Eurozone braucht ausgewogenes Wachstum

Die 16 Länder der Eurozone müssen mehr leisten, um die Stabilität ihrer gemeinsamen Währung und deren Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten zu sichern, stellt der Euro Monitor 2010 fest. Dazu zählen der Abbau staatlicher und privater Schulden ebenso wie die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit. Mittelfristig ist ein jährliches reales Wirtschaftswachstum von mindestens 2 Prozent notwendig, um substanziell die Verschuldung und Arbeitslosigkeit im Euroraum abzubauen. Für 2011 werden nur 1,7 Prozent erwartet.

Deutschland konnte neben Malta als einziges Land seine Bewertung gegenüber 2005 verbessern und führt die Rangliste vor Österreich, Luxemburg und den Niederlanden an. Keines der 16 Länder zeigt jedoch unmittelbar nach der Finanz- und Wirtschaftskrise einen ausreichend stabilen Wachstumskurs frei von wirtschaftspolitischen Fehlentwicklungen. So sieht der Monitor auch bei drei der vier führenden Ländern – Deutschland, Österreich und den Niederlanden – Handlungsbedarf bei der vergleichsweise schwachen Inlandsnachfrage und beim Schuldenabbau. Alle drei verletzen das Maastricht-Kriterium mit einem Schuldenstand von mehr als 60 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.

Die größten Divergenzen innerhalb der Eurozone stellt der Monitor in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit und Inlandsnachfrage sowie Verschuldung privater inländischer Sektoren und Vermögenspositionen gegenüber dem Ausland fest. Letzteres gilt vor allem für die vier Schlusslichter Portugal, Spanien, Irland und Griechenland. Während Irland und Griechenland die Stabilität der Eurozone akut gefährden, drohen Portugal und Spanien bei einer wirtschaftlichen Abkühlung zu einem Risiko zu werden.

Der Euro Monitor 2010: Indikatoren für ausgewogenes Wachstum ist die erste Studie ihrer Art nach der Eurokrise. Gemeinsam herausgegeben von den Volkswirten der Allianz SE und der Brüsseler Denkfabrik The Lisbon Council analysiert der Monitor die 16 Staaten der Eurozone auf Basis von 15 quantitativen Indikatoren in vier Kategorien:

  • Finanzielle Nachhaltigkeit;
  • Wettbewerbsfähigkeit und Inlandsnachfrage;
  • Beschäftigung, Produktivität und Ressourcen-Effizienz sowie
  • Verschuldung privater inländischer Sektoren und Vermögenspositionen gegenüber dem Ausland.

Als makroökonomisches Monitoring- und Frühwarnsystem dient der Monitor dazu, bestehende und neu aufkommende wirtschaftspolitische Fehlentwicklungen aufzudecken. Erstmals werden bei dieser Analyse auch Faktoren wie der demografische Wandel und der Umgang mit natürlichen Ressourcen einbezogen, weil sie aus Sicht der Allianz Volkswirte einen wesentlichen Einfluss auf das nachhaltige Wachstum einzelner Länder haben. Der Euro Monitor 2010 wird am 26. Oktober in Brüssel in Anwesenheit von Olli Rehn, EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung, vorgestellt.

"Seit der Einführung des Euro haben sich bedeutende Ungleichgewichte in der EWU (Europäische Währungsunion) entwickelt, welche die Glaubwürdigkeit des Euro gefährden. Praktisch alle Staaten in der Eurozone haben ihre Haushalte noch nicht im Griff. Jedes Zögern, jeder Eindruck eines Rückschlags droht zu einer Belastung für den Euro zu führen. Glaubwürdige Konsolidierungsschritte und Reformen müssen in den verschuldeten Ländern schnell eingeführt und umgesetzt werden. Ebenso dringend ist eine Verbesserung der strukturellen Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität", sagt Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz SE. "Wir sind überzeugt, dass das von der EU-Kommission vorgeschlagene Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht (Excessive Imbalance Procedure) ein gutes Instrument ist, um Ungleichgewichte zu vermeiden und zu korrigieren. Aber letztlich liegt die Verantwortung bei den Ländern selbst, jetzt zu handeln. Der Euro Monitor soll mit seiner Analyse die notwendige Transparenz dafür bieten und den Prozess begleiten." 

Die Autoren des Euro Monitor empfehlen für die bevorstehende Sitzung des EU-Ministerrats, die von der EU-Kommission befürwortete Gesetzgebung für eine bessere Kontrolle der Finanzpolitik und makroökonomischer Ungleichgewichte schnell und ohne eine weitere Verwässerung einzuführen. Dazu benötigt die Eurozone nicht nur ein verbessertes Monitoring, sondern auch klare und verbindliche Regeln für die Mitgliedsstaaten. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte ebenso eindeutige Regeln und wirksame Sanktionsmöglichkeiten erhalten. Den Sparprogrammen in den einzelnen Ländern sollten umgehend strukturelle Reformen folgen.

Michael Heise: "Praktisch alle Staaten in der Eurozone haben ihre Haushalte noch nicht im Griff"

 
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