Der Stromausfall dauert nun schon über eine Stunde. Der technische Leiter des Kupferschmelzwerkes wird langsam unruhig. Das Kupfer in den Kesseln kühlt ab. Fällt der Strom noch für längere Zeit aus, erkaltet das Kupfer, erstarrt und zerstört somit die gesamte Anlage des Werkes. Öfen, Kessel, Leitungen: Die gesamte Anlage wäre von Kupfer verstopft und müsste komplett neu errichtet werden. „In einem Papierwerk dagegen reicht schon ein Mini-Stromausfall von einer Sekunde, um die gesamte Anlage für mehrere Stunden außer Gefecht zu setzen“, erklärt Michael Bruch, Head of R&D, Risk Consulting bei Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS). Wenn der Strom auch nur kurz aussetzt, setzt mit ihm die Anlage aus, auf der das Papier aufgewickelt wird. Das Papier reißt. Dann muss der Verantwortliche die gesamte Produktion stoppen und neu installieren. Das kann mehrere Stunden dauern.
„Wenn wir jeden kleinen Schaden abdecken, wird das für den Kunden zu teuer.“
Wenn so ganze Fabriken für Stunden lahmgelegt werden, entstehen Schäden in Millionenhöhe, die einen Betrieb wirtschaftlich aus der Bahn werfen können. Damit der Besitzer nicht auf dem Schaden sitzen bleibt und im schlimmsten Fall Insolvenz anmelden muss, schließt er eine „Betriebsunterbrechungsversicherung“ ab. Je nach Geschäftsfeld und Abhängigkeit vom Strom kann diese Versicherung lebensrettend sein. Michael Bruch erklärt die Zusammenhänge.
allianz.com: Welche Betriebe hängen denn besonders stark vom elektrischen Strom ab?
Michael Bruch: „Je mehr die Produktion automatisiert ist, desto anfälliger ist sie für Ausfälle. Am härtesten trifft es die Hersteller von Halbleitern oder die Stahlindustrie. Am weniger empfindlichen Ende dieser Skala liegt die Textil- oder die Glasherstellung. Aber auch hier laufen die Schäden schnell in die Hunderttausende. Für uns greift die Grundidee der Versicherung, zu helfen wenn es wirklich schlimm wird. Um kurze Ausfälle abzufedern, stellen wir unseren Kunden Berater zur Seite, die helfen eine Notstromversorgung aufzubauen. Wenn wir jeden kleinen Schaden mit abdecken würden, müssten wir die Kosten für die Versicherung nach oben schrauben. Damit ist sie für den Kunden nicht mehr rentabel. Hier ist es sinnvoller, mehr in die Schadenprävention zu investieren.“
allianz.com: Große Schäden entstehen häufig auch durch Wetterkapriolen verschiedener Art. Nehmen denn auch die wetterbedingten Stromausfälle zu?
Michael Bruch: „Auf jeden Fall. Das hat zwei Gründe. Erstens: Mit der Zunahme der Weltbevölkerung besiedelt der Mensch auch stärker gefährdete Gebiete wie Flutregionen oder baut in Bereichen, die bekannt sind für ihre Tornadodichte. Ausufernde Megacities dringen unaufhaltsam in gefährlichere Regionen vor, weil ihnen einfach der Platz fehlt. Zweitens: Der Klimawandel leistet seinen Beitrag; Wetterextreme wie Dürren und Fluten nehmen zu.“