Welche Auswirkungen hatte der Rückgang des Luftverkehrs 2009 auf die Luftfahrtindustrie?

"Man kann sagen, dass das Jahr 2009 ein Wendepunkt war: auf der einen Seite der Aufstieg der Fluggesellschaften der aufstrebenden Märkte und auf der anderen Seite die wachsenden Ambitionen der Flugzeughersteller dieser Länder auf einen Markt, der bisher von Airbus und Boeing dominiert wurde. Diese neue Wettbewerbssituation stellt eine große Herausforderung für die europäische Flugzeugindustrie dar", sagt Karine Berger, Chefökonomin bei Euler Hermes.

  • Ergebnis blieb stabil
    Aufgrund der Tätigkeit in langen Zyklen konnte die Flugzeugindustrie ihr Aktivitätsniveau aufgrund der vor Beginn der Krise gewonnenen Aufträge aufrechterhalten, die einen Produktionswert von sechs oder sieben Jahren darstellen. Obwohl die Neuaufträge im Jahr 2009 um 70 Prozent zurückgingen, stiegen sie bisher in 2010 um 50 Prozent im Vorjahresvergleich an, sodass die Flugzeughersteller mittelfristig wieder gute Perspektiven sehen.
  • Rückgang der Rentabilität nicht der Krise geschuldet
    Die operative Rentabilität (Betriebsgewinn geteilt durch den Gesamtumsatz) von Boeing Commercial Airplanes fiel von 4,2 Prozent in 2008 auf -1,7 Prozent in 2009 und die von Airbus Commercial von 8,7 Prozent auf 1,5 Prozent. Dieser Rückgang ist zurückzuführen auf die Kostenüberschreitungen aufgrund von Verzögerungen bei der Entwicklung und der Produktion, die beide Konstrukteure bei bestimmten Programmen erfahren mussten, insbesondere beim Airbus A380 und der Boeing 787.
  • Wettbewerb weitet sich aus
    Das Duopol von Airbus und Boeing sieht seine globale Dominanz mittelfristig bedroht durch das schnelle Wachstum von Herstellern wie Bombardier aus Kanada und mehr noch durch Comac aus China, Embraer aus Brasilien und Irkut aus Russland, insbesondere in dem Marktsegment für Standardrumpfflugzeuge mit mehr als 100 Sitzplätzen.
  • Innovationen werden entscheidender Faktor sein
    In diesem stärker wettbewerbsbestimmten Umfeld werden die Hersteller ihre Bemühungen intensivieren müssen, die Anforderungen der Fluggesellschaften hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs und der Kohlenstoffemissionen zu erfüllen.

"Diese Herausforderung lässt sich durch die Wahl der Triebwerke und der Verwendung von Verbundwertstoffen, um das Gewicht der Flugzeuge zu reduzieren, begegnen. Dies wird zur Hauptherausforderung der Industrien aufgrund des forcierten Tempos des Outsourcing in der Produktion, worin auch die Ursache für die augenblicklichen Schwierigkeiten von Boeing bei der B787 liegt", betont Bruno Goutard, Bereichsberater bei Euler Hermes.

Angesichts steigender Marktkraft der Billigfluganbieter im regionalen Verkehr müssen die traditionellen Fluggesellschaften ein neues Wachstumsmodell erarbeiten

  • China und Mittlerer Osten konnten dem Kollaps 2009 entkommen
    Das wesentliche Wachstum dieser beiden Regionen übertrug sich in einen starken Anstieg der Passagiervolumina, in China um 11,6 Prozent und im Mittleren Osten um 24 Prozent. Angetrieben durch die Inlandsnachfrage berichten die chinesischen Fluggesellschaften von einer Nettomarge von 3,5 Prozent, während die führende Fluggesellschaft des Mittleren Ostens auf 8,5 Prozent kommt.
  • Europäische und amerikanische Fluggesellschaften schwer getroffen
    In den Vereinigten Staaten hatte der Rückgang im Passagierverkehr um 6 Prozent für unser Beispiel1 eine negative Auswirkungen (-4 Prozent) auf die Nettomarge der großen Fluggesellschaften, die ihrerseits darauf mit Einschnitten bei den Kapazitäten reagierten, und zwar zum erstmalig auch im Niedrigpreissegment. In Europa war der Rückgang im Verkehr weniger ausgeprägt (-0,7 Prozent), aber es gab einen Umsatzrückgang im Premiumbereich.
  • Amerikanische Fluggesellschaften sind durch Verschuldung gestraft
    In Kombination mit dem Rückgang der Rentabilität und dem damit einhergehenden freien Cashflow könnte die Verschuldung der Fluggesellschaften schwierig aufrecht zu halten sein. "Vergleicht man ihre Bruttoverschuldung mit dem freien Cashflow, so würde es für die amerikanischen Fluggesellschaften mehr als 18 Jahre dauern, ihre Kredite zurückzuzahlen - doppelt so lang wie bei den europäischen Unternehmen", erklärt Bruno Goutard.
  • Luftverkehr hat sich 2010 in allen Regionen erholt
    Die Erholung bezieht sich sowohl auf den Passagierverkehr (plus bis zu 7 Prozent) und den Frachtverkehr, der weltweit um 20 Prozent anstieg. Der Asien-Pazifik-Raum und auch der Mittlere Osten bleiben dabei weiterhin die dynamischsten Regionen.
  • US-amerikanische Fluggesellschaften machen 2010 wieder Gewinne
    Die Kapazitätsanpassungen in 2009 und die Erholung der Premium-Verkäufe haben zu dieser Erholung beigetragen (+2,5 Prozent) Die verschiedenen Fusionen und Allianzen, die unternommen werden, sollten die Rentabilität der Fluggesellschaften in 2011 unterstützen, und zwar aufgrund der verbesserten Kontrolle der Angebote und der Kosten.
  • Europäische Fluggesellschaften erholen sich dank Kostensenkungen
    Die 2009-2010 vorgenommenen Kostensenkungen, insbesondere bei den Arbeitskräften, ermöglichen es den Fluggesellschaften zusammen mit den Anpassungen bei den Angeboten in 2010 und 2011 in die Gewinnzone zurückzukehren, und zwar mit einer Nettomarge von 1 Prozent bzw. 2 Prozent.
  • Schwierig zu kontrollierender Faktor: Preis für Flugzeugtreibstoff
    Im Jahr 2008 führte der Höchststand des Ölpreises zu Rekordverlusten bei den Fluggesellschaften weltweit in Höhe von $ 16 Mrd. Im Jahr 2009 brachte die scharfe Korrektur des Ölpreises (40 Prozent niedriger im Vergleich zu 2008) begrenzte Verluste, dennoch ist dieser für die Kalkulation der Betriebskosten aller Fluggesellschaften wichtige Parameter schwierig vorherzusagen.
  • Angesichts steigender Marktkraft der Billigfluganbieter im regionalen Verkehr müssen die traditionellen Fluggesellschaften ein neues Wachstumsmodell erarbeiten.
  • Westliche Flugzeughersteller müssen ihre Marktanteile und ihre Margen verteidigen gegen die Angriffe der Mitbewerber, die den wachsenden Märkten näher sind und von nationalen Präferenzen profitieren können.
  • Fluggesellschaften, die sehr empfindlich auf kurzfristige Höhen und Tiefen in der Konjunktur reagieren, können nur marginal rentabel agieren und müssen daher flexibler werden.

"Die Flugzeugbauindustrie und die Luftverkehrsbranche behalten ihre strukturellen Unterschiede. Die regionalen Faktoren und die kurzen Zyklen, die charakteristisch für den Transportbereich sind, machen diese Sektor sehr sensibel für kurzfristige Schwankungen in der Konjunktur. Die Fluggesellschaften versuchen, ihre finanzielle Stabilität mit einer größeren operativen Flexibilität sicherzustellen. Die Flugzeugbauindustrie ist aufgrund der Länge der Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebszyklen weniger anfällig für kurzfristige Auswirkungen; sodass die Herausforderung für die Flugzeugbauer darin liegt, Programmrisiken mit den Zulieferern zu teilen, um die wirtschaftlichen Unsicherheiten zu reduzieren, die ihre finanzielle Leistung beeinträchtigen", sagt Bruno Goutard abschließend.

15 Euler Hermes konzentrierte sich bei der Analyse auf die größeren Fluggesellschaften in jeder Region: Delta Airlines, United Airlines, Continental Airlines, American Airlines und US Airways in den Vereinigten Staaten; Air France-KLM, Lufthansa und British Airways in Europa; Air China, China Southern Airlines und China Eastern Airlines in China; Emirates im Mittleren Osten.

 
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen hier zur Verfügung gestellt wird.
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