Tsunami 2004: „Kurz vor der Reise hatten wir noch das Hotel umgebucht.“

Tileman Fischer schildert seine persönlichen Erlebnisse und die von ihm unterstützten Hilfsmaßnahmen unmittelbar nach dem Tsunami. Er ist ehemaliger CEO von Allianz Reinsurance Asia Pacific in Singapur (ARAP). Zur Zeit des Seebebens machte er Urlaub auf Sri Lanka.

 

Wie erlebten Sie den 2.Weihnachtstag 2004?

 

Tileman Fischer: Wir waren Gäste in einem Ayurveda Hotel an der Südküste der Insel unweit der bekannten Stadt Galle. Das Hotel liegt auf einer Anhöhe einer ehemaligen Kokosplantage, 8-10 Meter über dem Meeresspiegel, ca. 50 Meter vom Strand entfernt.

 

 

Wo hielten Sie sich während des Tsunamis (der Flutwellen) auf?

 

Die Flutwelle ereignete sich gegen 9.30 Uhr. Wir waren beim Frühstück auf der Hotelterrasse. Wir hörten das tosende Meer, konnten aber von der Terrasse die Küste und somit die eigentliche Flutwelle nicht sehen. Es mag Schicksal sein, das wir an jenem Morgen auf unseren Spaziergang nach dem Schwimmen am Strand verzichteten. Schicksal vielleicht auch, dass wir kurz vor unserer Reise das Hotel umbuchten.

Das zunächst gebuchte Hotel wurde durch den Tsunami zerstört.

 

 

Was waren Ihre Eindrücke nach dem Ereignis?

 

Als wir nach dem Frühstück zum Meer gingen, waren alle Grenzmauern des Grundstückes zerstört. Über die Ausmaße der Katastrophe erfuhren wir erst vom Hotelmanagement. Am Nachmittag gingen wir zu Fuß in die benachbarten Dörfer, um uns ein Bild von den Zerstörungen zu machen. Über 5000 Menschen hatten durch die Wucht des Tsunamis in den umliegenden Dörfern an der Küste ihr Leben verloren. Andere waren in das höher gelegene Kloster geflüchtet. Besetzte Eisenbahnzüge waren umgestürzt, alle Häuser bis ca. 300 Meter vom Wasser entfernt waren zerstört oder stark beschädigt, Schiffe waren vom Strand auf die Straßen geworfen worden. Die Zerstörungskraft der Welle hatte wenig verschont.

 

 

Was hat Sie besonders erschüttert?

 

Die Frau eines Hotelmitarbeiters hatte zum Zeitpunkt des Tsunamis ihre Kinder vor dem Haus in einer Wanne gewaschen. Alle drei wurden von der Welle mitgerissen und ertranken.

 

 

Wie lief Ihre Hilfsaktion an?

 

Spontan sammelten wir unter den Hotelgästen 1000 Euro für die Notverpflegung der Menschen, die in den höher gelegenen Tempel geflohen waren. Die Gerichte bereitete die Hotelküche zu, wir halfen bei Verpackung und  Verteilung. Nahrungsmittelbeschaffung war kein Problem, da das Hinterland nicht zerstört war.

 

Als nächstes rief ich einen Freund in München an, um ihn um eine Spendenaktion über Rotary und den Johanniterorden zu bitten. 10.000 Euro erreichten uns nach wenigen Tagen.

 

 

Wie ging es dann weiter?

 

Die Eigentümerfamilie hatte an der Westküste, südlich von Colombo, ihr erstes Hotel bei dieser Katastrophe verloren und konzentrierte sich dennoch auf die Hilfe im Umfeld ihres zweiten Hotels – unserem – um den hier stark betroffenen Angestellten und ihren Familien schnell zu helfen. Sofortbedarf: sauberes Wasser, Abwasser regeln (Sickergrube), Küchenausrüstung und Wiederherstellung der Hütten. Die Betroffenen nahmen jede Hilfe gerne an.

 

Wir verlängerten unseren Aufenthalt um einige Tage, während viele Gäste die Insel verlassen wollten, aber am völlig überlasteten Flughafen von Colombo stecken blieben.

 

 

Was waren die Maßnahmen im Einzelnen?

 

Schneller provisorischer Wiederaufbau der Häuser mit Zugang zu sauberem Wasser, die Wiederherstellung der dörflichen Infrastruktur vor allen Dingen Schule und Kindergarten. Die Sicherung der Arbeitsplätze, d.h. der Wiederaufbau einer kleinen Bootsflotte für den Fischfang, war ebenfalls wichtig.

 

Die Hütten mussten also schnell wieder hergerichtet werden, bevor der Staat, wie beschlossen, die Bewohner umsiedelt, um den Küstenstreifen touristisch zu nutzen. In der Hotelwerkstatt wurden dafür Bauteile für die Hütten hergestellt, die dann vor Ort zusammengesetzt wurden. Die Ausrüstung zur Wasseraufbereitung wurde von Freunden aus Singapur beschafft. Ein Staatsprogramm hätte die Menschen über eine sehr lange Zeit in Zeltlagern untergebracht, wie bereits an anderen Stellen geschehen. Ebenso richteten wir zeitgleich den örtlichen Kindergarten wieder her. Diese Maßnahmen konnten aus unserem Spendenfond finanziert werden, wobei erwartungsgemäß die Material- und Arbeitskosten erheblich anstiegen.

 

 

Wann und wie kam die Allianz ins Spiel?

 

Nachdem ich mehrmals von Singapur nach Sri Lanka geflogen war, um den Fortgang des Wiederaufbaues zu begleiten, hatte sich unser Engagement auf Sri Lanka herumgesprochen mit der Folge, dass die Allianz München ebenfalls finanzielle Hilfe anbot. Mit diesem Geld konnten wir eine große Schule, die weiter im Inland lag, renovieren und vergrößern, um so Ersatz zu schaffen für die in Wassernähe gelegenen und nun zerstörten Zwergschulen. Die Renovierung und Vergrößerung war aus Sicht der Behörden einfacher als ein Neubau und sofort möglich.

 

Die Schule wurde etwa 6 Monate später fertiggestellt, und wir konnten an der Eröffnung teilnehmen. Die Dharmaraja School in Weligama ist inzwischen mit einer Gedenktafel versehen, die an den Spender Allianz erinnert. Mercedes Singapur spendete für uns einen Schulbus, um die Schüler von der Küste zur Schule und zurück zu bringen.

 

 

Was hat Sie rückblickend zu Ihrer sehr aktiven Hilfsbereitschaft bewegt?

 

Sie werden verstehen, es ist etwas komplett anderes, wenn man so eine Katastrophe vor Ort und das Leid danach erlebt, als wenn man die Berichte in der Zeitung liest. Ferner lebte ich damals in der stark betroffenen Region. Und die Tatsache, dass wir zweimal einen Schutzengel hatten – einmal durch unser umgebuchtes Hotel und zweitens dadurch, dass wir an jenem Morgen nicht am Strand waren, berührte uns besonders.

 

 

Wie beurteilen Sie die Hilfsmaßnahmen in Sri Lanka im Rückblick?

 

Mit dem Geld aus Deutschland konnten wir dort sehr viel bewegen und Soforthilfe leisten. Und dann kommt ein Punkt, an dem der Katastrophen-Einsatz in Entwicklungshilfe übergeht. Wir wollten mit der Schule und dem Kindergarten nachhaltige Hilfe leisten. Aus dieser Erfahrung heraus können wir sagen, dass zumindest in Sri Lanka mehrheitlich nur die privaten Projekte erfolgreich waren.

 

 

Folgte danach noch eine Hilfsmaßnahme?

 

Eine weitere Maßnahme hatte unser Hotelmanagement angeregt. Es ging darum, dass die Fischer, die ja weiterhin in ihren Häuser am Strand leben wollten, auch wieder ihrer Arbeit nachgehen konnten. So habe ich mit Schiffswerften gesprochen, und nachdem wir einen geeigneten Schiffstypus gefunden hatten, wurden für die lokalen Fischer zahlreiche Schiffe gebaut.  

“Tsunami Evakuiuerung”-Schild in Phuket, Thailand (Photo: Oleg Golovnev / Shutterstock.com)
“Tsunami Evakuiuerung”-Schild in Phuket, Thailand (Photo: Oleg Golovnev / Shutterstock.com)

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Bettina Sattler
Allianz SE
Tel.: +49.89.3800-16048
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