Die Entschädigung enteigneter Lebens-versicherungen nach 1945
Enteignete Lebensversicherungen wurden nach den Prinzipien entschädigt, wie sie die Gesetze zur Wiedergutmachung für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung von 1949 und 1953 formulierten. Die Geschädigten sollten mit Hilfe der staatlichen Wiedergutmachungszahlungen nicht verfolgten Personen finanziell gleichgestellt werden. Die Bundesrepublik übernahm diese Zahlungen, weil sie sich in der Rechtsnachfolge des III. Reiches sah. Die Kosten für diese Entschädigung trägt der Staat, ausgezahlt wird über die Wiedergutmachungsbehörden.
Die Ansprüche betrafen einerseits Policen, die verfolgungsbedingt vorzeitig gekündigt wurden, andererseits auch Policen, die der Staat direkt enteignet hatte.
Die Versicherungsunternehmen unterstützten die Entschädigungsverfahren in zweifacher Weise: Sie halfen den Anspruchstellern bei der Suche nach Unterlagen über ihre Lebensversicherung und berechneten die individuellen Entschädigungsbeträge im Auftrag des Staates.
Die Bundesrepublik Deutschland zahlte gemäß dem Luxemburger Abkommen von 1952 mehrere 100 Millionen DM an die Conference on Jewish Material Claims against Germany. Damit und über zusätzliche Zahlungen an jüdische Nachfolgeorganisationen wurden erbenlose und nicht angemeldete Vermögensansprüche abgegolten.
Dokumentation des Bundesfinanzministeriums über Maßnahmen und Programme zur Entschädigung von NS-Unrecht
Das Engagement der Allianz für die Opfer der Enteignung
Im Frühjahr 1997 wurden vor einem New Yorker Gericht gegen mehrere europäische Versicherer Klagen eingereicht. Den Unternehmen wurde vorgeworfen, Lebensversicherungspolicen jüdischer Kunden aus der Zeit vor dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft nicht ausbezahlt zu haben.
Die Allianz bemühte sich, diese Vorwürfe zu klären und ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden:
Im April 1997 richtete die Allianz die "Helpline for Holocaust Inquiries" ein, um schnell und unbürokratisch Auskünfte zu Lebensversicherungen zu erteilen. Es fand sich nur eine sehr kleine Zahl anscheinend unausbezahlter Policen von Allianz Leben. In allen diesen Fällen wurden Auszahlungsangebote gemacht. Gleichzeitig beauftragte Allianz Leben eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine unabhängige Untersuchung der Archive des Unternehmens durchzuführen.
Allianz engagiert sich als Gründungsmitglied seit 1998 in der Internationalen Kommission für Versicherungsansprüche aus der Holocaust-Ära (ICHEIC) und seit 1999 in der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft.
Bereits im Februar 1997 beauftragte die Allianz den Wirtschaftshistoriker Prof. Gerald D. Feldman (University of California, Berkeley), die Geschichte der Allianz in der NS-Zeit zu erforschen. Die Ergebnisse wurden in einer wissenschaftlichen Studie im Jahr 2001 in deutscher und englischer Sprache veröffentlicht.
Anzeige in der New York Times (1997)
Von der Anfrage bis zur Auszahlung
A. Jede Anfrage, welche die Allianz direkt oder über die ICHEIC oder direkt erhält, wird individuell bearbeitet und beantwortet. Sie wird zunächst mit Hilfe des Zentralregisters der Allianz Lebensversicherung überprüft. Dieses Register enthält die vollständigen Einträge zu den mehreren Millionen Personen, die damals Anträge auf Abschluss einer Lebensversicherung gestellt haben.
B. Wenn der Name des Antragstellers - oder ähnlich lautende Namen - im Zentralregister verzeichnet sind, starten Mitarbeiter der Allianz Lebensversicherung eine Recherche in ihrem Zentralarchiv.
C. Gleichzeitig richtet die Allianz Lebensversicherung Anfragen an die Entschädigungsbehörden bzw. die öffentlichen Archive, um zu klären, ob der Antragsteller bereits Leistungen gemäß den Entschädigungsgesetzen erhalten hat.
D. Eine Auszahlung an den Antragsteller erfolgt
- wenn der Inhaber der Lebensversicherungspolice Opfer nationalsozialistischer Verfolgung war,
- wenn bislang keine Entschädigungszahlungen erfolgt sind, obwohl der Name des Antragstellers im Zentralregister nachweisbar ist und tatsächlich ein Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen wurde, oder
- wenn die Police zwar vom NS-Staat konfisziert wurde oder auf ein Sperrkonto eingezahlt, aber nicht an den Fiskus ausgezahlt wurde.
Der Auszahlungsbetrag wird gemäß der von ICHEIC definierten Verfahrensregeln festgesetzt.
Aktenschränke mit Unterlagen zu Lebensversicherungen der Allianz Lebensversicherungs AG
ICHEIC und Stiftungsinitiative
Die ICHEIC (International Commission on Holocaust Era Insurance Claims) wurde im August 1998 gegründet, um Klarheit über die Frage nach Lebensversicherungspolicen aus der Zeit des Nationalsozialismus zu erzielen. Die Kommission wurde nach umfangreichen Diskussionen zwischen den US-Versicherungsaufsichtsbehörden, wichtigen jüdischen Organisationen, dem Staat Israel und mehreren europäischen Versicherungsgesellschaften gebildet. An den Tagungen von ICHEIC nahmen zudem Repräsentanten von Regierungen weiterer Staaten sowie des US-Außenministeriums teil.
Es war das Ziel der Kommission, ein nachhaltiges, international verbindliches Verfahren zu schaffen, um die verbleibenden noch ungeklärten Versicherungsansprüche zu klären. Die Allianz war als Gründungsmitglied seit 1998 in der ICHEIC engagiert. Im März 2007 wurde der erfolgreiche Abschluss aller Antrags- und Berufungsverfahren bekannt gegeben.
Die deutsche Wirtschaft akzeptiert die geschichtliche und moralische Verantwortung, die sich aus ihrer Rolle innerhalb des vom Regime gelenkten Wirtschaftssystems der NS-Zeit ergibt. Als Mitglieder der Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft haben sich deutsche Unternehmen dazu verpflichtet, fünf Milliarden DM als ihren Beitrag zur Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" zur Verfügung zu stellen.
Die Stiftung wurde im Juli 2000 geschaffen, nachdem die Bundesrepublik Deutschland mit den USA ein offizielles Regierungsabkommen geschlossen hatte. Die deutsche Bundesregierung leistete ihrerseits ebenfalls einen Beitrag in Höhe von fünf Milliarden Deutsche Mark zur Errichtung der Stiftung.
Das Abkommen und die Stiftung bildeten die alleinige Grundlage für die Klärung aller existierenden Ansprüche aus der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg gegen deutsche Unternehmen. Im Juni 2001 hat die Stiftung mit der Auszahlung von Mitteln begonnen.
Stuart Eizenstat, Kanzler Gerhard Schröder und Otto Graf Lambsdorff nach Abschluss der Verhandlungen über Entschädigungen (2000) - Bundesbildstelle Berlin