Zuversicht ist aktiv: 

Was können wir selbst, unmittelbar und konkret tun?

Busch: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Zuversicht zu entwickeln. Entscheidend ist, dass man Zuversicht von Hoffnung abgrenzt. Zuversicht bringt Menschen in schwierigen Zeiten mehr als Hoffnung. Hoffnung ist etwas, was wir passiv erwarten. Wir hoffen, dass wir gesund bleiben oder dass wir unseren Arbeitsplatz behalten. Zuversicht hat dagegen ein aktives Momentum. Ein deutscher Spitzenpolitiker hat es einmal treffend gesagt: „Zuversicht ist Arbeit an der Hoffnung.“ 

Zuversicht entsteht, wenn wir uns auf das konzentrieren, was wir in einer Situation unmittelbar, jetzt, sofort und selbst tun können. Ein Beispiel: Wenn ein Unternehmen in eine finanzielle Schieflage geraten ist, dann bringt es wenig, darauf zu hoffen, dass die Marktsituation sich in fünf Jahren verändert und man wieder prosperiert. Sondern es ist viel besser, sich auf das zu konzentrieren, was man jetzt selbst konkret tun kann.

Busch: Möglichkeiten aktiv zu werden, gibt es immer. Wenn mich die Erderwärmung umtreibt, bringt es wenig darauf zu hoffen, dass wir das Problem in 30 Jahren schon irgendwie werden lösen können. Stattdessen sollte man sich besser darauf konzentrieren, was man selbst tun kann: Wie kann ich nachhaltiger leben, meinen eigenen CO2-Fussabdruck verringern? Ein anderer geht auf eine Protestaktion oder der nächste meldet sein Auto ab.

Wichtig ist ins Handeln zu kommen, denn dann passiert etwas sehr Gutes im Gehirn: In dem Moment, in dem ich aktiv werde, baue ich Ängste ab. Und Studien zeigen, dass dieser positive Effekt schon dann eintritt, wenn wir anfangen zu handeln – und nicht erst dann, wenn ein Problem vollständig gelöst ist. Das lässt sich auf persönliche Herausforderungen übertragen – wenn ich als übergewichtiger Diabetiker 20 Kilo abnehmen soll und mich jeden Monat über ein Kilo weniger freue –, aber auch auf gesellschaftliche Probleme wie Überfremdung und die Migrationsdebatte.

Busch: Der gesellschaftliche Spaltung liegen oft diffuse Ängste zugrunde. Wenn wir uns in Deutschland überfremdet fühlen von Menschen aus dem Ausland, die unsere Sprache und Kultur nicht kennen, dann hilft es wenig allein darauf zu hoffen, dass die europäische Politik in den nächsten Jahren Lösungen finden wird. So bleiben wir nur passiv. Was helfen würde, ist aktiv Kontakte zu knüpfen zu Menschen, vor denen ich Angst habe, dass ich Menschen aus einem anderen Kulturkreis kennenlerne und merke, dass sie mir in vielen Bereichen des Lebens weitaus ähnlicher sind als ich es erwartet hätte. Die meisten Menschen teilen gleiche Hoffnungen, Wünsche und Ängste. Und in diesem Moment, ich dem ich merke, hier kann ich konkret etwas tun, man kann sich verständigen und austauschen, baue ich Ängste ab.
Busch: Wir malen heute mit einer unglaublichen medialen Wucht eine Apokalypse nach der anderen an die an die Wand, so dass sich viele Menschen hilflos fühlen. Aus der psychiatrischen Forschung wissen wir, dass es Menschen in die Passivität treibt, wenn sie keine Aussicht auf eine bessere Zukunft haben und nur noch einen Untergang nach dem nächsten prophezeit bekommen. Ich vergleiche das immer mit einem Hotel – niemand möchte ein Zimmer mit Blick auf den Hinterhof und Mülltonnen, jeder ein Zimmer mit Aussicht aufs Meer oder die Berge. Und was uns momentan fehlt, ist eine Vision von unserem Land, die Aufbruchstimmung erzeugt. Helmut Schmidt soll einmal gesagt haben, wer Visionen hat, solle zum Arzt gehen. Das halte ich für falsch. Ein Vision zu haben, ist sehr wichtig. Sie bewegen mich in Richtung einer erstrebenswerten Zukunft.

Busch: Schlechte Nachrichten und fake news befallen uns wie virale Erreger. Sie stecken uns mit negativen Gefühlen an, machen uns dünnhäutig und überempfindlich. Trotzdem halte ich es für keine Lösung komplett auf Medienkonsum zu verzichten, Informationen sind wichtig, wir können uns nicht vor der Welt verbarrikadieren. Es ist wie bei Rotwein und Schokolade – eine Frage der Dosis. Wer durchgängig eine Schlagzeile nach der nächsten auf dem Handybildschirm zu sich nimmt, versetzt sein Gehirn mit Informations-Konfetti in Daueralarm. Man sollte man sich lieber bewusst eine Stunde am Tag Zeit nehmen, um Medienbeiträge von Anfang bis zum Ende zu lesen oder zu hören und Hintergründe und Kontext zu verstehen. Das erfordert natürlich eine gewisse Bereitschaft und Disziplin.

Dabei ist es wichtig, dass die Geschichten, die wir von der Welt lesen und hören, auch zu Ende erzählt werden – und dass wir sie zu Ende lesen und nicht allein bei negativen Schlagzeilen stehen bleiben. Wir erfahren meistens nur, was nicht klappt und funktioniert, aber in vielen Fällen werden die Dinge Schritt für Schritt verbessert und entwickeln sich weiter. Wir hören, wie viele Wohnungen fehlen, aber nicht wie viele jedes Jahr neu gebaut werden. Dieser Dauerfokus auf das Defizitäre ist nicht gut für Gehirn und Gemüt. Gleich ob als Politiker, Journalist oder Führungskraft: Es ist wichtig, dass wir die Geschichten vollständig und zu Ende erzählen – ein bisschen, wie wir unseren Kindern als Eltern Märchen erzählen von Anfang bis zum Ende – und bewusst auch dem Guten, Gelungenen und Geschafften Raum geben.

Die beste Tageszeit für Nachrichtenkonsum ist der Mittag. Früh morgens kann es Studien zufolge die Stimmung für den Rest des Tages beeinträchtigen. Abends oder erst recht direkt vor dem Schlafengehen können uns schlechte Nachrichten aufwühlen und um den Schlaf bringen. Zu später Stunde sollte man lieber dankbar und bewusst auf die guten Ereignisse des zurückliegenden Tages blicken.

Prof. Dr. Volker Busch ist seit mehr als 20 Jahren als Arzt, Wissenschaftler an der Universität Regensburg, Autor und Vortragsredner tätig. Er forscht an den Zusammenhängen zwischen Stress, Schmerz und Emotionen. Therapeutisch begleitet er Menschen auf dem Weg zu mentaler Gesundheit, Zufriedenheit und mehr Inspiration im Beruf und Alltag. Seine Veröffentlichungen „Kopf frei!“ und „Kopf hoch“ waren auf den Spiegel-Beststellerlisten. Er ist Herausgeber des bekannten Podcast „Gehirn Gehört“.

Weitere Informationen auf  www.drvolkerbusch.de.

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Die Allianz Gruppe zählt zu den weltweit führenden Versicherern und Asset Managern und betreut rund 128 Millionen* Privat- und Unternehmenskunden in knapp 70 Ländern. Versicherungskunden der Allianz nutzen ein breites Angebot von der Sach-, Lebens- und Krankenversicherung über Assistance-Dienstleistungen und Kreditversicherung bis hin zur Industrieversicherung. Die Allianz ist einer der weltweit größten Investoren und betreut im Auftrag ihrer Versicherungskunden ein Investmentportfolio von etwa 776 Milliarden Euro**. Zudem verwalten unsere Asset Manager PIMCO und Allianz Global Investors etwa 1,9 Billionen Euro** für Dritte. Mit unserer systematischen Integration von ökologischen und sozialen Kriterien in unsere Geschäftsprozesse und Investitionsentscheidungen sind wir unter den führenden Versicherern im Dow Jones Sustainability Index. 2024 erwirtschafteten über 156.000 Mitarbeiter für den Konzern einen Umsatz von 179,8 Milliarden Euro und erzielten ein operatives Ergebnis von 16,0 Milliarden Euro.
* Einschließlich nicht konsolidierter Einheiten mit Allianz Kunden.
** Stand: 31. Dezember 2024
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:
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