Reale Werte

Zwar liegen die Frühindikatoren überwiegend noch im expansiven Bereich, scheinen ihren Höhepunkt aber überschritten zu haben. So ist eine zwischenzeitliche Wachstumsabschwächung zu spüren, wenngleich diese teilweise auf temporäre Faktoren zurückzuführen ist (u. a. hoher Ölpreis, Produktionsstörungen in Folge des Erdbebens in Japan). Das Risiko einer ernsten Konjunktureintrübung scheint aber gering: Die Wachstumsländer weisen eine anhaltend hohe Eigendynamik auf, die Unternehmen erfreuen sich einer guten Auftragslage und die Geldpolitik ist in den Industrieländern
weiterhin expansiv.

Hinsichtlich der EU-Schuldenproblematik haben sich die Staats- und Regierungschefs der Euroländer auf ein neues Stützungspaket
geeinigt. Der Kommentar in Kürze: Griechenland kann durchatmen. Die Finanzmärkte auch. Die Finanzierungskosten durch die European Financial Stability Facility sinken, die Laufzeiten werden verlängert, private Gläubiger werden sich freiwillig einbringen. Der Risikoherd wurde somit eingegrenzt, das sollte stabilisierend auf die Märkte wirken. Der Schuldenabbau bleibt jedoch mittel- bis langfristig auf der Agenda – das Gleiche gilt auch für die USA.

In den großen Industriestaaten wurde Wachstum künstlich mit Schulden erkauft – das ist "irreales" und nicht nachhaltiges Wachstum. Diese Problematik dürfte sich auch auf dem Anleihemarkt bemerkbar machen: steigende Renditen in Folge des hohen Refinanzierungsbedarfs. Hinzu kommen steigende Inflationsgefahren, vor allem aus den Wachstumsländern – keine guten Rahmenbedingungen. Bei den aktuell niedrigen Nominalrenditen bleibt den Anleiheinvestoren real ohnehin nicht mehr viel. – Das rückt "reale Werte" in den Mittelpunkt.

Dabei sollten sich Anleger auf der Suche nach „realen Werten“ eher an den Bewertungen der Aktienmärkte orientieren. Denn diese sind im Vergleich zu Anleihen attraktiv. Zudem stimmt diese Berichtssaison für das zweite Quartal 2011 zuversichtlich – 74 Prozent der US-Unternehmen konnten die Markterwartungen übertreffen. Und: Die Investoren scheinen aktuell stark zurückhaltend zu sein, oft ein guter Kontraindikator für "reale Werte".

Stefan Scheurer, Senior Analyst Kapitalmarktanalyse von Allianz Global Investors

 
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen hier zur Verfügung gestellt wird.
Link zum Disclaimer