Stats and the City

Als der polnische Architekt Daniel Libeskind Städte als "die bedeutendsten Schöpfungen der Menschheit" bezeichnete, konnte er nicht ahnen, dass Megastädte die Menschheit einmal vor einige ihrer größten Herausforderungen stellen würden. Heute gibt es allein in China 15 Megastädte - Agglomerationsräume mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass die Zahl der Megastädte weltweit von 31 im Jahr 2016 auf voraussichtlich 41 im Jahr 2030 steigen wird.

Obwohl Megastädte pulsierende wirtschaftliche und kulturelle Zentren sind, kann die urbane Lebensqualität allein schon durch ihre schiere Größe massiv beeinträchtigt werden. Von der Infrastruktur über Ressourcen bis hin zur Mobilität ergeben sich mit den wachsenden Bevölkerungszahlen allerorts neue Herausforderungen. Staus, Umweltverschmutzung und Armut sind die am meisten verbreiteten Merkmale vieler schnell wachsender Städte.

Wie können wir diese Herausforderungen meistern? Big Data könnte eine Antwort liefern.

Menschen produzieren heute mehr Daten als je zuvor. Die elektronischen Breadcrumbs ("Brotkrümel"), die wir täglich in Form von 0-ern und 1-ern verstreuen, zeichnen Muster des realen Lebens nach. So sind zum Beispiel Smartphones eine riesige Datenquelle. Weltweit gibt es rund 7,7 Milliarden Handyverträge - mehr, als Menschen auf der Welt leben – die ständig Informationen über Standort, Kaufverhalten und Interessen des Einzelnen preisgeben.

Darüber hinaus kommen im Verkehrs- und Abfallmanagement bis hin zur Wasserversorgung überall automatische Sensoren zum Einsatz, die sich drahtlos vernetzen können und zu einem Internet der Dinge (IoT) werden. Mit derartigen Technologien kann nahezu jede soziale, wirtschaftliche und logistische Transaktion Einblicke in das Verhalten des Menschen schaffen. Nicht nur Unternehmen, sondern auch Regierungen sammeln täglich routinemäßig Milliarden von Daten. Clevere Städte nutzen dies, um Erkenntnisse zur modernen Stadtökologie zu gewinnen.

Seit 2009 hat die an der Nordküste Spaniens gelegene Stadt Santander ein Netzwerk von über 12.000 über die gesamte Stadtlandschaft verteilten Sensoren aufgebaut, um eine erstaunliche Vielfalt an Dienstleistungen anzubieten. Die Bewässerungsanlagen in öffentlichen Parks springen automatisch an, wenn die Sensoren ermitteln, dass der Boden zu trocken ist. Die Beleuchtung auf Wegen und Straßen ist gedämpft und wird nur heller, wenn die Sensoren erkennen, dass die Lauf- und Fahrwege tatsächlich benutzt werden. Die Stromkosten konnten so um 25 Prozent gesenkt werden. In ähnlicher Weise informieren in Mülleimern angebrachte Sensoren die Abfallwirtschaftsbetriebe, wenn die Behälter voll sind und senken damit die Kosten für die Müllabfuhr um 20 Prozent.

Und Santander geht den Weg der digitalen Innovation keinesfalls allein. Louisville in Kentucky (1,2 Millionen Einwohner) gilt schon seit längerem als weltweitführend in Sachen "intelligente Städte". So wurde die Stadt bereits 2012 zur „Top Digital City“ der USA gekürt und stand 2017 dem Projekt Google Fiber und anderen Gigabit-Anbietern sehr aufgeschlossen gegenüber.

Unlängst war Louisville die erste Smart City in den USA, welche die IFTTT-Plattform implementierte. (IFTTT steht für ‘If This Then That’, "Wenn dies, dann das".) Der Automatisierungsdienst vereinfacht das tägliche Leben sehr, denn er macht es möglich, dass "Smart Homes" ("intelligente Heime") sich mittels so genannter "Applets" mit Smart-City-Daten verbinden. So verändern etwa die Lichtquellen im Haus ihre Farbe, wenn die Messwerte eine Verschlechterung der Luftqualität ergeben. Die Bewohner werden so davor gewarnt, das Haus zu verlassen. Nutzer können des Weiteren Luftfilter installieren, die gleichzeitig aktiviert werden.

Allerdings schreiben nicht nur kleinere Städte Erfolgsgeschichten im Zusammenhang mit Big Data. Mit rund 37,9 Millionen Einwohnern in der Metropolregion ist die Shogun-Stadt Tokio zwar die größte Megastadt der Welt, aber sie ist auch weltweit führend, wenn es um Effizienz geht. Angefangen von der Basisinfrastruktur bis hin zu Logistik, Einzelhandel, Gesundheitswesen und Gastronomie bietet Tokio gleichzeitig eine hohe Lebensqualität für die Menschen, die dort wohnen oder die Stadt besuchen.

Im Zentrum des Ganzen sitzt die Tokioter Stadtverwaltung, die von der Energieeffizienz in den Gebäuden bis hin zur Null-Abfall-Initiative alles managt und überwacht, häufig mit Nutzung von Big Data. Die Bewirtschaftung von Tokio unterliegt jedoch nicht ausschließlich den Weisungen und Geboten der städtischen Regierung. Viele Unternehmen sind in die Bereitstellung von Smart Services ("intelligente Dienstleistungen") eingebunden. Die Zug- und U-Bahn-Systeme, ein Symbol für japanische Präzision, werden von staatlichen als auch privaten Unternehmen geführt.

Ein weiteres topaktuelles Beispiel ist Spatiowl von Fujitsu, eine integrierte Transportmanagementplattform, die ebenfalls in Tokio zum Einsatz kommt. Über Sensoren und mit Hilfe von Hadoop-basierter Big-Data-Analytik und Cloud-Technologie erstellt Spatiowl detaillierte Echtzeitmodelle von Verkehrs- und Menschenströmen. Mautgesellschaften in Indonesien nutzen Spatiowl, um Autofahrern Echtzeitinformationen über Verkehrsbelastungen zur Verfügung zu stellen und die Nutzung mautpflichtiger Straßen zu fördern.

Big Data und hochentwickelte Modellierungstechnologien bieten das Potenzial, Megastädte in digital vernetzte "smart cities" zu verwandeln, in denen Daten erhoben und ausgewertet werden, um die Lebensqualität zu verbessern und die Bürger noch besser unterstützen zu können.

Mit Hilfe von Big Data sind Behörden und Stadtplaner viel besser in der Lage, Infrastrukturinvestitionen zu planen und nach Prioritäten zu ordnen und messbar bessere Ergebnisse zu erzielen. Bauingenieure können präziser vorhersagen, was nötig ist, um städtische Wirtschaftsgüter wie Brücken und Straßen zu erhalten und ihren Nutzungszeitraum zu verlängern.

Ist diese Vision realistisch? Zwar sind die Grundzüge einer solchen Stadt bereits heute deutlich erkennbar, die Implementierung von Big Data impliziert jedoch, dass die Städte eine robuste IT-Infrastruktur brauchen und in der Lage sein müssen, die gewonnenen Einsichten in die Tat umzusetzen. Dennoch tun sich viele Megastädte, insbesondere in Schwellenländern, schwer, selbst einfache Basisdienstleistungen zu erbringen und Basisinfrastrukturen zur Verfügung zu stellen, geschweige denn, sich um Big Data Gedanken zu machen.

Im Jahr 2050 werden voraussichtlich 85 Prozent aller Menschen in Städten und manchen Schätzungen zufolge sieben von zehn Menschen in Megastädten leben. Erfolgreiche Megastädte werden diejenigen sein, die einen Weg finden, Big Data zielgerichtet zu nutzen, um effizient, effektiv und unmittelbar auf die Bedürfnisse ihrer Bürger reagieren zu können.

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Petra Brandes
Allianz SE
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