Trumponomics

Die Vorhaben der neu gewählten US-Regierung werden in Amerika zu einem Wettlauf zwischen Wachstum und Verschuldung führen, so die Analyse der Allianz-Ökonomen Mohamed A. El-Erian und Michael Heise.

Was bedeutet das für die Generation der unter 40-Jährigen?

 

Selten war es für die Millennials schwieriger zu antizipieren, in welcher Weise sie von den Plänen einer neu gewählten US-Regierung in Bezug auf Arbeitsplätze, Inflation und Wachstum betroffen sein werden. Eines ist jedoch klar: Die Vorhaben der US-Regierung werden in Amerika zu einem Wettlauf zwischen Wachstum und Verschuldung führen, so die Analyse der Allianz-Ökonomen Mohamed A. El-Erian und Michael Heise.


Wenn die größte Wirtschaftsmacht der Welt ihre Infrastrukturausgaben produktiv erhöht und das Steuerwesen in geeigneter Weise reformiert, wird letztendlich das Wachstum obsiegen. Wenn jedoch der Protektionismus den Welthandel beeinträchtigt und die Regierung gezwungen ist, zur Finanzierung ihres militärischen Aufrüstens hohe Kredite aufzunehmen, werden die Schulden triumphieren. Das wird schwerwiegende Konsequenzen für alle heute 40-Jährigen und jünger haben, die arbeiten und Geld zurücklegen möchten, denn die Folge wäre das ungleich höhere Risiko der "Doppelseuche" einer Stagflation, also eines gleichzeitigen Auftretens von Stagnation und Inflation.

Michael Heise und Mohamed A. El-Erian

Allianz-Ökonomen Michael Heise (links) und Mohamed A. El-Erian (rechts)

Die derzeitige Regierung strebt die bislang größte Steigerung der Militärausgaben zu Friedenszeiten in der Geschichte an, während diverse Inlands- und Sozialprogramme gleichzeitig radikal gekürzt werden. Welche Auswirkungen hat das auf die jungen Leute?



MICHAEL HEISE: Kurzfristig könnte eine Erhöhung der Militärausgaben tatsächlich zu einer Ankurbelung der Wirtschaft führen. Langfristig gesehen ist es jedoch insbesondere für die jüngere Generation kein Vorteil, da militärische Ausrüstung und militärische Anlagen keinerlei finanzielle Rendite bringen und die Schulden von den nachfolgenden Generationen zurückgezahlt werden müssen.


MOHAMED A. EL-ERIAN: Die derzeitigen politischen Vorhaben münden in einen konjunkturellen Wettlauf zwischen Verschuldung und Wachstum. Das ist wichtig. Wenn am Ende das Wachstum als Sieger hervorgeht, geht es den Menschen finanziell besser und sie haben jetzt und in Zukunft bessere Chancen auf Wohlstand. Obsiegen jedoch die Schulden, werden die Menschen, und insbesondere die junge Generation, finanziell schlechter dastehen. Sie hätten eine größere Schuldenlast zu tragen, ohne eine entsprechende Einkommenssteigerung oder ein höheres Ertragspotenzial.


Gerade hat die neue Regierung unter Präsident Trump mehrere Pläne zur Wachstumsförderung vorgelegt: mehr finanzpolitischer Aktivismus, wobei die Militärausgaben nur ein Teilelement sind, Änderungen eines Steuersystems, das seit Mitte der 80-er Jahre keine tiefgreifende Reform mehr erfahren hat, sowie Infrastrukturausgaben und Bestrebungen, produktive Aktivitäten im Privatsektor zu unterstützen und Deregulierungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Wenn diese Strategien gut konzipiert sind und nachhaltig umgesetzt werden, hätte das Wachstum gute Chancen, das Rennen zu gewinnen.


Gäbe es da nicht noch ein zweites, wachstumsfeindliches Maßnahmenpaket mit eindeutig stagflationären Tendenzen, sprich diese Maßnahmen würden ein stagnierendes Wachstum und eine höhere Inflation nach sich ziehen. Stagflation ist ein denkbar schlechtes Szenario. Und genau dorthin würde Protektionismus uns führen. Wenn diese Vorschläge sich durchsetzen, würden die Schulden das Rennen machen.

Mohamed A. El-Erian

Die neue Regierung verspricht, Finanzvorschriften, Umweltauflagen und andere Bestimmungen zu lockern, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln...



MOHAMED A. EL-ERIAN: Die Geschichte lehrt uns, dass Bestimmungen und Regulierungen dazu neigen, wie ein Pendel auszuschlagen - und zwar über den Gleichgewichtspunkt hinaus. Das Pendel hat sich von einer Unterregulierung im Vorfeld der globalen Finanzkrise von 2008 hin zu einer Überregulierung bewegt und ist momentan gerade im Begriff, wieder zurückzuschwingen.

 
MICHAEL HEISE: Ähnlich verhält es sich mit der internationalen Zusammenarbeit in Regulierungsfragen. Nach der Finanzkrise setzten sich die G20-Staaten für die Schaffung international einheitlicher Wettbewerbsbedingungen ein. Mittlerweile sehen wir eine Entwicklung hin zu individuellen nationalen Regelungen, die eine Fragmentierung der Finanzmärkte nach sich ziehen werden. Das ist definitiv nicht im Interesse der Millennials und der Sparer. Es untergräbt die Stabilität des Finanzwesens und eröffnet die Möglichkeit zur Arbitrage, sodass Unternehmen in die Länder gehen, in denen sie die größten Vorteile für sich sehen. Das ist enttäuschend. Die Lehre, die wir aus der Finanzkrise gezogen haben, lautete, dass wir eine bessere Koordinierung und Regulierung der internationalen Märkte brauchen, denn die Finanzwirtschaft ist ein globales Geschäft.  Das ist scheinbar schon wieder in Vergessenheit geraten.

Welche Chancen und welche Risiken birgt der Protektionismus?



MOHAMED A. EL-ERIAN: Beim letzten G20-Treffen ist klar geworden, dass eine Ablehnung des Protektionismus dort keine allgemeine Unterstützung mehr findet. Das ist neu. Ich bin mir aber nicht sicher, ob diese Rhetorik sich mit dem übersetzen lässt, was jungen Menschen Angst macht, nämlich eine dauerhafte Distanzierung von Freihandelsabkommen und Globalisierung.  Sollte die neue Regierung tatsächlich, wie im Präsidentschaftswahlkampf angekündigt, das nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) aufkündigen, Waren aus China und Mexiko mit hohen Zöllen belegen und das Freihandelsabkommen mit Korea beenden, so wäre das ein herber Schlag für das Weltwirtschaftswachstum, denn diese Maßnahmen bergen von jeher stagflationäre Risiken in sich.  
Überwiegt jedoch die Vernunft, glaube ich nicht, dass es so weit kommen wird. Vielleicht müssen manche Verträge neu ausgehandelt werden, aber es wird nicht unbedingt zu einem Handelskrieg führen.


MICHAEL HEISE: Protektionismus hätte massive negative Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft. Man kann es zwar nicht ausschließen, aber es ist dennoch ein sehr unwahrscheinliches Szenario, denn es wäre auch für einen US-Präsidenten äußerst schwierig, Maßnahmen durchzusetzen, die dem amerikanischen Verbraucher schaden würden, und Protektionismus würde genau das tun. Mexikanische und chinesische Produkte mit Zöllen zu belegen, würde viele Konsumgüter in den USA deutlich teurer machen - von Äpfeln bis Apple. Deshalb denke ich, dass rationales Verhalten die Oberhand behalten wird.

Michael Heise

Sollte die Vision der Trump-Regierung dennoch Realität werden, wie wird die Wirtschaft dann in vier Jahren aussehen?



MOHAMED A. EL-ERIAN: Die US-Wirtschaft wird entweder viel besser oder viel schlechter dastehen!
Positiv zu bewerten wäre das Potenzial, die festgefahrene Situation im Congress, die die Wirtschaftspolitik seit sieben Jahren praktisch blockiert, aufzuheben. Das würde helfen, Kapital und Wirtschaftstätigkeit freizusetzen, und die Aussichten sowohl für das tatsächliche, als auch für das potenzielle Wachstum wären weitaus günstiger.  
Ein Abrutschen in den Protektionismus würde wiederum eine politische Lähmung herbeiführen und einen Bruch innerhalb der republikanischen Partei heraufbeschwören. Die US-Notenbank (Federal Reserve Bank) ist nicht in der Lage, das Wachstum zu unterstützen, wie sie es in der Vergangenheit getan hat.  
Der Weg, den wir bislang gegangen sind - niedriges, aber stabiles Wachstum und Zentralbanken, die die Volatilität auf den Finanzmärkten eindämmen – ließe sich schwer weiterverfolgen. Das Ganze wird kippen. Im Moment ist nur nicht klar, zu welcher Seite. Dafür liegen uns zu wenige Daten vor.


MICHAEL HEISE: Auch für das US-amerikanische und die europäischen Wirtschaftssysteme gibt es ein positives Szenario, in dem Infrastrukturpläne umgesetzt und die Probleme des US-Steuersystems auf vernünftige Art und Weise gelöst und so private Investitionen stimuliert werden, was zu mehr Wachstum führen wird. Das würde auch der Wirtschaft in Europa helfen. Aber die US-Regierung muss die richtige Balance finden. Es gibt in der Tat ein Risiko zu vieler Impulse, was dazu führen könnte, dass ein wirtschaftlicher Aufschwung in einer Pleite mündet. Auslöser dafür könnte zum Beispiel eine extrem expansionistische Fiskal- und Geldpolitik, begleitet von Deregulierung, sein. Die Folge wäre eine konjunkturelle Überhitzung. Dieses Risiko ist unserer Meinung nach größer als die Gefahren eines uneingeschränkten Protektionismus.

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Thomas Atkins
Allianz SE
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