Aktienboom beflügelt Vermögenswachstum

Die Allianz hat heute die vierte Ausgabe ihres „Global Wealth Reports“ vorgestellt, der die Vermögens- und Schuldenlage der privaten Haushalte in über 50 Ländern analysiert. Danach erzielte das globale Brutto-Geldvermögen der privaten Haushalte 2012 eine Zuwachs­rate von 8,1%. Dies ist das stärkste Wachstum seit sechs Jahren und liegt auch deutlich über dem langfristigen, wechselkursbereinigten Durchschnitt (2001 bis 2012) von 4,6% pro Jahr. Wachstumstreiber war im letzten Jahr die gute Entwicklung an den Aktienmärkten: Das in Form von Wertpapieren gehaltene Vermögen erzielte ein Plus von 10,4%. Rund um den Globus summierte sich das Finanzvermögen damit auf ein neues Rekordniveau von 111 Billionen Euro.
 

Gleichzeitig blieb 2012 auch im vierten Jahr nach Lehman das Wachstum der Schulden (einschließlich Hypothekenschulden) mit 2,9% verhalten. Die globale Schuldenquote (Verbindlichkeiten in Prozent des BIP) ging um einen weiteren Prozentpunkt auf 65,9% zurück; 2009 hatte sie noch bei 71,6% gelegen. Für das globale Netto-Geldvermögen (Brutto-Geldvermögen abzüglich Verbindlichkeiten) ergab sich daraus sogar ein zweistelliges Plus von 10,4%. Von diesem starken Anstieg profitierten alle Regionen. Selbst im krisengeplagten Euroraum stieg das Netto-Geldvermögen – nicht zuletzt dank stagnierender Verbindlichkeiten – um 7,2% und lag damit Ende 2012 erstmals wieder über dem Vorkrisenwert.

Die Vermögensentwicklung in Deutschland war im vergangenen Jahr ausgesprochen solide. Das Brutto-Geldvermögen legte um 4,9% zu, das Netto-Geldvermögen um 6,8%. Damit be-findet sich Deutschland im europäischen Mittelfeld.

Die Vermögensentwicklung in Deutschland war im vergangenen Jahr ausgesprochen solide. Das Brutto-Geldvermögen legte um 4,9% zu, das Netto-Geldvermögen um 6,8%. Damit befindet sich Deutschland im europäischen Mittelfeld.

Die positive Entwicklung im vergangenen Jahr kann die tiefen Risse in den privaten Vermögensbilanzen im Euroraum jedoch nicht überdecken. Die Vermögensschere geht immer weiter auf. Das durchschnittliche Netto-Geldvermögen in Griechenland liegt inzwischen bei nur noch 28% des Euroraum-Durchschnitts; vor der Krise lag dieser Wert noch deutlich über 50%. In Spanien ist er von 61% auf 44% im vergangenen Jahr gefallen. „Die wachsenden Vermögensunterschiede im Euroraum sind ein Resultat der Krise“, sagte Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz. „Geht diese Schere zwischen Nord und Süd weiter auf, kann dies den Zusammenhalt in Europa untergraben. Die bisherigen Reformanstrengungen beginnen in diesem Jahr erste Früchte zu tragen. Weitere konsequente Integrationsschritte sind erforderlich, um allen Europäern wieder eine klare Perspektive für Wachstum und Wohlstand zu geben.“
 

Die Vermögensentwicklung in Deutschland war im vergangenen Jahr ausgesprochen solide. Das Brutto-Geldvermögen legte um 4,9% zu, das Netto-Geldvermögen um 6,8%. Damit befindet sich Deutschland im europäischen Mittelfeld. Auf längere Sicht stellt sich die deutsche Entwicklung in einem weitaus besseren Licht dar: Das Netto-Geldvermögen pro Kopf lag Ende 2012 in Deutschland – dank strikter Schuldenabstinenz – knapp 18% über dem Höchstwert aus der Zeit vor der Krise – dieser Zuwachs wird von keinem anderen (Flächen)Land in der Währungsunion erreicht; nur in den Niederlanden und in Österreich wuchs es in diesen Zeitraum ebenfalls zweistellig.
 

Im globalen Vergleich verharrte Deutschland dennoch mit einem durchschnittlichen Netto-Geldvermögen pro Kopf von 41.950 Euro Ende 2012 auf Platz 17 der Rangliste der reichsten Länder (s. Tabelle). Die Abstände zu den (noch) besser platzierten Nationen wie beispielsweise Frankreich und Italien sind dabei aber deutlich geschrumpft. „Die deutschen Sparer sind bisher relativ gut durch die Krise gekommen“, führte Heise aus. „Eine hohe Sparbereitschaft, gepaart mit einer guten Einkommensentwicklung, konnte bisher den scharfen Rückgang der Zinsen kompensieren. Dies ist jedoch kein Grund zur Selbstzufriedenheit, Deutschlands Platz im Mittelfeld ist kein Ruhmesblatt. Das Thema langfristiger Vermögensaufbau gehört auf die politische Agenda, vor allem angesichts des bevorstehenden demographischen Wandels.“
 

Das relative gute Abschneiden Deutschlands sowie die kräftige Entwicklung im vergangenen Jahr sollten jedoch nicht zum Schluss verleiten, dass die extrem niedrigen Zinsen ohne Wirkung auf die Vermögensentwicklung sind. Das Gegenteil ist der Fall, wie die Analyse des Sparverhaltens in den USA und im Euroraum zeigt. Die Sparer haben in den letzten Jahren eine hohe Liquiditätspräferenz entwickelt: Der Anteil der Bankeinlagen an der Geldvermögensbildung ist in den Krisenjahren markant nach oben geschnellt. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre flossen in der Eurozone mehr als die Hälfte der „frischen“ Spargelder den Banken zu, in den USA sogar zwei Drittel. Die langfristigen Folgen der Niedrigzinsen für den Vermögensaufbau werden durch den Verzicht auf eine langfristige Geldanlage, die Rendite und Risiko in ein vernünftiges Verhältnis bringt, noch verstärkt. Beim Wachstum der Geldvermögen herrschen daher schon beinahe japanische Verhältnisse, zumindest in der längerfristigen Betrachtung: Seit Lehman lag das jährliche Wachstum der Brutto-Geldvermögen pro Kopf im Durchschnitt bei 0% (Japan), 0,1% (USA) und 1,1% (Euroraum); im vergleichbaren Zeitraum vor der Krise reichte die Bandbreite hingegen noch von 1,6% in Japan bis 10,3% in den USA. Auch die Verteilung der Vermögen wird durch Krise und Niedrigzinsen in Mitleidenschaft gezogen. In den USA und im Euroraum ist die Zahl der Mitglieder der globalen Vermögensoberklasse („high wealth“)1 sowohl absolut als auch relativ (Anteil an der jeweiligen Gesamtbevölkerung) zurückgegangen; in Japan herrschte Stagnation. Auf der anderen Seite leben in allen drei Regionen heute mehr Menschen, die zur globalen „low wealth“ Klasse gerechnet werden müssen: im Euroraum und den USA jeweils etwa 30% der Bevölkerung, in Japan etwa 10%. Die größeren Vermögensunterschiede in den USA und der Eurozone lassen dabei befürchten, dass Risse im sozialen Gefüge durch die Nullzinspolitik dort weitaus schneller sichtbar werden als im immer noch relativ egalitären Japan. „Die komplette Rechnung der Niedrigzinspolitik wird uns erst in Zukunft präsentiert werden“, kommentierte Heise.
 

Während in den etablierten Industrieländern als Folge der Krise also die „low wealth“ Klasse wuchs, verlief die Entwicklung in den ärmeren Ländern erfreulicher: Hier stieg in erster Linie die Zahl der Mitglieder der globalen Vermögensmittelklasse. Allein im vergangenen Jahr wuchs sie um annähernd 140 Millionen Menschen, wobei der Löwenanteil dieses Zuwachses auf China zurückgeht. Damit lebten 2012 insgesamt rund 860 Millionen Menschen mit mittlerem Netto-Geldvermögen in den untersuchten Ländern. Die Dynamik, mit der sich die globale Mittelschicht entwickelt, war dabei nicht nur im letzten Jahr bemerkenswert. In den letzten zwölf Jahren haben vor allem die Schwellenländer enorm aufgeholt: Seit Jahrtausendbeginn hat sich die Bevölkerung, die im globalen Maßstab über ein mittleres Vermögen verfügt, in Osteuropa und Lateinamerika verdoppelt, in Asien (ex Japan) sogar beinahe verzehnfacht. Das Gesicht der globalen Vermögensmittelklasse hat sich dadurch grundlegend gewandelt: Im Jahr 2000 kamen deren Mitglieder noch zu knapp 60% aus Nordamerika oder Westeuropa. Heute ist dagegen jeder Zweite Asiate, Tendenz weiter steigend. Der Anteil Nordamerikas und Westeuropas ist auf unter 30% gefallen.
 

Motor dieses Aufholprozesses ist das unvermindert starke Wachstum der Brutto-Geldvermögen. Im langfristigen Vergleich bleibt dabei – trotz erheblicher Verlangsamung seit 2007 – Osteuropa regionaler Wachstumschampion, mit durchschnittlich 14,7% p.a. von 2001 bis 2012. Knapp dahinter folgen Asien (ex Japan) und Lateinamerika. Es gibt jedoch auch einen Wermutstropfen in dieser Wachstumsstory: Noch rasanter als die Vermögen sind die privaten Verbindlichkeiten gestiegen. Innerhalb der letzten zwölf Jahre erhöhten die osteuropäischen Haushalte ihre Verbindlichkeiten um durchschnittlich 25,4% pro Jahr. Parallel zum Vermögenswachstum verlangsamte sich in der Region allerdings auch das Schuldenwachstum seit Ausbruch der Finanzkrise. In den anderen aufstrebenden Regionen Lateinamerika und Asien (ex Japan) ist dieses Phänomen nicht zu beobachten. Die Privathaushalte Lateinamerikas hielten das Durchschnittswachstum ihrer Schulden in den Jahren vor bzw. nach 2007 konstant bei rund 17%; in Asien (ex Japan) erhöhte sich die durch­schnittliche jährliche Zuwachsrate sogar von 12,3% im Zeitraum von 2003 bis 2007 auf 15,8% von 2008 bis 2012. „Auch wenn die privaten Verbindlichkeiten in den meisten dieser Länder noch auf einem niedrigen Niveau sind, muss diese Schuldendynamik genau beobachtet werden. Die Länder sollten nicht die Fehler der Europäer und Amerikaner wiederholen: Schuldengetriebenes Wachstum ist nie nachhaltig“, so Heise.

1Wie in den Vorjahren teilt der „Allianz Global Wealth Report“ die Vermögensbesitzer in drei globale Vermögensklassen auf. Die globale Vermögensmittelklasse („middle wealth“) umfasst dabei alle Personen mit einem Vermögen zwischen 4.900 und 29.200 Euro. Als „low wealth“ gelten alle Personen, deren Netto-Geldvermögen unter der Schwelle von EUR 4.900 liegt, während als „high wealth“ diejenigen mit einem Netto-Geldvermögen von über EUR 29.200 bezeichnet werden

Top 20 im Jahr 2012 nach…
 

...Netto-Geldvermögen pro Kopf

in EUR J/J in %
#1 Schweiz 141.895 6,3
#2 USA 100.710 10,3
#3 Japan 83.610 4,5
#4 Belgien 73.520 7,4
#5 Niederlande 68.760 12,1
#6 Kanada 66.550 8,6
#7 Singapur 66.400 7,9
#8 Taiwan 65.080 6,9
#9 Großbritannien 58.905 7,7
#10 Australien 57.400 25,3
#11 Schweden 54.065 13,6
#12 Dänemark 53.370 18,1
#13 Israel 49.390 7,8
#14 Italien 45.770 6,0
#15 Frankreich 44.310 6,1
#16 Österreich 41.985 4,7
#17 Deutschland 41.950 6,7
#18 Irland 29.980 15,3
#19 Portugal 20.930 6,2
#20 Südkorea 19.180 10,3

Top 20 im Jahr 2012 nach…
 

...Brutto-Geldvermögen pro Kopf

in EUR J/J in %
#1 Schweiz 218.100 5,1
#2 USA 132.810 7,5
#3 Niederlande 118.710 8,0
#4 Dänemark 117.710 7,7
#5 Australien 114.990 13,1
#6 Japan 109.950 3,2
#7 Kanada 104.920 6,9
#8 Singapur 97.190 8,1
#9 Belgien 92.810 6,6
#10 Schweden 92.460 9,1
#11 Großbritannien 89.280 5,2
#12 Norwegen 82.840 6,8
#13 Taiwan 75.650 6,3
#14 Irland 70.030 2,5
#15 Frankreich 66.130 4,5
#16 Israel 62.160 6,5
#17 Österreich 61.910 3,3
#18 Deutschland 61.440 4,8
#19 Italien 61.060 4,3
#20 Finnland 43.740 1,5

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Dr. Lorenz Weimann
Allianz SE
Tel.: +49 69 24431-3737
E-mail senden