Läuft die Weltbank Gefahr, Asien zu verlieren?

Asien wünscht sich eine neue, eigene Bank. Sie soll die Lücken abdecken, welche die Weltbank und die Asiatische Entwicklungsbank gelassen haben. Im Gegensatz zum letzten Versuch in den 90er Jahren ein supranationales Währungsinstitut zu gründen, könnte der aktuelle Vorstoß tatsächlich zum Erfolg führen.

 

Die Länder auf dem asiatischen Kontinent fühlen sich seit langem von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds unterversorgt und missverstanden. Diese Institutionen waren ursprünglich nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen worden um Entwicklungsprojekte zu finanzieren und Regierungen bei temporären Finanzkrisen zu unterstützten. Während der asiatischen Finanzkrise 1997-1998 hatte man bereits versucht, einen asiatischen Währungsfonds zu etablieren, der den Bedürfnissen der Region besser Rechnung tragen sollte. Angesichts erheblichen internationalen Widerstands, vor allem von Seiten der USA, ließen sich lediglich eine Reihe weniger ambitionierter Finanzmaßnahmen durchsetzen, wie z.B. eine multilateraler Devisenswap-Mechanismus, der auch unter dem Namen Chiang Mai Initiative bekannt ist.

 

Der Widerstand war zum Teil gerechtfertigt, zum Teil aber auch nicht. Die USA und -- zu einem gewissen Maße -- auch Europa hatten befürchtet, ein asiatischer Währungsfonds könnte die globale, grenzübergreifende Koordination untergraben und sich dem politischen Druck, der gerade in Krisensituationen entstehen kann, zu wenig standhalten. China hatte sich damals in Zurückhaltung geübt.

 

Die USA und Europa wollten sich auch weiterhin die Machtposition sichern, die mit ihrer historischen Vorrangstellung im IWF und der Weltbank einhergeht. Ihre bevorzugte Lösung war deshalb, Japan und anderen asiatischen Ländern Reformen der bestehenden Institutionen zu versprechen, um die Gründung einer neuen Institution, über die sie nur eine geringe unmittelbare Kontrolle ausüben könnten, zu verhindern. Die Reformen waren jedoch nicht tiefgründig genug um Asien zufriedenzustellen. Außerdem wurde das Vertrauen in die Prozesse weiter gestört, als der amerikanische Kongress die allgemein als geringfügig erachteten Änderungen hinsichtlich Repräsentation und Stimmgebung nicht verabschiedete.

 

Aktuell verfolgen die asiatischen Länder die Gründung einer Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank. Ziel wäre, regionale Finanzen in die Infrastrukturentwicklung zu leiten, die Asien auf nationaler und regionaler Ebene zugute kommen würde. Insofern würde die Bank genau die länderübergreifenden Projekte vorantreiben, deren Implementierung bisher frustrierend langsam vorangeschritten war und so die Entwicklung Asiens als Ganzes gebremst hatte. Die Bank würde außerdem die politische Zusammenarbeit in einem Bereich verbessern, in dem bisher unterschiedliche aufsichtsrechtliche und rechtliche Systeme dem Gemeinwohl entgegenstehen.

 

Diesmal wird die Initiative von China vorangetrieben, dessen wirtschaftliche Macht und finanzieller Einfluss wesentlich größer sind als noch 1997-1998. Gerade was finanzielle Ressourcen betrifft, ist China bereit, mit gutem Beispiel voranzugehen und verpflichtet sich vorab Dollar-Beträge im zweistelligen Milliardenbereich beizusteuern. Im Vergleich dazu ist der Westen, der sich immer noch unter den Nachwirkungen der Finanzkrise aus dem Jahr 2008 zu leiden hat, weitaus weniger in der Lage, seinen Willen durchzusetzen. Angesichts der Verzögerung der ohnehin begrenzten Reformen des IWF vor kurzem, wirkt der Westen nicht glaubwürdig, wenn er eine ausreichende Umgestaltung der bestehenden Institutionen verspricht.

 

Inwieweit Asiens neue Entwicklungsbank tatsächlich Erfolg haben kann, steht jedoch auf einem ganz anderen Blatt. Viel hängt davon ab, wie die Gründer mit sechs wichtigen Herausforderungen umgehen: Wird bei wichtigen Besetzungen und Entscheidungen tatsächliche Leistung Vorrang vor politischen und nationalen Ansprüchen haben? Lassen sich Entwicklungs- und kommerzielle Ziele angemessen vereinen? Wie lassen sich öffentlich-private Partnerschaften am besten nutzen und nachbilden? Wie lässt sich bei Umwelt- und sozialen Projekten Nachhaltigkeit erzielen? Wie kann eine sinnvolle aufsichtsrechtliche und rechtliche Struktur für Investitionen geschaffen werden? Werden moderne, evidenzbasierte Analyse- und Finanztools eingesetzt?

 

Außerdem müsste die neue Institution auch gut mit ihren Pendants zusammenarbeiten, vor allem der Asiatischen Entwicklungsbank, dem IWF und der Weltbank. Anstatt das zu kopieren, was andernorts bereits Bestand hat, sollte sich die neue Bank darauf konzentrieren, Lücken zu füllen und Störungen auf Markt- und institutioneller Ebene auszugleichen -- und gleichzeitig auch die Mitgliedsstaaten dazu bringen, die größeren, multilateralen Institutionen zu reformieren.

 

Asien hat jetzt die Chance das zu erreichen, was in den späten 90er Jahren nicht gelang. Aber eine Chance allein reicht nicht aus. Damit die Initiative der Region tatsächlich zugute kommt und über ein reines politisches Statement hinausgeht, sind noch viele Herausforderungen zu überwinden.

 

 

Von Mohamed A.El-Erian, im Original erschienen auf Bloomberg view am 10.7.2014. Abdruck mit Einverständnis. Die Meinungen im Artikel entsprechen denen des Autors.

Mohamed El-Erian, Chief Economic Adviser der Allianz
Mohamed El-Erian, Chief Economic Adviser der Allianz.

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Petra Brandes
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