"Die IT-Infrastruktur wird internationaler"

In diesem Interview sprechen Kurt Servatius, Vorsitzender der Geschäftsführung des deutschen IT-Dienstleisters AGIS, und Lex de Grunt, CIO der Allianz Niederlande, über die Ausstellung und künftige IT-Trends.

Kurt Servatius: Vor fünfzig Jahren brauchten die Unternehmen in der Branche zum einen extrem teure Hardware, zum anderen hoch spezialisierte Experten, um die erforderliche Software zu entwickeln. Die Anwendungen führten nur wenige, wohl strukturierte Aufgaben aus, erstellten zum Beispiel statistische Analysen oder kalkulierten Tarife.

Die Einführung der EDV in der Allianz in den 50er Jahren brachte jedoch nicht nur neue Anforderungen an EDV-Kenntnissen mit sich, sondern auch neue Karrierechancen. Man darf nicht vergessen, dass es damals - anders als heute - kaum Informatiker gab. Vielmehr waren es unsere eigenen Versicherungsangestellten, die sich mit der Zeit zu IT-Experten entwickelten, da die Prozesse unserer Organisation zunehmend auf Computer umgestellt wurden.

Die Dateneingabe in diese Systeme erfolgte zunächst über Lochkarten. Die Speicherung der Daten erfolgte auf Lochstreifen und später auf Magnetband. Schneller verfügbare Speichermedien lohnten sich noch nicht und die Ergebnisse waren nur auf Papierausdrucken erhältlich.

Ich brauche wohl kaum zu sagen, dass damals EDV-basierte Anwendungen, gemessen an den heutigen Standards, relativ teuer, langsam und unsicher waren.

Kurt Servatius: "Die Einführung der EDV in der Allianz brachte neue Karrierechancen mit sich"

Servatius: Mit Sicherheit war und ist die Standardisierung einer der zentralen, treibenden Faktoren für Veränderung. Beispielsweise ist die Hardware heutzutage mit kompatiblen Chips ausgestattet und Hardwarekomponenten können nach Bedarf kombiniert werden. Die Datenspeicherung ist ebenfalls standardisiert. Standardisierte Dateiformate können gleichermaßen auf Großrechnern wie auf Desktop-Computern eingesetzt werden. Das bedeutet, dass Nutzer online arbeiten und in Echtzeit Daten eingeben und bestätigen können.

Auch steht zunehmend Software zur Verfügung, die für die Kernprozesse der Finanzdienstleistung standardisiert wurde. Und selbst Spezialsoftware, die von Experten entwickelt und betrieben wird, nutzt heutzutage gemeinsame Konventionen und Schnittstellen.

Diese Standardisierung und die exponentiell gewachsene Schnelligkeit und Kapazität der IT bei Hardware und Netzwerken hat Unternehmen wie der Allianz in den vergangenen Jahrzehnten enorme Möglichkeiten eröffnet, ihre IT-Infrastruktur kontinuierlich und kosteneffizient zu verbessern.

In der Ausstellung fanden Allianz Mitarbeiter Gefallen am Lochkartenstanzen

Servatius: 1956 installierte die Allianz ihren ersten Großrechner. Damals war die IBM 650 (ein Magnettrommelspeicher-Datenverarbeitungsgerät) das Herz der neuen EDV-Zentrale der Allianz in München. Tatsächlich war er auch der erste Großrechner in der europäischen Assekuranz.

In den folgenden drei Jahrzehnten wuchsen die IT-Investitionen in der Sach- und Unfallversicherung ständig weiter. Fortlaufend plante die Allianz für die nächste Computergeneration. Schon unsere Größe allein verlangte, dass wir immer an der Spitze der Entwicklung waren und blieben.

In den späten 90er Jahren begann die Allianz, verschiedene EDV-Einheiten in Deutschland zu zentralisieren. 1998 gründete sie mit der AGIS ihren eigenen IT-Dienstleister in Deutschland. Dies führte auch die IT-Abteilungen dreier verschiedener Allianz Einheiten in Deutschland unter einem Dach zusammen: Allianz Sachversicherung, Allianz Leben and Allianz Private Krankenversicherung.

Mit der Integration der Dresdner Bank in die Allianz im Jahre 2001 begann eine intensive Zusammenarbeit mit dem IT-Dienstleister der Bank, der DREGIS. Im Januar 2002 wurden AGIS und DREGIS unter einer Managementstruktur vereint, um sowohl für das Versicherungs- als auch für das Bankgeschäft eine standardisierte und kosteneffiziente Systemlandschaft zu schaffen.

Servatius: Das geschieht bereits und ich erwarte, dass die Internationalisierung weitergeht. Allianz Töchter in Österreich und der Schweiz nutzen bereits unser Rechenzentrum in München. Und seit geraumer Zeit sind internationale Töchter der Dresdner Bank in das zentrale Banksystem in Deutschland integriert, das ebenfalls von der AGIS betrieben wird.

Bei der Konzeption einer IT-Organisation darf IT nicht nur als Kostenverursacher betrachtet werden. Viel wichtiger ist, dass sie einen Wettbewerbsfaktor darstellt. Zu einer guten IT-Infrastruktur gehören drei Dinge: Qualität, Sicherheit und Kosteneffizienz. Erreicht werden diese durch Betriebsgröße sowie durch weitgehende Standardisierung und Automatisierung. Anders gesagt, wir müssen die IT-Infrastruktur weiter industrialisieren, auch für die Allianz-Gesellschaften in anderen Ländern. Dadurch können wir insgesamt die Wettbewerbsfähigkeit der Allianz verbessern.

Nehmen Sie als gutes Beispiel dafür die Allianz Niederlande, die ihre Großrechner in unser Rechenzentrum in München integrieren will.

Lex de Grunt: Angesichts der Entwicklung der IT-Infrastruktur in den letzten Jahrzehnten ist es nicht länger nötig, eine eigene Großrechnerarchitektur zu besitzen und zu betreiben, wenn uns eine hochmoderne Alternative einfach zugänglich ist. Außerdem ist das Netzwerk durch die Breitbandtechnologie so schnell, dass wir in Echtzeit Zugang zum Rechenzentrum in München haben.

Die potentielle Auswirkung auf die operativen Kosten ist ebenfalls beträchtlich. Das bedeutet nicht nur kürzere Zeiten bei der Markteinführung neuer Produkte unter der Maßgabe sich ständig verändernder IT-Infrastruktur- und Anwendungsanforderungen. Wir sparen damit auch als Allianz Niederlande erheblich IT-Kosten und beteiligen uns an den Kosten der AGIS. Das schafft wiederum Skaleneffekte für die ganze Gruppe.

Lex de Grunt: "Kunden denken nicht an die IT, die unserem Geschäft zugrunde liegt. Warum sollten sie auch?"

de Grunt: Ich rechne nicht damit. Kernprozesse in Finanzdienstleistungen können bis zu einem gewissen Grad standardisiert werden. Aber die meisten Anwendungen müssen ganz spezifisch auf ein bestimmtes Versicherungsprodukt im jeweiligen Markt ausgerichtet sein. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum Beispiel hat jedes Land andere aufsichtsrechtliche Bestimmungen und jede Gesellschaft hat eine eigene Geschichte, zu der auch Fusionen mit anderen Gesellschaften und deren Altsystemen gehören.

Eine Ausnahme könnten die paneuropäischen Versicherungs- und Vermögensverwaltungs-Produkte sein, die im Kommen sind. Im Jahr 2006 hat die Allianz solche Produkte eingeführt, um den Bedürfnissen multinationaler Unternehmenskunden besser zu entsprechen. Ich kann mir vorstellen, dass für diese Kunden besondere Anwendungen entwickelt werden, um das internationale Geschäft zu managen. Bevor jedoch Anwendungen standardisiert und grenzüberschreitend eingesetzt werden können, muss eine grundlegend standardisierte IT-Infrastruktur vorliegen.

de Grunt: Alles in allem denken die meisten Versicherungskunden nicht an die IT, die unserem Geschäft zugrunde liegt. Warum sollten sie auch?

Natürlich können wir dank der IT-Entwicklungen der vergangenen fünfzig Jahre immer größere Datenmengen verarbeiten und unsere Betriebsanwendungen immer schneller und zuverlässiger einsetzen. Dadurch können wir auf Anfragen unserer Kunden schneller reagieren, zum Beispiel bei der Policenausgabe oder bei der Schadenbearbeitung.

Schon heute verhilft eine in Teilen gemeinsame IT-Infrastruktur den Allianz Vertretern zu einem besseren Überblick über die Policen, Anlagen und Sparverträge eines Kunden. Dadurch kann die Allianz den Kunden umfassender beraten, anhand dessen, was er bereits hat und was er möglicherweise brauchen könnte. Unsere integrierte Sicht auf den Kunden und seine Konten ist der Schlüssel zu dem integrierten Finanzdienstleistungsansatz, den wir schon auf verschiedenen Märkten eingeführt haben.

Schnelle und kompetente Dienstleistung – das ist es, was der Kunde sieht und nicht die IT-Infrastruktur, die unsere Geschäftsanwendungen stützt. IT-Infrastruktur ist dann perfekt, wenn sie funktioniert, ohne wahrgenommen zu werden.


Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen hier zur Verfügung gestellt wird.
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