Klimawandel Herausforderung, aber auch Chance

Der Klimawandel ist eine Realität. Darüber bestand auf dem Podium der 11. Benediktbeurer Gespräche der Allianz Umweltstiftung unter der Überschrift "Unter Palmen am Chiemsee? – Der Klimawandel und seine möglichen Folgen" am 4. Mai 2007 Einigkeit. Die fünf Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien waren sich darüber im klaren, dass die Temperaturen weiter ansteigen und die Menge und Verteilung der Niederschläge sich weiter verändern werden.

Die notwendige Reduktion klimaschädlicher Gase wird – wenn sie denn stattfindet – erst in mehreren Jahrzehnten Wirkung zeigen. Trotzdem sollte die Menschheit jetzt handeln, auch hier widersprach keiner. "Bei keinem Thema sitzt die Menschheit so in einem gemeinsamen Boot", stellte Karl Geißinger, Rektor des Zentrums für Umwelt und Kultur in Benediktbeuern, bei seiner Begrüßung treffend fest.

Otto Steinmetz: "Der Handel mit Emissionszertifikaten muss transparenter werden"

Trotzdem fiel das Wort "Klimakatastrophe" in Benediktbeuern kaum. Schließlich birgt die Klimaveränderung neben Herausforderungen auch Chancen. So rechnet der Garmischer Klimaforscher Wolfgang Seiler mit einer erheblichen Zunahme des sommerlichen Tourismus am Nordrand der Alpen – auf Kosten des Wintersports.

Auch für Dresdner Bank Vorstandsmitglied Otto Steinmetz, in der Allianz Gruppe für das Thema "Klima" zuständig, ist der Klimawandel ein "Business Case". Seine negativen Folgen spüren Finanzdienstleister schon jetzt, führte er aus: 40 Prozent aller weltweit versicherten Schäden sind wetterbedingt. Neben Versicherungen sind Banken, zum Beispiel  durch die erschwerte Einschätzung der Fähigkeit von Unternehmen, langfristige Kredite zurückzuzahlen, ebenso betroffen wie Vermögensverwalter – schließlich reagieren die Börsen empfindlich auf Naturkatastrophen.

Doch auch hier bieten sich neben den Risiken erhebliche Chancen. Risiken anderer zu übernehmen ist eine Kernaufgabe der Finanzindustrie – wo Versicherungen nicht mehr kalkulierbar wären, bieten sich alternative Modelle wie Wetterderivate an.

Klare Forderungen stellte Steinmetz an die Politik: "Der Handel mit Emissionszertifikaten und die Informationspolitik in der EU müssen transparenter werden. Die Preise wären dann weniger volatil gewesen, wenn weniger Zertifikate ausgegeben würden, die zudem ihren Wert dauerhaft behalten sollten", führte er aus. "Darüber hinaus muss die Zuteilung von Zertifikaten unter dem Bedarf liegen, um CO2-Reduzierungen zu erreichen. Folgerichtig sollten die Unternehmen die Zertifikate nicht kostenlos erhalten, sondern ersteigern , um der öffentlichen Hand Mittel zuzuführen, die z.B. in die Forschung von erneuerbaren Energien fließen sollten."

Steinmetz' These, dass Klimaschutz-Politik nur global nachhaltig erfolgreich sein könne, ist ebenso schwer zu leugnen wie die Beobachtung der baden-württembergischen Umweltministerin Tanja Gönner, dass mit diesem Argument viele Maßnahmen auf die lange Bank geschoben würden. Immerhin: für das Jahr 2025 prognostizierte Gönner zwar mehr Hitzewellen und Naturkatastrophen, einen steigenden Kampf um Trinkwasser und erhöhten Migrationsdruck, aber auch ein wirksames weltweites Klimaabkommen, eine erhebliche Zunahme erneuerbarer Energien sowie klimafreundlichere Fahr- und Flugzeuge.

Die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner

Von links: Nico Stehr, Tanja Gönner, Lutz Spandau, Wolfgang Seiler, Otto Steinmetz, Uwe Wesp

Die Medien, folgt man dem ZDF-Meteorologen Uwe Wesp, können zum praktischen Klimaschutz nur wenig beitragen. Neben der warnenden Berichterstattung nannte er die Warnungen des Deutschen Wetterdienstes vor extremen Wetterereignissen wie dem Orkan "Kyrill" im Januar 2007, die über die Medien schnell verbreitet wurden.

Der Friedrichshafener Kulturwissenschaftler Nico Stehr griff diesen Aspekt auf und erinnerte daran, dass nicht nur das Klima vor dem Menschen, sondern auch der Mensch vor dem Klima geschützt werden muss.

So wäre der Begriff "Hitzetod" irreführend, auch wenn im Rekordsommer 2003 in Europa mehr Menschen durch die Hitze starben als durch Verkehrsunfälle. Die Toten seien "Opfer gesellschaftlicher Zustände", die man mit einfachen Maßnahmen hätte schützen können – als Beispiel nannte er die Stadt Philadelphia, wo bei einer Hitzewelle Busse Gefährdete in klimatisierte Einkaufszentren brachten.

Ohne die langfristige Verminderung der Treibhausgase überflüssig zu machen, sei eine solche Politik der Vorsorge und Anpassung an Klimaveränderungen sowohl dringend notwendig als auch, wegen ihrer schnellen Wirkung, leichter durchzusetzen.

Auch wenn die Diskussionsteilnehmer die notwendigen Maßnahmen im einzelnen unterschiedlich gewichteten und es auch mehrere Meinungen zu den Chancen für Palmen am Chiemsee oder in Benediktbeuern gab – einig waren sie sich über die Größe der Herausforderung, die wohl größte dieses Jahrhunderts, wie Seiler formulierte. Panikmache sei trotzdem fehl am Platz, darin stimmten alle dem Vorstand der Umweltstiftung Lutz Spandau zu. Er forderte eine pragmatische und sachliche Debatte und eine Haltung, die sagt: "Wir werden das bewältigen. Wir kriegen das hin."


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