20 Jahre Allianz Arena: 

Hommage an ein Fußball-Wahrzeichen

Von Tobias Moorstedt, Nansen & Piccard

Die Sitzfläche der Arena-Klappstühle beträgt etwa 40 mal 40 Zentimeter, 0,16 Quadratmeter pro Zuschauer. Das ist komfortabel – aber eigentlich viel zu viel. Denn je länger das Spiel dauert, je häufiger Michael Olise und Jamal Musiala in Richtung gegnerisches Tor sprinten, desto weiter rutscht man auf dem Sitz nach vorn. Man beugt sich Richtung Spielfeld, sitzt auf der Stuhlkante, wippt auf den Zehenspitzen, der ganze Körper unter Spannung, bereit aufzuspringen, wenn das Tor endlich fällt und aus 75.000 Kehlen dieser Schrei erklingt: Jaaaaaaaa!

Der Sog des Spielfelds entsteht nicht allein durch die Qualität des Spiels, sondern ist in die Allianz Arena eingebaut: die revolutionäre Nähe zum Rasen, die steilen Ränge mit einer Neigung von bis zu 34 Grad – was, wie eine Zeitung 2005 angstvoll-staunend bemerkte, „an der Grenze des baupolizeilich Erlaubten“ liegt. Unsere Arena: eben fast verboten gut. Noch intensiver und man bräuchte Anschnallgurte.

Als der FC Bayern vor 20 Jahren das erste Mal in der Allianz Arena auflief und die deutsche Nationalmannschaft mit 4:2 besiegte, war sich die Fußballwelt einig: Das ist das beste Stadion der Welt. „Glorreich“ („The Guardian“), „ein Kunstwerk“ („Die Welt“), „Was für ein Kultraum“ („Süddeutsche Zeitung“). Selbst die linke „Tageszeitung“ aus Berlin schrieb, das Stadion sei „viel schöner, viel gewagter, viel großartiger“, als man es dem FCB zugetraut hätte. Doch trotz aller Superlative ahnte niemand, wie bahnbrechend und wirkmächtig dieses Stadion tatsächlich sein würde. Die Arena markierte den Beginn der Fußball-Moderne in Deutschland.

In den Nullerjahren erlebte der Fußball mehrere Entwicklungssprünge – er wurde schneller, komplexer, intensiver, digitaler, lukrativer, globaler. Unsere visionäre Hightech-Arena war ihrer Zeit voraus, war Teil des Trends, bevor dieser überhaupt sichtbar wurde – und sie katapultierte den FC Bayern in neue Sphären. Aber von Anfang an.

Spricht man heute mit Uli Hoeneß über die Arena, lobt er sie als das schönste Stadion der Welt – betont aber auch den historischen Kontext: „Wenn Franz Beckenbauer nicht die Fußball-WM nach Deutschland geholt hätte, gäbe es diese Arena nicht.“ Plötzlich endete die endlose Stadiondebatte in München, plötzlich gab es einen Bauplatz. Wenn die Welt zu Gast bei Freunden sein sollte, brauchte man auch ein schönes Wohnzimmer. Hoeneß gibt zu, dass er sich „das mit dem roten Reifen anfangs gar nicht so gut vorstellen konnte“. Aber weil das Entscheidungskomittee so weise war, für den so genialen wie wirtschaftlichen Entwurf der Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron zu votieren, fand das Eröffnungsspiel der WM 2006 in der Allianz Arena statt.

9. Juni 2006, Deutschland gegen Costa Rica, 18:06 Uhr: Philipp Lahm geht am linken Strafraumeck an zwei Gegenspielern vorbei und trifft ins rechte Kreuzeck zum 1:0. Dieses Tor war nicht nur der Beginn des Sommermärchens, sondern auch einer Entwicklung, die den Fußball in die letzten Winkel der Gesellschaft – und der Welt – brachte. Viele internationale Bayern-Fans erzählen, dass sie sich bei dieser WM in Schweinsteiger, Lahm – und in die Arena – verliebten. Und dann in den FC Bayern.

Der allererste Arena-Pflichtspieltreffer für den FCB: Owen Hargreaves, nach einem Pass von Roque Santa Cruz. Endstand
gegen Mönchengladbach: 3:0. Eigentlich hatte Franz Beckenbauer schon bei der Eröffnung getroffen – mit einem überdimensionalen Showball ins leere Tor. Der FC Bayern startete sofort eine imposante Heimserie in der Bundesliga, spielte fünfmal in Folge zu null und gewann die ersten elf Spiele zu Hause, am Ende der ersten Arena-Saison: das Double.

Auf dem Rasen dominierte noch ein Fußball, der der Vergangenheit näher war: mit Halbfeldflanken und viel Physis. Doch im zweiten Teil der Nullerjahre begann sich etwas zu verschieben – und die Allianz Arena wurde zum Labor einer neuen Zeit. Plötzlich sprach man von Passdynamik, Dreiecksbildung, Raumkontrolle. 2005 begann auch die Bundesliga mit moderner Datenerfassung, das Unternehmen Opta Sports speicherte bis zu 2.000 Ereignisse pro Spiel, Heatmaps, Laufdaten, Passquoten. Was früher in den Trainer-Notizblock kam, wurde nun in der Öffentlichkeit, in TV-Shows, Fankneipen und auf Social Media diskutiert. Die Evolution zeigt sich in den Daten: 2005 spielte der FC Bayern im Schnitt 377 Pässe pro Spiel – sechs Jahre später waren es mehr als 600. Und hatten die Roten 2005/06 im Schnitt 18 Strafraumaktionen pro Spiel, waren es in der Saison 2013/14 mehr als doppelt so viele.

Die Allianz Arena bot diesem neuen Fußball eine Bühne: Unter Louis van Gaal, Jupp Heynckes und Pep Guardiola spielte der FC Bayern nicht nur den erfolgreichsten, sondern auch den schönsten Fußball Europas. Als hätte die innovative Architektur auf den Spielstil abgefärbt. Voraussetzung dafür: ein perfekter Rasen. Und: die Nähe zu den Fans, die die Spieler zu großen Aufholjagden inspirierten, zu unvergessenen Toren und legendären Siegen, die es in einem anderen Stadion nicht gegeben hätte: das 4:0 gegen den FC Barcelona im Champions League-Halbfinale 2013, das dramatische 4:2-Comeback gegen Juventus Turin 2016, das souveräne 3:0 
gegen Leverkusen vor wenigen Monaten … Jaaaaaaa!

Der Fußball ist seit 2005 schneller, komplexer, spektakulärer geworden – und die Allianz Arena fängt das alles ein: mit der Spidercam unter dem Dach, die neue Blickwinkel ermöglicht. Mit WLAN ab dem ersten Tag, ab 2020 sogar mit 5G-Netz, damit jeder seine Erlebnisse in die Welt hinaussenden kann. Der wichtigste Moment in einem Fußballstadion, schrieb der Literaturnobelpreisträger Elias Canetti, sei der Augenblick der „Entladung“: wenn alle im Fanblock „ihre Verschiedenheit loswerden und sich als gleiche fühlen. Um dieses glücklichen Augenblickes willen, da keiner mehr, keiner besser als der andere ist“, gehen die Menschen ins Stadion.

Und auch die Fans an den Empfangsgeräten können das Arena-Feeling spüren. Das ist zentral, denn die Nullerjahre waren auch der Beginn einer ökonomischen Zeitenwende im Fußball. 2005, im Jahr der Arena-Eröffnung, wurde der Chelsea FC erstmals Englischer Meister in der Abramowitsch-Ära. Befeuert durch Digitalisierung und Internationalisierung verdoppelten sich zwischen 2005 und 2012 die Einnahmen aus TV-Rechten in der Bundesliga auf mehr als 600 Millionen Euro pro Saison (heute liegen sie bei 1,4 Milliarden Euro). Mit der Allianz Arena ist es dem FC Bayern gelungen, im Zeitalter der Investoren- und Oligarchen-Vereine international konkurrenzfähig zu bleiben. 2005 lag der Umsatz des FC Bayern bei knapp 200 Millionen Euro. 2024 durchbrach der Club erstmals die Schallmauer von einer Milliarde Euro. Möglich machte dies auch ein Stadion, das bei Spielen der FCB-Herren so gut wie immer restlos ausverkauft ist und drei Millionen Menschen pro Jahr anzieht. Der Ertrag aus der Allianz Arena – Merchandising, Hospitality, Events – ist laut dem Geschäftsführer Jürgen Muth seit der Eröffnung stetig gestiegen. Neben Bundesliga- und Champions League-Spielen finden auch Firmenveranstaltungen, Führungen, NFL-Spiele und bald auch Pop-Events statt. „Die Allianz Arena soll sowohl für die Fans in der Kurve funktionieren“, sagt Stadion-Chef Jürgen Muth, „als auch für Besucher, die den Event genießen wollen.“ Ein Spiel dauert 90 Minuten. Die Arena ist aber für sechs Stunden geöffnet. Muth sagt: „Da ist noch viel möglich.“

Wichtig ist aber auch: Das günstigste Bundesliga-Ticket kostet gerade einmal 15 Euro (in der Premier League sind vergleichbare Karten für Spiele der Spitzenteams zwei- bis dreimal so teuer). Eine Arena für alle.

Als die Allianz Arena 2005 ihre Tore öffnete, sagte der Architekt Jacques Herzog: „Noch nie ist ein Fußballstadion so konsequent zu Ende gedacht worden.“ Wenn man die schweren Eisentüren aufzieht, läuft man durch funktionale Betongänge, die einen direkt zum Mittelpunkt führen: dem Spielfeld. Die Shops und Kioske sind in die Betonsäulen eingelassen, oben in einfacher Typografie: „Bier“, „Bratwurst“, „Popcorn“. Damit einen nichts ablenkt – und nichts vom Weg abbringt. Und dieses Design funktioniert. Man merkt es in dem Moment, wenn man während des Spiels kurz den Blick vom Rasen löst und den Münchner Abendhimmel sieht – ein kleiner Schock, eine Erinnerung, dass draußen noch die Welt existiert. Während andere Clubs Multifunktionsarenen mit Hotels, Kinos und Flagship-Stores bauen, glaubt der FC Bayern daran, dass es nichts gibt, was spannender ist als das „schöne Spiel“.

Das Killer-Feature der Allianz Arena: Sie ist Bildmaschine und Hexenkessel zugleich. Sie funktioniert sowohl für die Fans im Stadion, die im Spiel und in der Masse aufgehen, als auch für die Zuschauer zu Hause, die die pulsierende, hüpfende Südkurve erleben – und dazu die Panorama-Aufnahmen, die Form und Farbe der Arena feiern und beweisen: Ja, es gibt sie wirklich. Die Allianz Arena sieht immer spektakulär aus, egal aus welcher Perspektive man sie betrachtet. Der ADAC warnte schon 2005 Autofahrer auf der A9 vor der Leuchtkraft des Stadions. Man hatte Angst, dass die Arena die Fahrzeugführer ablenkt wie ein Nordlicht oder ein anderes Naturspektakel. Von erhöhter Unfallgefahr ist 20 Jahre später nichts bekannt. Aber wer aus dem Norden kommt und an der Arena vorbeifährt, weiß: endlich in München. Endlich dahoam.

Wenn man im Jahr 2025 über die Esplanade auf die Allianz Arena zuschreitet oder über die Treppen in den Oberrang hochklettert, hat man nicht das Gefühl, in einem 20 Jahre alten Gebäude zu sein. „Da muss man unseren Leuten, die das Stadion betreuen, schon ein ganz großes, dickes Lob aussprechen“, sagt Uli Hoeneß. „Dank ihnen sieht die Allianz Arena aus, als wäre sie gestern eröffnet worden.“ Arena-Chef Jürgen Muth gibt das Kompliment an den Club zurück: „Wir haben mit dem FC Bayern einen Gesellschafter, der uns die Mittel zur Verfügung stellt, auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Denn Stillstand ist Rückschritt.“ In der Arena gilt das Prinzip der permanenten Evolution: In den letzten 20 Jahren wurde nicht nur die Kapazität immer wieder erhöht, auch die Fläche der Videoleinwand wurde um mehr als 100 Prozent vergrößert; und die Zahl der Farben, die auf der berühmten Arena-Hülle dargestellt werden kann, stieg von drei auf 16 Millionen (siehe Infografik, S. 22/23).

Der so geniale wie einfache Arena-Bauplan und die Vision der Verantwortlichen stellen sicher, dass das Stadion immer auf der Höhe der Zeit bleibt. Der FC Bayern wird auch in weiteren 20, 40, 100 Jahren in der Allianz Arena spielen. Vielleicht wird man in ferner Zukunft auf der Hülle ein Live-Bild des Spiels abspielen können, vielleicht werden die Fans mit dem Flugtaxi zum Stadion kommen (oder via Beamer direkt vom Marienplatz). Aber eines ist sicher: Wenn der Ball im roten Rund und auf dem grünen Rechteck rollt und die Erben von Olise und Musiala aufs gegnerische Tor zustürmen, hält uns nichts auf den Sitzen.
Dieser Text erschien in der Mai-Ausgabe des FC Bayern Mitgliedermagazins „51“.
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* Stand: 30. September 2025.

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen: