Versicherungsmärkte: 80 Prozent des Wachstums kommt aus Schwellenländern

Nach Hochrechnungen von Allianz Research ist das globale Prämienvolumen im vergangenen Jahr auf die neue Rekordsumme von 3,66 Billionen Euro gestiegen (ohne Krankenversicherung). Gegenüber 2016 errechnet sich ein um Wechselkurseffekte bereinigter nominaler Anstieg von 3,7%.

Damit hat sich das Wachstumstempo der Prämieneinnahmen gegenüber dem Vorjahr (+ 2,9%) zwar leicht beschleunigt, blieb aber das zweite Jahr in Folge hinter der Expansion der Wirtschaftstätigkeit (+ 5,9% nominales Wachstum) zurück. Die Versicherungsdurchdringung (Prämien in Prozent des BIP) ist damit auf 5,5% gesunken – dem tiefsten Wert in den letzten 30 Jahren. Noch zu Beginn des Jahrtausends, vor der großen Finanzkrise, lag dieser Wert im Durchschnitt einen vollen Prozentpunkt höher.

„Es ist eigentlich eine paradoxe Situation“, kommentierte Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz SE. „Auf der einen Seiten nehmen die Risiken in der Welt ständig zu – man denke nur an die Bereiche Klima, Demographie, Cyber oder Politik –, auf der anderen Seite aber geben die Menschen weltweit einen immer geringeren Anteil ihres Einkommens für ihre Absicherung aus. Es bedarf einer großen gemeinsamen Anstrengung von Politik und Industrie, dieses ‚protection gap‘ wieder zu schließen.“

Die Sparte Schaden/Unfall gab im letzten Jahr den Ton vor: Mit 5,0% wuchs sie 2017 nicht nur fast doppelt so schnell wie die Lebensversicherung, sondern verzeichnete auch den größten Anstieg seit dem Jahr 2012. Nahezu alle Regionen trugen zur positiven Prämienentwicklung bei; die Wachstumsdiskrepanz zwischen Schwellen- und Industrieländern bleibt dennoch eklatant: Während die Prämien in ersteren um 11,6% in die Höhe schnellten, schafften die Industrieländer gerade einmal ein Plus von 3,5%. Westeuropa allerdings bleibt auch hinter diesem Wert deutlich zurück: Das Beitragswachstum erreichte 2017 nur 2,0% – damit aber immerhin den zweithöchsten Wert seit dem Jahr 2007; noch im Vorjahr verzeichneten die westeuropäischen Märkte Nullwachstum.

Der auf globaler Ebene deutlich niedrigere Zuwachs der Lebensversicherungsprämien 2017 (+2,8%) ist in erster Linie der immer noch schwachen Entwicklung in Westeuropa geschuldet, wo beinahe 30% der weltweiten Beitragseinnahmen gezeichnet werden. Nach einem Minus von 2,2% im Jahr 2016 schlägt auch 2017 noch eine rote Null zu Buche. Ende letzten Jahres lag das regionale Prämienvolumen damit immer noch um fast 5% unter dem Vorkrisenhöchstwert aus dem Jahr 2007; die Versicherungsdurchdringung ist in diesem Zeitraum von 5,6% auf 4,4% zurückgegangen.

„Zwar sind die Lebensversicherungsmärkte in den letzten Jahren deutlich volatiler geworden, der Trend aber ist dennoch eindeutig – und beunruhigend“, kommentierte Michaela Grimm, Ökonomin bei Allianz Research. „Während der unerbittlich voranschreitende demographische Wandel keinen Zweifel an der Notwendigkeit privater Vorsorge zulässt, nehmen die langfristigen Sparanstrengungen offensichtlich ab. Die schwere Wirtschaftskrise in vielen europäischen Ländern ist dabei sicherlich eine Ursache. Aber auch die Niedrigzinspolitik der EZB spielt hier eine unrühmliche Rolle. Es ist daher höchste Zeit, den Krisenmodus zu verlassen – im Interesse der jungen Generation, die auf private Rücklagen im Alter in viel stärkerem Maße angewiesen sein wird als die heutige Rentnergeneration.“

Auch in einigen anderen entwickelten Volkswirtschaften waren 2017 Prämienrückgänge zu beobachten, beispielsweise in Australien (-18,2%), Japan (-11,3%) oder Südkorea (-4,9%). Insgesamt schrumpften daher die Prämieneinnahmen in den Industrieländern in der Sparte Leben 2017 um 0,5%. Ganz anders dagegen die Schwellenländer: Hier legten die Prämien insgesamt um 17,2% zu.

Vor allem ein Land stach dabei heraus: China.

Von den rund 60 Milliarden Euro an zusätzlichen Prämien in der Sparte Leben entfielen rund 80% auf den chinesischen Markt. In beiden Sparten kombiniert belief sich der weltweite Prämienzuwachs des letzten Jahres auf insgesamt knapp 130 Mrd. Euro. Davon gingen beinahe 80% auf das Konto der Schwellenländer, wobei zwei Drittel davon wiederum auf China entfielen.

Für die Zukunft rechnet Allianz Research mit einer weiteren Erholung der Versicherungsmärkte. Nachdem das globale Prämienwachstum seit der Finanzkrise mit nominalen Zuwachsraten von etwas über 3% p.a. enttäuschend ausfiel, dürfte sich das Prämienwachstum in der nächsten Dekade auf rund 6% beschleunigen – und damit in etwa wieder die Vorkrisenwerte erreichen.

In diesem Aufschwung spiegeln sich ein wieder stabileres Wachstum der Weltwirtschaft sowie höhere Inflationsraten und Zinsen wider. Besonders ausgeprägt zeigt sich diese Entwicklung in den Industrieländern, nicht zuletzt in Westeuropa: Nach dem Nullwachstum der letzten zehn Jahre, sollten in Zukunft die Prämien wieder mit durchschnittlich knapp 3 Prozent pro Jahr zulegen. Die Sparte Leben (+6,4% p.a.) sollte dabei auf globaler Ebene wieder etwas schneller als die Sparte Schaden/Unfall (+5,4% p.a.) wachsen.

Die Gewichtsverschiebung zugunsten der Schwellenländer wird sich auch in den nächsten Jahren unvermindert fortsetzen. Ende der 2020er Jahre dürften etwa knapp 40% der globalen Prämieneinnahmen in diesem Länderkreis gezeichnet werden; vor 10 Jahren lag dieser Wert noch unter 10%. 

An der Spitze wird es dabei zu einem historischen Wachwechsel kommen: China wird die USA als größten Versicherungsmarkt überholen. Heute dominieren die USA noch uneingeschränkt: Mit 1,1 Bill. Euro oder gut 30% des globalen Beitragsaufkommens sind sie nach wie vor der größte Versicherungsmarkt weltweit, mit großem Abstand vor der Nummer 2, China, mit rund 420 Milliarden Euro.

„Langfristige Prognosen sind derzeit besonders schwierig, die Versicherungsmärkte befinden sich in einem fundamentalen Umbruch“, sagte Kathrin Brandmeir, Ökonomin bei Allianz Research. „Aus unserer Sicht bietet diese Disruption aber auch große Chancen. Mit den neuen Technologien kann Versicherungsschutz für mehr Menschen zugänglich und erlebbar gemacht werden, Versicherungsprodukte können attraktiver werden. Gelänge es dabei, die Kunden für Versicherungen so zu begeistern, dass sie wieder einen so hohen Anteil ihres Einkommens für Versicherungsschutz ausgäben wie vor der Krise, könnten Ende der nächsten Dekade die globalen Prämien um etwa 1 Billion Euro höher ausfallen als in unserem Basisszenario.“

Über die Allianz

Die Allianz Gruppe zählt zu den weltweit führenden Versicherern und Asset Managern und betreut mehr als 86 Millionen Privat- und Unternehmenskunden. Versicherungskunden der Allianz nutzen ein breites Angebot von der Sach-, Lebens- und Krankenversicherung über Assistance-Dienstleistungen und Kreditversicherung bis hin zur Industrieversicherung. Die Allianz ist einer der weltweit größten Investoren und betreut im Auftrag ihrer Versicherungskunden ein Investmentportfolio von über 650 Milliarden Euro. Zudem verwalten unsere Asset Manager Allianz Global Investors und PIMCO mehr als 1,4 Billionen Euro für Dritte. Mit unserer systematischen Integration von ökologischen und sozialen Kriterien in unsere Geschäftsprozesse und Investitionsentscheidungen sind wir der führende Versicherer im Dow Jones Sustainability Index. 2017 erwirtschafteten über 140.000 Mitarbeiter in mehr als 70 Ländern für die Gruppe einen Umsatz von 126 Milliarden Euro und erzielten ein operatives Ergebnis von 11 Milliarden Euro.

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Lorenz Weimann
Allianz SE
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