Geld für die Infrastruktur

Inzwischen ist die Infrastruktur in Industrieländern etwa 30 bis 50 Jahre alt und entsprechend marode. Maximilian Zimmerer, Vorstandsmitglied der Allianz, erklärt, wie Versicherer dabei helfen können, Straßen, öffentliche Gebäude und Kraftwerke zu erneuern.

 

Wer einmal in New York einen Stromausfall erlebt, in London zur Hauptstoßzeit Zug fährt oder in Köln im Autobahnstau steht, weil eine Rheinbrücke wegen technischer Mängel gesperrt werden muss, der spürt unmittelbar, was Defizite beim Infrastrukturausbau für Folgen haben.

 

Die Mängel werden immer offensichtlicher. Allein die Verkehrsstaus in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den USA kosteten 2013 diese vier Volkswirtschaften 160 Milliarden Euro. In dieser Zahl enthalten sind die verringerte Arbeitnehmerproduktivität, Preissteigerungen durch erhöhten Transportaufwand und Kosten aus dem überhöhten Kohlendioxid-Ausstoß. Das sind 0,8 Prozent der aufaddierten Bruttoinlandprodukte (BIP), sagt das Londoner Center for Economics and Business Research. Es prognostiziert für diese Länder pro Jahr 240 Milliarden Euro staubedingte Kosten bis 2030, wenn der Straßenbau nicht mit der Fahrzeugdichte mithält.

 

Inzwischen ist die Infrastruktur in Industrieländern etwa 30 bis 50 Jahre alt und muss renoviert oder ausgetauscht werden. Doch die öffentlichen Investitionen in Straßen, Kraftwerke, öffentliche Gebäude  und Netze sind länderübergreifend gefallen. Seit 2003 sind die Abschreibungen auf die Infrastruktur in Deutschland höher als die entsprechenden Investitionen der öffentlichen Hand. Jedes Land benötigt aber unbedingt eine wettbewerbsfähige Infrastruktur und entsprechende Investitionen, um Wachstum und Beschäftigung zu sichern.

 

 

Infrastrukturfinanzierung, Wachstumsstimulierung und Entlastung der Haushalte

 

Infrastrukturinvestitionen wirken kurzfristig nachfragefördernd und erhöhen auf lange Sicht das volkswirtschaftliche Produktionspotenzial; laut IWF macht dieser Produktivitätseffekt etwa 1,5 Prozent des BIPs aus, wenn die Infrastrukturinvestitionen um einen BIP-Prozentpunkt gesteigert werden. Die Summen, um die es dabei geht, sind allerdings gewaltig. Um den globalen Infrastrukturbedarf bis 2030 zu decken, müssten nach Berechnungen von McKinsey in diesem Zeitraum 46 Billionen Euro investiert werden. Das bedeutet: Jahr für Jahr müssten weltweit nicht 2,2 Billionen Euro wie bisher, sondern 3 Billionen Euro in diese Projekte fließen.

 

Sicher ist: Die meisten Staaten können Investitionen in der entsprechenden Größe nicht stemmen. Nahezu alle Länder müssen zunächst ihre Haushalte konsolidieren. Hinzu kommen  demografiebedingte Mehrausgaben ihrer sozialen Sicherungssysteme.

 

In dieser Lage mehr Verschuldung zu fordern, wie es viele Ökonomen und der IWF tun, würde nicht nur das Bekenntnis Europas zum Stabilitätspakt untergraben - mit unabsehbaren Folgen. Der Politik würde durch steigende Zinslast der Gestaltungsraum genommen. Kommenden Generationen hätten eine noch höhere Tilgung zu tragen.

 

Die jetzt aktive Generation wiederum muss zunächst ausreichend für ihren Ruhestand vorsorgen, was ihr durch den langdauernden Niedrigzins sehr erschwert wird.   

 

Was liegt also näher, als diese bereits lose verknüpften Herausforderungen zu einer für alle Seiten befriedigenden Lösung enger zusammenzuführen und privates Altersvorsorgekapital zur Infrastrukturfinanzierung, Wachstumsstimulierung und Entlastung der Haushalte heranzuziehen?

 

Versicherungen und Pensionsfonds verfügen über rund 40 Billionen Euro Investitionsmittel, von denen weniger als ein Prozent in Infrastrukturprojekten angelegt sind. Sie können und wollen Bau, Betrieb und Finanzierung von Straßen, Netzen, Versorgungseinrichtungen und öffentlichen Gebäuden deutlich ausweiten. Dabei sind verschiedene Kooperationsformen mit der öffentlichen Hand denkbar; in jedem Fall setzt der Staat die Rahmenbedingungen, so dass das Gemeinwohlinteresse gewahrt bleibt. Betriebskosten und Kapitaldienst können durch Gebühren der Nutzer aufgebracht werden.  

 

Wenn Infrastruktur privat finanziert und betrieben werden soll, dürfen die Kosten hierfür dauerhaft nicht höher sein als bei öffentlicher Finanzierung. Sind die Zinsaufwendungen bei privater Finanzierung höher, muss diese durch Effizienz beim Bau und Betrieb des Projekts  kompensiert werden.

 

Es ist deshalb gut, dass sich Politik und institutionelle Investoren gerade aufeinander zubewegen. Es dient allen, wenn Projektvergabe und -bewertung verschlankt, standardisiert und möglichst transparent gestaltet werden und nachträgliche Änderungen von Vereinbarungen ausgeschlossen sind.

 

Wenn dann deutlich mehr öffentlich-private Vorhaben auf den Markt kommen – gut so für die gesamte Volkswirtschaft.

 

 

(Zuerst veröffentlicht im Handelsblatt vom 7. Januar 2015)

Maximilian Zimmerer, Mitglied des Vorstands der Allianz SE
Maximilian Zimmerer, Mitglied des Vorstands der Allianz SE

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Michael Matern
Allianz SE
Tel.: +49.89.3800-2960
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