Europa 2022

Das ist keine einfache Aufgabe in einem Umfeld, das durch aufgeregte Medienberichterstattung und Zielkonflikte geprägt ist. Umso entscheidender wird es sein, dass wir als Bürger Europas gemeinsam der europäischen Idee den Rücken stärken und vorausschauende Entscheidungen ermöglichen. Aus meiner Sicht ist es eine Reihe von Schritten, die ein starkes Europa formen können:

Um die europäischen Institutionen zu stärken, müssen wir ihre demokratische Legitimation erhöhen. Wir brauchen ein europäisches Parlament mit gesetzgebender Initiative. Ein direkt gewählter EU Präsident und eine gestraffte EU Kommission, in der Ämter nach Leistung und nicht nach Nationalität vergeben werden, wären logische weitere Schritte.

Der Transfer von Hoheitsrechten ist die größte Hürde auf dem Weg zu einem stärker integrierten Europa. Entscheidungen dazu müssen alle Regierungen einstimmig beschließen. Nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Bürger wird dieser Schritt gelingen.

Die finanzpolitische Steuerung wird eine zentrale Aufgabe der gestärkten EU Institutionen sein.  Staaten müssen mit dem Eingriff der EU rechnen, wenn sie vereinbarte Regeln brechen. Wir brauchen eine Kontrolle durch eine EU Institution mit Entscheidungsbefugnis und präzisem Regelwerk, das einen EU Finanzkommissar ermächtigt, einzuschreiten.

Michael Diekmann, Vorstandsvorsitzender der Allianz SE

Michael Diekmann: "In unserer heutigen Welt ist die europäische Einheit der Weg nach vorne, wenn wir unseren Einfluss in der Welt bewahren und unseren Wohlstand für kommende Generationen sichern wollen."

Gleichzeitig sollte für die wirtschaftspolitische Steuerung ein Mechanismus auf EU-Ebene zur Verfügung stehen, der frühzeitig die Entwicklung von Ungleichgewichten erkennt und korrigiert, bevor sie großen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten.

Diese finanz- und wirtschaftspolitische Steuerung zur Sicherung der Stabilität sollte durch politische Maßnahmen begleitet werden, die Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit fördern. Eine gemeinsame Politik in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarktmobilität, Verkehr und Energie wären naheliegende Kandidaten um dieses Wachstum durch Investitionen in Europas physische und intellektuelle Infrastruktur zu stimulieren.

Eine weitere politische Maßnahme ist die Bankenunion, die als notwendige institutionelle Ergänzung der Währungsunion langfristig zur Stabilität des Euroraums beitragen kann. Zum Nulltarif wird es allerdings auch eine Bankenunion nicht geben. Die heiklen politischen Fragen nach dem erforderlichen Ausmaß des Souveränitätsverzichts und der Transfermechanismen lassen sich mit einer Bankenunion nicht umgehen, auch wenn die EZB die Rolle des europäischen Bankenaufsehers übernimmt.

Und schließlich sollte die EU innerhalb der nächsten zehn Jahre eine Insolvenzordnung für Staaten etablieren, die Mitgliedsstaaten in Krisen Liquidität anbieten kann, gleichzeitig aber auch einen geordneten Prozess im Falle des Zahlungsausfalls garantiert. Dieser unwahrscheinliche, jedoch mögliche Fall muss effizient gemeistert werden können, um eine Wiederholung der aktuellen Situation zu vermeiden, in der mit scheinbar endlosen Rettungsanstrengungen ungeordnete Staatspleiten verhindert werden sollen.

Die Kombination dieser Schritte sollte dazu beitragen, das allmähliche Verblassen der globalen Bedeutung Europas als wirtschaftliche und politische Kraft zu stoppen. Ansonsten wird sich dieser Prozess in einer Welt mit schnell wachsenden neuen Mächten und demographischen Verschiebungen weiter beschleunigen. Während die Bevölkerung Asiens bis 2050 um 1,7 Milliarden Menschen wachsen wird und in Afrika zwei Milliarden Menschen leben werden, schrumpft Europa um 20 Millionen Menschen.

Kein einzelnes Land in Europa wird in der Lage sein, einen wesentlichen Einfluss auf die Grundfesten und Werte der zukünftigen Weltwirtschaft und politischen Ordnung auszuüben; auch Deutschland nicht, dessen Einwohner gerade einmal 1,1 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen – ein Anteil zudem, der angesichts unserer alternden Bevölkerung weiter sinken wird. Wie erfolgversprechend wäre es, wenn Deutschland in der internationalen Arena seine Sicht auf Umweltthemen und Klimaschutz, auf soziale Werte oder soziale Marktwirtschaft alleine, ohne seine europäischen Partner geltend machen müsste? Dieses Argument gilt umso mehr für die kleineren Staaten in der EU.

Die europäische Integration und Einheit muss daher auf die nächste Stufe gehoben werden. Die Ambition der Politik sollte es daher sein, die Unzulänglichkeiten im bestehenden Rahmenwerk des Euros zu eliminieren, um die Integration und Einheit unter den Mitgliedern der Währungsunion und der EU weiter zu fördern. Oder, kurz gesagt, den Alten Kontinent zu vereinen und nicht zu teilen.

In unserer heutigen Welt ist die europäische Einheit der Weg nach vorne, wenn wir unseren Einfluss in der Welt bewahren und unseren Wohlstand für kommende Generationen sichern wollen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich unter dem Titel "Ermächtigung für einen EU-Finanzkommissar" in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 06.12.2012


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Christian Kroos
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Michael Matern
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