Globales Geldvermögen erreicht neuen Rekordwert

Die Allianz hat heute die zweite Ausgabe ihres "Global Wealth Reports" vorgestellt, der die Vermögens- und Schuldenlage der privaten Haushalte in 50 Ländern analysiert. Danach hat sich die kräftige Erholung der Weltwirtschaft im vergangenen Jahr auch für die Sparer bezahlt gemacht: Das globale Brutto-Geldvermögen kletterte 2010 um 6,2% auf insgesamt 95.300 Mrd. EUR Damit wird der bisherige Rekordwert des Jahres 2007 erstmals wieder übertroffen.

Das starke Wachstum 2010 kann allerdings über die insgesamt verhaltene Entwicklung der letzten Jahre nicht hinwegtäuschen. In der zurückliegenden Dekade beträgt der durchschnittliche Zuwachs der Brutto-Geldvermögen 4,1% pro Jahr; in der Pro-Kopf Betrachtung reduziert sich dieser Wert auf 3,2%. "Verglichen mit dem weltweiten Wachstum und der Inflationsentwicklung in diesem Zeitraum sind diese Zahlen eher enttäuschend.", sagte Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz. "Die Sparer mussten den wiederkehrenden Finanzkrisen Tribut zollen."

Michael Heise: "Die Sparer mussten den wiederkehrenden Finanzkrisen Tribut zollen."

Nirgends wird dies deutlicher als in den etablierten Industrieländern. Hier war das durchschnittliche Wachstum deutlich niedriger als in der übrigen Welt und das Brutto-Geldvermögen pro Kopf lag auch Ende 2010 im Durchschnitt immer noch leicht unter dem Vorkrisenniveau. Demgegenüber verzeichneten die aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien, Lateinamerika und Osteuropa durchweg zweistellige Zuwachsraten im letzten Jahrzehnt. In den beiden zuerst genannten Regionen führte selbst die Finanzkrise nicht zu einem nennenswerten Rückgang des Wachstums. Insgesamt sind die Pro-Kopf-Geldvermögen in den ärmsten Ländern seit der Krise schon wieder um mehr als 50% gestiegen.

Trotz dieses sehr unterschiedlichen Tempos der Vermögensentwicklung sind Illusionen über das globale Wohlstandsgefälle jedoch fehl am Platze. Mit Blick auf die Durchschnittsvermögen ist die Lücke noch immer gewaltig: auf Basis der Wechselkurse Ende 2010 ist sie in den zurückliegenden zehn Jahren sogar auf knapp 90.000 EUR weiter angewachsen. Allerdings gelingt immer mehr Haushalten aus den ärmeren Regionen der Welt der Sprung in die globale Vermögensmittelschicht, die der „Global Wealth Report“ bei einem Brutto-Geldvermögen pro Kopf zwischen 6.000 EUR und 36.200 EUR ansiedelt. „Mittlerweile gehören 300 Millionen Menschen aus den Entwicklungs- und Schwellenländern zur globalen Vermögensmittelschicht, d.h. mehr als die Hälfte dieser wachsenden Gruppe kommt nicht mehr aus den „alten“ Industrieländern. Dies wird profunde Auswirkungen auf die weltweiten Finanz- und Vermögensmärkte haben.“, so Heise. Auch das Gesicht der Vermögensoberschicht wird immer globaler. Heute leben bereits mehr als 10% dieser Haushalte in den Entwicklungs- und Schwellenländern.

Mit einem durchschnittlichen Brutto-Geldvermögen pro Kopf von 60.123 EUR gehört Deutschland erwatungsgemäß zu den reicheren Ländern. Allerdings rangiert es nur auf Platz 17 der Rangliste der reichsten Länder. Wie im letzten Jahr wird diese Liste mit großem Abstand von der Schweiz angeführt, die bei diesem internationalen Vergleich nicht zuletzt von der Aufwertung des Franken profitierte. Auf den Plätzen 2 bis 5 folgen die USA, Japan, Dänemark und die Niederlande.

Der im europäischen Kontext relativ niedrige Wert für Deutschland reflektiert die geringe Kapitaldeckung der sozialen Sicherungssysteme. Beim Blick auf die Wachstumsraten der letzten Dekade schneidet Deutschland dagegen besser ab: Das durchschnittliche Wachstum des Pro-Kopf-Geldvermögens von 3,4% pro Jahr liegt über dem westeuropäischen Durchschnitt (3,1%). Seit der Finanzkrise gehört Deutschland – zusammen mit Österreich und den skandinavischen Ländern – sogar zur Gruppe der Länder mit den höchsten Vermögenszuwächsen. Auf der anderen Seite sind die Pro-Kopf-Geldvermögen in den Peripherieländern teils kräftig gesunken. In einem turbulenten Umfeld machen sich eine hohe Sparquote, eine deutlich konservativere Anlagestruktur und eine relativ niedrige Schuldenquote bezahlt.

Die beiden letzten Punkte sind zunehmend nicht nur für Deutschland charakteristisch. Weltweit und dabei besonders in den reicheren Ländern ist der Trend hin zu sicheren Anlagen unübersehbar. Seit 2000 hat der Anteil von Bankeinlagen am Vermögensportfolio um gut vier Prozentpunkte zugelegt, der von Wertpapieren rund fünf Prozentpunkte verloren. "So verständlich die Zurückhaltung der Anleger angesichts der Unsicherheiten auf den Märkten ist, so problematisch ist dieses Verhalten unter dem Aspekt eines langfristigen Vermögensaufbaus. Angesichts des demographischen Wandels und seiner Herausforderungen können sich die Sparer die Flucht in sehr risikoarme, aber eben auch renditeschwache Anlagen eigentlich nicht leisten", sagte Heise. "Dies zeigt wieder: Die Lösung unserer gegenwärtigen Krisen und damit die Rückgewinnung des Vertrauens der Anleger haben weitereichende Konsequenzen für das Sparverhalten – und damit eine enorme langfristige Tragweite auch für die nächste Generation."

Im Umgang mit privaten Schulden haben die Haushalte in Deutschland eine gewisse Vorreiterrolle: Hier ist die Schuldenquote (Schulden der privaten Haushalte in Prozent des BIP) in den vergangenen zehn Jahren mehr oder weniger kontinuierlich zurückgegangen, von 73% im Jahr 2000 auf 62% Ende 2010. Erfreulicherweise lässt sich dieser Trend mittlerweile auch im globalen Maßstab erkennen. Seit Ende 2007 hat sich die Schuldenquote um 3½ Prozentpunkte auf 67% verringert. Hinter diesem Wert verstecken sich jedoch große regionale Unterschiede, die eng mit der Vermögenshöhe korrelieren: Private Verschuldung ist vor allem ein Problem der reicheren Länder, wo die Schuldenquote im Durchschnitt bei 88% liegt. In den ärmsten Länder liegt sie dagegen gerade einmal bei 20%.

Dennoch unterstreichen diese Zahlen, dass das vielbeschworene "Deleveraging" tatsächlich stattfindet, zumindest bei den privaten Haushalten hat ein Umdenken in der Schuldenfrage eingesetzt. Dementsprechend sind auch die Netto-Geldvermögen (Brutto-Geldvermögen abzüglich Schulden) in den letzten beiden Jahren stärker als die Brutto-Geldvermögen gestiegen. Allerdings stellt dies in der letzten Dekade die Ausnahme dar. Über den gesamten Zeitraum hinweg war das durchschnittliche Wachstum der Netto-Geldvermögen mit 3,3% bzw. 2,4 % (Pro-Kopf) deutlich niedriger.

 
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