Mehr als nur Brüssel
In seiner Eröffnungsrede vertrat Ischinger die These, dass die Kultur an sich weit mehr als nur ein nettes Accessoire für die politischen Institutionen Europas sei. "Kultur ist für unsere Sicherheit, unsere Stabilität, unser Wohlbefinden und unseren Wohlstand absolut unerlässlich", sagte Ischinger.
"Eines der Probleme, mit denen wir in Europa konfrontiert sind, ist, dass Europa oft mit Brüssel, Luxemburg oder Straßburg gleichgesetzt wird", sagte der Präsident der Europäischen Kommission José Manuel Barroso in seiner Keynote-Rede. "Natürlich sind diese Orte für unser Europa von institutioneller Bedeutung, aber Europa ist mehr als nur Brüssel; Europa sind wir."
"Wir können kein Europa bauen, das nur auf den Verantwortlichkeiten der europäischen Institutionen basiert", fügte Barroso hinzu. "Wir müssen Europa für die Bürger Realität werden lassen."
Aber laut der zivilgesellschaftlichen Initiative "A Soul for Europe", die Bürger und Politiker aus dem gesamten Kontinent in Kontakt bringt, ist genau das noch nicht geschehen. Die Initiative beklagt, dass Kultur im Gegensatz zur Bürokratie, den Finanzen und der Regulierung allzu oft in den Hintergrund gedrängt wird. Anstatt für stärkere finanzielle Unterstützung für Kultur und Geisteswissenschaften zu werben, will die Gruppe Kultur als Instrument nutzten, das eine stärkere europäische Integration fördern kann.
Der deutsche Filmemacher Wim Wenders ist der Ansicht, dass die europäische Integration nie wirklich über ein rein "technisches und wirtschaftliches Unterfangen" hinaus gekommen sei.
"Aber die Menschen brauchen mehr", sagte Wenders bei der Konferenz. "Sie brauchen eine Seele, sie brauchen Gefühle und Ideen. Ihre Identifikation mit Europa und ihr Zusammengehörigkeitsgefühl müssen noch weiter genährt werden. Was fehlt, ist einfach die Kultur im weiteren Sinne."
"Wann immer sich Europa in der Krise befindet, wenn Europas Ruf in den Dreck gezogen wird, dann ruft Europa manchmal seine Künstler und Intellektuellen und Filmemacher, um das Image wieder aufzupolieren", sagte Wenders. "Aber wir sind keine regelmäßigen Gäste in Brüssel ... Wir bleiben Zaungäste, Zuschauer - wenn überhaupt, dann schmückt man sich manchmal mit uns."
Der ungarische Schriftsteller Gyorgy Konrad sagte, für die Teilnahme an der Konferenz sei eine gute Portion Ironie vonnöten, denn Europa habe viele Seelen und viele Geschichten. "Europa nur eine einzige Seele geben oder für Europa nur eine Seele finden zu wollen, ist eine Chimäre."