Jetzt im Nachhinein sieht es fast so aus, als hätten alle Stationen im Berufsleben von Giulio Terzariol geradewegs in die Vorstandsetage der Allianz geführt: Summa cum laude im Fach Business Administration an der Bocconi-Universität in Mailand, Ausbildung bei Generali in München, Analyst im Bereich Konzernplanung und Controlling der Allianz SE, Finanzchef der Allianz Asia Pacific in Singapur, acht Jahre bei Allianz Life in den USA und schließlich vor einem Jahr die Rückkehr nach München, wo er seither den Bereich Konzernplanung und Controlling der Allianz SE leitet.
Dabei wäre Terzariol, als er 1998 zur Allianz kam, eigentlich lieber ins Portfolio-Management eingestiegen. Doch Helmut Perlet, damals Finanzchef der Allianz, heute ihr Aufsichtsratsvorsitzender, hatte mit dem jungen Mann aus San Donà di Piave, einer Kleinstadt bei Venedig, anderes im Sinn. Nachdem er die Arbeit des Italieners einige Jahre beobachtet hatte, schlägt er ihn 2004 als Chief Financial Officer (CFO) für die Allianz in Singapur vor. „Nicht jeder hat das damals für eine tolle Idee gehalten“, erzählt Terzariol und lacht. Zu jung, zu unerfahren, lauteten die Einwände. Doch der zuständige Vorstand Werner Zedelius unterstützt Perlets Vorschlag. „Für diesen Vertrauensbeweis bin ich beiden bis heute dankbar“, sagt Terzariol. Nachdem sich unter seiner Ägide innerhalb von zwei Jahren die Kapitalrendite im Lebensversicherungsgeschäft in Asien verdoppelt hatte, waren auch die letzten Zweifel ausgeräumt.
Terzariol ist ein ruhiger, einfühlsamer Typ, dem man zutraut, ein guter Zuhörer zu sein. Was freilich nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass er durchaus in der Lage ist, schwierige Entscheidungen zu treffen. „Wenn’s drauf ankommt, sind die Ruhigen häufig entschlossener als die Extrovertierten“, sagt er.
2007 zieht Perlet den Finanzexperten aus Singapur ab und schickt ihn auf eine heikle Mission zu Allianz Life in die USA. Terzariol ist dort nicht Chef der Finanzen, sondern für Unternehmensplanung und Analyse zuständig. Auch der Gehaltsscheck fällt bescheidener aus. Doch was man von außen betrachtet wie einen Abstieg hätte interpretieren können, stellt sich schon bald als wichtiger Karriereschritt heraus – und als bedeutsame persönliche Erfahrung. „Die USA sind für mich und meine Familie zu einem zweiten Zuhause geworden“, sagt er. Der Vater eines Sohns und einer Tochter mag die positive Einstellung der Amerikaner, ihre Can do-Haltung. „Wir haben uns dort sehr wohl gefühlt.“
Ein Jahr nach seiner Ankunft in Minneapolis übernimmt er das Fi-nanzressort und trägt in enger Abstimmung mit dem Finanzchef der Gruppe – zunächst Oliver Bäte, danach Dieter Wemmer – dazu bei, die ins Schlingern geratene Allianz Tochter wieder auf Erfolgskurs zu führen. 2013 wählt ihn das Minneapolis/St. Paul Business Journal zum Finanzchef des Jahres.
Seine künftige Aufgabe als Finanzvorstand der Allianz sieht Terzariol, der Englisch, Deutsch und Italienisch spricht, vor allem in der des Beraters und Impulsgebers. „Du hast einen Athleten, der alle Voraussetzungen für einen Champion mitbringt, aber als Coach kannst du ihm zeigen, wo er noch Potential hat, um das Beste aus sich herauszuholen“, sagt er. Als passionierter Langstreckenläufer und Bergwanderer bringt Terzariol für die Rolle gute Voraussetzungen mit.
Er übernimmt den Posten in einer schwierigen Zeit. „Bei Rückenwind ist es einfach, Ergebnisse zu liefern“, sagt der künftige Finanzvorstand. „Doch erst bei Gegenwind zeigt sich, ob man die Instrumente hat, um das Geschäft erfolgreich zu managen.“ Der Allianz traut er das zu. Und sich auch.