Aufschwung in Deutschland gewinnt wieder an Fahrt

Wenn die europäische Schuldenkrise nicht erneut eskaliert, sind die Perspektiven der deutschen Wirtschaft recht positiv. "Im Verlauf von 2012 und 2013 rechnen wir mit einem Wirtschaftswachstum von jeweils rund 2 Prozent. Wegen des geringen "Wachstumsüberhangs" aus 2011 ergibt sich damit im Jahresdurchschnitt 2012 nur ein BIP-Zuwachs von 1,0 Prozent, im Jahresdurchschnitt 2013 dann aber ein Zuwachs von 2,0 Prozent. Ein derartiges Wachstumstempo ist ausreichend, um den Aufschwung am Arbeitsmarkt weiter zu unterstützen. Ende 2013 wären dann nur noch 2,5 Millionen Menschen arbeitslos in Deutschland", sagte Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz.

Wenngleich die Lage in Europa kritisch bleibt, sind doch erhebliche Fortschritte bei der Bekämpfung der Schuldenkrise auszumachen. "Die zentralen Akteure tragen ihren Teil dazu bei: Die Regierungen in den Peripherieländern beweisen Sparwillen, die europäische Politik ist insbesondere mit dem Fiskalpakt einen wichtigen Schritt vorangekommen und die Europäische Zentralbank hat auf ihre Weise einen beachtlichen Rettungsschirm gespannt – auch wegen längerer Reaktionszeit der Politik, wobei die EZB-Maßnahmen flankierenden, temporären Charakter haben", sagte Heise.

Hinsichtlich weiterer Liquiditätsspritzen erscheint zunehmend Vorsicht geboten, denn die Risiken, dass die Medizin negative Nebenwirkungen hat, steigen erheblich. Umgekehrt ist es unwahrscheinlich, dass die EZB die Ausweitung ihrer unkonventionellen Maßnahmen in Teilen schnell wieder rückgängig macht. Das Leitzinsniveau wird bis Jahresende unverändert bei 1 Prozent bleiben. Einerseits bleibt die Konjunkturentwicklung zwar anfällig und auch die Verunsicherung an den Finanzmärkten wird zunächst noch anhalten, andererseits dürften sich die jüngsten konjunkturellen Besserungszeichen fortsetzen, die Turbulenzen um die Schuldenkrise allmählich abklingen und die Richtmarke für Preisstabilität von 2 Prozent dürfte wie schon im vergangenen Jahr verfehlt werden.

Die Weltwirtschaft hatte 2011 merklich an Schwung verloren. Zu Beginn dieses Jahres deuten wichtige Indikatoren aber darauf hin, dass es nicht zu einer fortgesetzten Abschwächung der Weltkonjunktur kommt. So stieg die globale Industrieproduktion, die bereits im Dezember 2011 an Dynamik wieder gewonnen hatte, im Januar erneut klar an. Sie lag damit immerhin um knapp 1,5 Prozent über dem Durchschnitt des insgesamt enttäuschenden Schlussquartals 2011. Heise: "Alles in allem spricht einiges dafür, dass die Weltwirtschaft auf Wachstumskurs bleiben wird. Gleichwohl dürfte auch 2012 ein nicht einfaches Jahr werden. Vor allem die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in vielen Industrieländern steht einer hohen Konjunkturdynamik entgegen".

In Deutschland sind die Voraussetzungen für eine wieder etwas kräftigere Exportentwicklung grundsätzlich gut. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hat sich seit Oktober 2011 um knapp 3 Prozent verbessert. Darüber hinaus deuten verschiedene Unternehmensumfragen wie der Ifo-Konjunkturtest darauf hin, dass sich die Exporterwartungen zumindest wieder stabilisiert haben. Und nicht zuletzt spricht die nach wie vor hohe Wachstumsdynamik in den Schwellenländern für eine in ihrer Grundtendenz weiter steigende Nachfrage nach deutschen Exporten aus diesen Ländern. Schließlich verfügt die deutsche Wirtschaft mit ihrer sehr breiten Produktpalette und einem Schwerpunkt im Bereich Investitionsgüter genau über diejenigen Produkte, welche die rasch wachsenden Volkswirtschaften zur Erneuerung und zum Aufbau ihres Kapitalstocks dringend benötigen.

Dank eines kräftigen Beschäftigungsaufbaus bei gleichzeitig spürbar gestiegenen Effektivverdiensten je Arbeitnehmer verzeichnete der reale Private Verbrauch im vergangenen Jahr mit einem Plus von 1,5 Prozent den stärksten Anstieg seit dem Jahr 2006. Im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre wuchs der Private Verbrauch jährlich um gerade einmal 0,4 Prozent. Auch in diesem Jahr dürfte der private Konsum eine maßgebliche Konjunkturstütze bleiben. Aktuelle Umfragen zeigen, dass die Unternehmen ihre Beschäftigtenzahl weiter erhöhen wollen. Die moderate Belebung auf dem deutschen Arbeitsmarkt dürfte sich somit fortsetzen. Für das Jahr 2012 rechnen wir insgesamt mit einem Anstieg der Beschäftigung um 1 Prozent. Alles in allem nehmen die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte 2012 um 3 Prozent zu. Bereinigt um den erwarteten Preisauftrieb verbleibt damit ein Realeinkommenszuwachs von rund 1 Prozent. Da wir mit einer im Vergleich zum Vorjahr unveränderten Sparquote rechnen, dürfte der reale Private Verbrauch ebenfalls um 1 Prozent ansteigen. Im kommenden Jahr dürfte sich die positive Entwicklung weiter fortsetzen und der Private Verbrauch um 1,3 Prozent zulegen.

Die staatliche Neuverschuldung konnte 2011 auf rund ein viertel ihres Wertes von 2010 reduziert werden. Mit 25,3 Milliarden Euro betrug sie nur noch 1,0 Prozent gemessen am BIP. Dies zeigt, wie rasch es bei kräftigem Wirtschaftswachstum möglich ist, das Staatsdefizit einzudämmen.So kräftig wie im vergangenen Jahr werden 2012 und 2013 die Fortschritte bei der Konsolidierung nicht sein. Infolge des mäßigen Wirtschaftswachstums ist bei den Steuereinnahmen 2012 lediglich ein Zuwachs von rund 3,5 Prozent nach 7,1 Prozent im vergangenen Jahr zu erwarten. Die Staatsausgaben, die 2011 um 1 Prozent gesunken sind, dürften 2012 und 2013 wieder moderat zunehmen. Auf der Basis der von uns erwarteten Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben sinkt die staatliche Neuverschuldung von rund 25 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf rund 13 Milliarden Euro in diesem und auf 5 Milliarden Euro im nächsten Jahr. "Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts wäre damit bereits 2013 nahezu erreicht", sagte Heise.

Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz

Die Studie finden Sie auf unserer Homepage unter der Rubrik Publikationen/Working Papers _self .

 
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen hier zur Verfügung gestellt wird.
Link zum Disclaimer

Lorenz Weimann

Allianz Group
Tel. +49.89.3800-16891

Send e-mail