Höchste Zeit für mutige Klimaschutzmaßnahmen

Vor den UN-vermittelten internationalen Klimaverhandlungen COP26 befindet sich die Menschheit in einer gefährlichen Lage. In den letzten zwei Jahrhunderten haben wir unsere Atmosphäre mit Treibhausgasen (THG) gefüllt. Jetzt enthält sie mehr Kohlendioxid als zu jedem anderen Zeitpunkt in den letzten 4 Millionen Jahren.

Kohlendioxid ist das primäre Treibhausgas, das durch industrielle Produktion, Mobilität, Wohnen und andere menschliche Aktivitäten freigesetzt wird. Es hält die Sonneneinstrahlung in der Atmosphäre, so wie Glas die Wärme in einem Gewächshaus sammelt, und heizt unseren Planeten auf. Die Temperaturen sind heute etwa 1,2 Grad höher als vor dem Beginn der massiven Verbrennung fossiler Brennstoffe.

Der „Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen“ (Intergovernmental Panel on Climate Change, oder IPCC) aus dem Jahr 2021 macht deutlich, dass die plötzliche Zunahme extremer Wetterereignisse auf diesen Temperaturanstieg zurückzuführen ist. Die verheerenden Überschwemmungen in China und Deutschland, die beispiellosen Temperaturen in der Arktis und der "Hitzeglocke", die im pazifischen Nordwesten der USA Hunderte von Menschen tötete, tragen alle die Handschrift des Klimawandels. Und jede weitere Erwärmung, auch nur Bruchteile eines Grades, wird stärkere Niederschläge, einen höheren Anstieg des Meeresspiegels und intensivere Dürren und Waldbrände mit sich bringen.

Wir haben nicht alle Zeit der Welt

In Paris einigten sich 2015 fast alle Länder der Welt, die globale Durchschnittstemperatur auf "deutlich unter 2 °C" über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, idealerweise aber nicht mehr als 1,5 °C steigen zu lassen. Wissenschaftler sind der Ansicht, dass 2,0 °C der "Wendepunkt" ist, danach wird es nicht mehr gelingen,  den Planeten zu retten. Die von den Vereinten Nationen einberufene Pariser Konferenz markierte eine noch nie dagewesene politische Anerkennung der Risiken des Klimawandels. Die versammelten Nationen unternahmen einen ehrgeizigen Schritt, indem sie sich zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen verpflichteten, die als Nationally Determined Contributions (NDCs) bezeichnet werden.

Die Unterzeichner sollten ihre NDCs bis Juli dieses Jahres aktualisieren. Bis Mitte Oktober hatten nur 70 Länder eine Aktualisierung eingereicht. Noch schlimmer ist, dass keine der großen Volkswirtschaften der Welt - einschließlich der gesamten G20 - einen Klimaplan hat, der ihren Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen entspricht. Und das trotz der Warnung von Wissenschaftlern, dass tiefe Einschnitte bei den Treibhausgasen jetzt notwendig sind.

Klimakatastrophen bedrohen unseren Planeten

Die Mehrheit der internationalen Klimawissenschaftler erklärt, dass wir uns auf einen planetarischen Notfall zubewegen und dass die Begrenzung der globalen Erwärmung und die Anpassung an häufigere Wetterextreme entscheidend sind. Der Versicherungssektor - und insbesondere Global Player wie die Allianz - ist diesen Risiken ebenfalls ausgesetzt. Der Klimawandel wirkt sich zunehmend auf unser Geschäft aus: zum Beispiel durch Versicherungspolicen, die Gesundheits-, Sach- und andere Schäden abdecken, sowie durch Veränderungen in den von uns gezeichneten Sektoren und Geschäftsmodellen.

Als großer institutioneller Investor mit bedeutenden Beteiligungen an Volkswirtschaften, Unternehmen, Infrastrukturen und Immobilien sind unsere Vermögenswerte zudem zunehmend vom Klimawandel und knappen Ressourcen betroffen. Dies beeinflusst  den Wert der Anlagen und ihre Fähigkeit, langfristige Erträge zu erwirtschaften. Aber es geht nicht nur um ein ausgewogenes Portfolio, wir wollen Veränderungen in der Realwirtschaft bewirken und haben uns als Großinvestor deshalb verpflichtet, den globalen Übergang zu einer 1,5°C-Wirtschaft voranzutreiben.

Die Allianz ist sich bewusst, dass der Klimawandel Auswirkungen auf unsere Kunden und die Gesellschaft haben wird. Wir berücksichtigen daher systematisch Nachhaltigkeitskriterien bei allen Versicherungs- und Investmentaktivitäten. Eine globale Herausforderung kann nicht allein gelöst werden. Deshalb schließen wir uns in branchenweiten Netzwerken zusammen und arbeiten mit anderen Versicherungsunternehmen und internationalen politischen Organisationen an der Etablierung von Nachhaltigkeits- und Netto-Null-Standards für den Versicherungssektor.

Eine unserer Partnerschaften ist die von den Vereinten Nationen einberufene Net-Zero Asset Owner Alliance (AOA), deren Gründungsmitglied wir sind. Dieses Netzwerk engagierter institutioneller Anleger hat inzwischen 56 Mitglieder, darunter Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften, die ein verwaltetes Vermögen von 9,3 Billionen Dollar repräsentieren. Die Mitglieder verpflichten sich, ihre Portfolios bis spätestens 2050 schrittweise auf eine Netto-Null-Emission von Treibhausgasen umzustellen. Als erstes Zwischenziel erreichen die Mitglieder bereits bis 2025, dass der CO2-Fußabdruck ihres Portfolios um 16 % bis 25 % reduziert ist. Alle Mitglieder planen, regelmäßig über ihre Fortschritte zu berichten.

In Anlehnung an dieses erfolgreiche Konzept ist die Allianz kürzlich der neu gegründeten Net-Zero Insurance Alliance und der Net-Zero Asset Manager Allianz beigetreten.

Die Allianz hat die Partnerschaften mit gegründet, weil wir glauben, dass die Kapitalmärkte eines der wichtigsten Instrumente im Kampf gegen den Klimawandel sind. Vermögenseigentümer, Vermögensverwalter und Versicherer haben die einzigartige Möglichkeit, Kapitalströme zu verlagern, um den Übergang zu sauberer Energie zu beschleunigen und eine Netto-Null-Wirtschaft aufzubauen.

Außerdem haben wir bereits 2015 die Finanzierung kohlebasierter Geschäftsmodelle eingestellt. Seitdem werden keine neuen Investitionen mehr getätigt, Beteiligungen wurden veräußert und vor 2015 erworbene festverzinsliche Investitionen sind in der Abwicklung. Bis 2030 (Asien 2040) werden kohlebasierte Geschäftsmodelle in unseren Versicherungs- und Eigenanlagen auslaufen. In unserem eigenen Haus wollen wir bis 2023 gruppenweit 100 % erneuerbaren Strom beziehen.

Dieses Jahrzehnt ist entscheidend

Mit der bevorstehende COP26 gibt es mehr Anreiz und Engagement denn je, den Klimawandel zu bekämpfen. Die Allianz ist der Ansicht, dass wir diese Gelegenheit nutzen müssen, um konkrete Maßnahmen und Veränderungen anzuregen.

Es wäre ein schlechtes Ergebnis von Glasgow, wenn die Regierungen lediglich bestehende Zusagen wiederholen und keine sinnvollen Maßnahmen ergreifen, die zu einem schnellen Übergang zu einer kohlenstoffarmen, auf erneuerbaren Energien basierenden Wirtschaft führen. Wissenschaftler haben ausgerechnet, dass die Welt die Emissionen in diesem Jahrzehnt um die Hälfte reduzieren muss, bevor sie bis 2050 auf null reduziert werden können. Leider werden die Kohlenstoffemissionen bis 2030 eher um 16 % steigen.

Länder, die mehr als die Hälfte der Weltwirtschaft repräsentieren, sind jedoch bereits über die in Paris gesetzten Ziele hinausgegangen und haben sich verpflichtet, die Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Zudem bereiten die USA und weitere Länder Netto-Null-Zusagen für die COP26 vor. Damit könnten mehr als drei Viertel der Weltwirtschaft auf dem Weg zur vollständigen Dekarbonisierung bis Mitte des Jahrhunderts sein. Wenn eine solche kollektive Aktion in Glasgow zustande kommt, wäre das ein gutes Ergebnis und würde das Ziel des Pariser Abkommens, die Erderwärmung deutlich unter 2˚C zu halten, erreichbar machen.

Ehrgeiziger wäre es, wenn die Politiker die Messlatte höher legen und  aufhören, fossile Brennstoffe mit Subventionen zu unterstützen, die die Energiemärkte verzerren. Positiv wäre es auch, wenn sie Programme zur Transparenz der Finanzmärkte im Einklang mit dem Pariser Abkommen unterstützen würden. Außerdem sollten sie Länder und Regionen dazu ermutigen, einen strengen marktbasierten Preis für Kohlenstoff zu verwenden, damit die Märkte die tatsächlichen Kosten der Kohlenstoffemissionen berücksichtigen können.

Der Klimawandel ist kein Problem, das aufgeschoben werden kann. Er ist bereits da, und die Auswirkungen sind bereits zu kostspielig für die Menschen und unseren Planeten. In diesem Jahrzehnt müssen entscheidende Fortschritte erzielt werden, um das Ziel von 1,5°C in der Mitte des Jahrhunderts zu erreichen. Weitere Verzögerungen bedeuten dramatisch mehr Schaden und weitaus höhere Kosten, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen.

Als einer der größten Versicherer und institutioneller Anleger der Welt werden wir unseren Teil dazu beitragen, um den Klimawandel zu stoppen. [BR(S4] Wir sind bereit, kurzfristige Auswirkungen auf unsere Portfolios in Kauf zu nehmen. Wir investieren langfristig und nutzen unsere Einflussmöglichkeiten, um einen fairen Übergang zu einer kohlenstoffarmen Zukunft zu gestalten.