Wie KI die Versicherungslücke schließen kann

By Manuela Diviach
Leiter der Abteilung für Gruppenoperationen, Organisation und Daten & KI bei Allianz SE

Künstliche Intelligenz schafft in der gesamten Versicherungsbranche schon jetzt einen messbaren Mehrwert. Etablierte Versicherer und Start-ups setzen zunehmend auf KI, um die Interaktion mit den Kunden, Produkte und damit verbundene Serviceleistungen sowie die für die Kunden unsichtbaren Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu verbessern.

KI hat jedoch weit größeres Potenzial. Sie kann bei der Lösung einer der ganz großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit unterstützen, nämlich dabei, die globale Versicherungslücke zu verkleinern. Damit ist der Anteil der nicht versicherten Schäden bei Sach- und anderen Vermögenswerten an den gesamten wirtschaftlichen Schäden gemeint.

Laut der Global Federation of Insurance Association (GFIA) beträgt diese Absicherungslücke in den vier Bereichen, die aufgrund ihrer Größe, ihrer globalen Präsenz, ihrer Auswirkungen auf Leben und Lebensunterhalt und der erwarteten Entwicklung besonders relevant sind, zusammen jährlich etwa 2,8 Billionen Dollar (2,7 Billionen Euro) und damit etwa 3 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Die größte Absicherungslücke klafft dabei bei der Rente mit global 1 Billion Dollar pro Jahr. Bei Cyberrisiken sind es 0,9 Billionen Dollar, beim Gesundheitsschutz 0,8 Billionen Dollar und bei Naturkatastrophen 0,1 Billionen Dollar.

Hinter den nüchternen Zahlen verbergen sich die oft gravierenden Folgen für die Menschen, die von Versicherungslücken betroffen sind. Der Verlust des Einkommens aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls kann die finanzielle Sicherheit einer ganzen Familie erschüttern. Wenn nahestehende Menschen nicht die medizinische Betreuung erhalten, die sie dringend benötigen, weil die notwendigen Versicherungen fehlen, kann das schwerwiegende Folgen haben.

Der Verlust des eigenen Zuhauses durch eine Katastrophe wie ein Feuer oder eine Naturgewalt kann alles, was man sich aufgebaut hat, in einem Augenblick zerstören. Diese Szenarien sind keine abstrakten Risiken, sondern bittere Realität für viele Menschen, die keinen ausreichenden Versicherungsschutz haben. Es ist wichtig, diese Versicherungslücken zu erkennen und zu schließen, um Menschen vor solchen existenziellen Bedrohungen zu schützen.

Doch warum entstehen diese Schutzlücken überhaupt? Drei Faktoren sind aus meiner Sicht wesentlich: Viele Menschen haben keinen einfachen Zugang zu den notwendigen Versicherungen, sie sind sich ihrer lebensspezifischen Risiken nicht bewusst, und wieder andere können sich die Prämien nicht leisten. Schon heute hilft KI, diese Herausforderungen zu bewältigen.

Die Zugänglichkeit und Verständlichkeit von Versicherungsprodukten werden durch künstliche Intelligenz erhöht, indem KI-gestützte Tools maßgeschneiderte und kundenfreundliche Lösungen anbieten. Ein Beispiel hierfür ist Conversational AI, eine Technologie, die menschenähnliche Gespräche führen kann. Die Möglichkeit, in natürlicher Sprache mit einem digitalen Agenten zu interagieren, hilft Versicherern, ihren Kunden rund um die Uhr Service bieten zu können und verfügbar zu sein, auf verschiedenen Plattformen und in vielen Sprachen. Während für vollständige, detaillierte Beratungen in spezifischen Situationen der menschliche Kontakt nach wie vor unabdingbar ist, kann Conversational AI schnell und gut hunderte Fragen beantworten, die unsere Kunden und potenziellen Kunden haben könnten. Das Feedback unserer Kunden sagt uns, dass dies eine praktische, nützliche Möglichkeit zur Lösung von Problemen ist.

In der Zukunft werden wir in der Lage sein, die lebensspezifischen Risiken unserer Kunden noch präziser als bisher zu bewerten. Der Kunde kann seine Lebenssituation und Lebensweise mit seinen eigenen Worten beschreiben, woraufhin die individuellen Risiken des Kunden identifiziert und diesem transparent aufgezeigt werden können. Das Ergebnis dieser KI-gestützten Analyse kann auf Wunsch des Kunden von einem Berater genutzt werden. Dem Kunden werden dann gemäß seines spezifischen Risikoprofils entsprechende Versicherungslösungen zur Absicherung der lebensspezifischen Gefahren empfohlen.

Die Bezahlbarkeit von benötigten Versicherungsprodukten ist für viele Menschen weltweit mit geringerem Einkommen ein entscheidendes Thema. KI hilft auch hier: In einigen Bereichen senkt sie schon heute die Kosten für Versicherer, indem sie bessere Prävention und schnellere Schadenbearbeitung durch Datenanalyse ermöglicht. Beispielsweise gibt es eine Unwetterwarnung als Service zur Schadenprävention: Die KI sagt mit hoher Zuverlässigkeit Ort, Zeitpunkt und Auswirkungen extremer Wetterereignisse voraus. Der Kunde wird per SMS vor dem Unwetter gewarnt und kann so Maßnahmen ergreifen, um Schäden an Gegenständen zu verhindern, die in Sicherheit gebracht werden können. Beispiele hierfür sind Gartenmöbel oder das Auto. Bei kleineren Kfz-Schäden kann schon heute eine KI-gestützte Schaden-App Umfang und Schwere des Schadens anhand von Fotos ermitteln und innerhalb weniger Minuten regulieren und ausbezahlen.

Viele größere Versicherer bieten heute schon ihre Policen länderübergreifend an und arbeiten daran, noch mehr Menschen auf noch mehr Kontinenten zu erreichen. Durch die breite Bereitstellung von KI-Lösungen tragen sie maßgeblich dazu bei, Versicherungslücken im Laufe der Zeit zu minimieren und wesentlich mehr Menschen Zugang zu den benötigten Versicherungen auf bezahlbare Art zu ermöglichen.

Warum trägt das große Potenzial der KI zur Minimierung der Versicherungslücke bisher nur sehr überschaubare Früchte? Damit KI die in sie gesetzte Hoffnungen erfüllen kann, müssen einige Voraussetzungen gegeben sein. Der Schlüssel hierfür ist Vertrauen. Vertrauenswürdige Daten bilden hierbei das Fundament: Damit die KI effektiv funktionieren kann, braucht sie genaue, sichere und zuverlässige Daten. Die Beteiligten müssen darauf vertrauen können, dass die Daten sicher, von hoher Qualität sind und dass die Empfehlungen der KI auf einer vertrauenswürdigen Grundlage beruhen. Dies erfordert eine solide Daten- und KI-Governance sowie Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre, Qualitätskontrolle und klare interne Leitlinien.

Außerdem ist der Aufbau von Vertrauen beim Kunden entscheidend: Verbraucher müssen sich darauf verlassen können, dass KI-Anwendungen in ihrem besten Interesse arbeiten, ihre Privatsphäre wahren und sie nicht diskriminieren. 

Auch ihre Mitarbeiter müssen Unternehmen in den Vertrauensbildungsprozess mit einbeziehen, denn ihre Zufriedenheit und ihr Engagement ist die wichtigste Voraussetzung für die Loyalität der Kunden. Mitarbeiter müssen KI als ein Werkzeug sehen, das ihre Arbeit erleichtert.

Ich bin überzeugt: Wir können diese gesellschaftliche Herausforderung meistern und die globale Versicherungslücken reduzieren. Um dahin zu kommen, müssen sich Unternehmen das Vertrauen der Verbraucher und Mitarbeiter verdienen – durch einen klaren Governance-Rahmen, hohe Standards in der Daten- und KI-Ethik und transparente Kommunikation. Wenn wir diese Ziele erreichen, können wir vielen Menschen zu besserer finanzieller Absicherung verhelfen.

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 30. Januar 2025 in der deutschen Zeitung „Versicherungsmonitor“ veröffentlicht.
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** As of December 31, 2024.
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