kettner hatte eine jüdische Frau und war nun in seiner leitenden Position angreifbar geworden. 1945 wurde er von der amerikanischen Militärregierung als Chef der Frankfurter Versicherungs-AG eingesetzt. 1947 wechselte er in den Aufsichtsrat, dem er bis zum Alter von 75 Jahren angehörte.

Hugo Kettner
Chronik
  • 11.12.1875 in Braunschweig geboren
  • 1919 Eintritt bei der Allianz
  • 1923 Direktor der Zweigniederlassung Stuttgart
  • 1924-1934 Direktor der Zweigniederlassung Frankfurt
  • 1936 im Zuge der Ausgrenzung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben Pensionierung Freudenburgs
  • 20. 9. 1943: James Freudenburg wird deportiert und am 10. Januar 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.
  • 1923 Vorstandsmitglied der Wilhelma in Magdeburg Allgemeine Versicherungs-AG (Fusion mit Allianz 1923)
  • 1924 Direktor der Zweigniederlassung Magdeburg der Allianz
  • 1930-1935 Mitglied des Vorstands der Allianz
  • 31.10.1937 im Zuge der Ausgrenzung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben Pensionierung Eichbaums im Alter von 56 Jahren und Emigration nach Südafrika. In Südafrika arbeitet Maximilian Eichbaum bis 1943 bei einer mit der Allianz verbundenen Versicherungsgesellschaft, danach als freier Versicherungsagent
  • 1907 Versicherungsvertreter der Allianz in Berlin
  • 1920er und frühe 1930er Jahre einer der erfolgreichsten Versicherungsagenten der Allianz
  • 1939 im Zuge der Ausgrenzung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben keine Verlängerung des Vertrags zwischen der Allianz und Martin Lachmann
  • Martin Lachmann wird nach Minsk deportiert und starb am 16. November 1941

Gerd Modert
Corporate Historian

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