Lernen von den Schülern

Martin hat sich für diesen besonderen Anlass mit Anzug und Krawatte schick gemacht. Sein Klassenkamerad Branko (Namen von der Redaktion geändert) hingegen ist leger erschienen - dafür überzeugt er in der Vorstellungsrunde mit sympathischer Souveränität: "Ich freu' mich auf’s Berufsleben, denn dann geht mal wieder etwas voran und ich verdiene mein eigenes Geld".

Martin, Branko und zehn weitere 14- bis 16-Jährige, die eine Förderschule in Dachau besuchen, sind in der Münchner Allianz Hauptverwaltung zu Gast. Ein ganztätiges Bewerbungstraining steht auf dem Stundenplan - etwas lernen werden jedoch nicht nur die Jugendlichen, sondern auch zwei Handvoll Nachwuchsmanager aus dem Versicherungskonzern, seitdem das sogenannte "Corporate Volunteering" fest im Ausbildungsprogramm für die künftige Führungsriege verankert ist.

"Die angehenden Führungskräfte lernen, ihr Wirken aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und sich in ungewohnten Situationen zu bewähren. Gerade für leitende Angestellte sind das wichtige und wertvolle Erfahrungen", erklärt Ulrich Schumacher, Personalvorstand der Allianz Deutschland AG.

Präsentationen, Praxis-Tipps und Rollenspiele: Vorbereitung auf das Berufsleben

Ein bisschen aufgeregt sind sie vor der Veranstaltung alle: Die Allianz Mitarbeiter, die das Programm mit Kennenlernrunde, Gruppen-Workshops, gemeinsamem Mittagessen und Feedback-Gesprächen vorbereitet haben und doch so gar nicht einschätzen können, wie es aufgenommen wird. Ebenso die Schüler, von denen die meisten das erste Mal ein großes Unternehmen von innen erleben. Und dann sind da noch die Lehrer, die so gar nicht einschätzen können, ob sich Anzugträger und Kids auf Anhieb verstehen und der Tag problemlos ablaufen wird.

Alles halb so wild - sämtliche Berührungsängste werden gleich zu Beginn abgebaut: Die Entdeckung, dass auch die Dame im Kostüm und der Herr mit Doktortitel und Schlips in ihrer Freizeit Fußball gucken, dieselbe Sportart betreiben und das gleiche Harry-Potter-Buch gelesen haben wie der angehende Fleischer-Lehrling, lockert die Atmosphäre schnell auf. Und bei der gut gelaunten Schüler-Frage an eine aus Mexiko stammende Allianz Mitarbeiterin: "Ich habe noch nie eine Mexikanerin getroffen. Tragen in Ihrer Heimat wirklich alle Sombreros?" lachen alle - gemeinsam.

Im Mittelpunkt des Tages steht natürlich das Bewerbungstraining und die Vermittlung von fachlichen und sozialen Kompetenzen, die für die bald ins Berufsleben startenden Schüler wichtig sind. Es werden Praxis-Tipps, Präsentationen und Rollenspiele angeboten – alles Inhalte, die in der Schule schwer vermittelt werden können und bei denen sich die Führungskräfte auf vertrautem Terrain bewegen. Die Lehrer loben die von der Allianz Projektgruppe ausgearbeiteten Teilnehmerunterlagen: "Da kann sich mancher Schulbuch-Verlag ein Beispiel nehmen".

Noch wichtiger bei dieser Veranstaltung ist aber der Perspektivenwechsel, die neue Erfahrung, vom jeweils anderen zu lernen zu können: Während sich die Manager im Alltag vor allem mit zähen Powerpoint-Präsentationen anstatt mit einer Gruppe auch mal launischer Teenager auseinandersetzen, erleben die Schüler Erwachsene sonst primär in Form ihrer Eltern, Lehrer oder Ausbilder.

Vor Fremden zu präsentieren und dafür Interesse, sogar Applaus ernten, ist für die Jugendlichen ein ganz besonderes Erlebnis. Aber nicht zwangsweise ein einmaliges: Sie erhalten Mail-Adressen und Telefonnummern der Allianz Mitarbeiter, um bei Interesse auch nach der Veranstaltung einen Ratschlag einzuholen oder ein Treffen zu vereinbaren.

Voneinander lernen: Die Allianz hat Schüler und Manager für einen Tag zusammengebracht

Bereits seit 2002 betreibt die Allianz Corporate Volunteering. Unterstützt wird sie dabei von dem Verein "Lichterkette e.V.", der Firmen und Institutionen wie Schulen oder Sozialeinrichtungen für entsprechende Projekte zusammenbringt. In den vergangenen Jahren haben auf diesem Weg Allianz Mitarbeiter zum Beispiel gemeinsam mit lernschwachen Jugendlichen Renovierungsarbeiten in einem Erziehungshilfezentrum durchgeführt, einen Stadt-Ausflug mit Flüchtlingskindern unternommen oder beim Aufbau einer Homepage für eine Kinderbegegnungsstätte geholfen.

Mittlerweile ist das Absolvieren eines Volunteering-Projekts fester Bestandteil der Führungskräfteausbildung in der Allianz. Aber auch Praktikanten erhalten die Möglichkeit, sich während ihrer Zeit im Unternehmen ehrenamtlich zu engagieren. Bis dato haben knapp 300 Personen an den Programmen teilgenommen.

Dass die Idee "gezündet" hat, beweist nicht zuletzt der Allianz Manager, der beim Bewerbungs-Training für die Dachauer Förderschüler eingangs noch erwähnt hatte, er arbeite so viel, dass er kaum Zeit für Hobbys habe. Zum Schluss der Veranstaltung vereinbart er spontan ein weiteres Treffen mit einem der Schüler, um ihn auf dem Weg in eine Anstellung zu unterstützen. Sein Kommentar: "Mich hat begeistert, dass wir es geschafft haben, andere zu begeistern."