Euro Monitor: Konjunktureller Rückenwind, aber nachlassende Reformbereitschaft

Aus konjunktureller Sicht könnte es dem Euroraum zur Zeit kaum besser gehen. Ein Ende des Aufschwungs ist nicht in Sicht, die Hochphase hat gerade erst begonnen. Das Ergebnis unseres diesjährigen Euro Monitors, mit dem wir alljährlich anhand von 20 Indikatoren den Zustand der Euro-Volkswirtschaften messen, spiegelt diese Entwicklung wider. Die Konstitution der Volkswirtschaften hat sich deutlich verbessert. Mit 6,8 Punkten liegt der Gesamtindikator für den Euroraum im guten Mittelfeld der Skala von eins bis zehn. Damit liegt die Bewertung auf dem höchsten Stand seit 2001 und nach gut 10 Jahren erstmals über dem Vorkrisenniveau.

Die starke Verbesserung des Gesamtindikators seit 2012 ist neben der zuletzt guten konjunkturellen Entwicklung, insbesondere den krisenbedingten Strukturreformen der Arbeits- und Produktmärkte in den ehemaligen Programmländern zu verdanken. Makroökonomische Ungleichgewichte wurden reduziert und vor allem die internen Anpassungsmechanismen der Währungsunion durch höhere Lohn- und Preisflexibilität nachhaltig gestärkt. Damit dürfte auch die Konvergenz zentraler gesamtwirtschaftlicher Größen zunehmen, die wichtigste Voraussetzung für einen stabilen Währungsraum. Der Euro Monitor stützt diese These. Nach den herben Rückschlägen in den Krisenjahren hat sich die wirtschaftliche Annäherung der EWU-Mitglieder wieder verstärkt. Wenn auch die Entwicklung der Einzelindikatoren nicht einheitlich war, so ist die ökonomische Divergenz zwischen den Volkswirtschaften heute unseren Berechnungen nach sogar geringer als vor der Krise.

„Die These vieler Kritiker, dass die nötigen Anpassungsprozesse im Euroraum aufgrund politischer oder sozialer Probleme nicht stattfinden können, dürfen als widerlegt gelten. Die Krise der Jahre um 2012 war nicht der Währungsunion an sich anzulasten, sondern einer fehlgeleiteten Politik in einigen Ländern, die übermäßige Schulden, Außenhandelsdefizite und einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit zugelassen hatte. Nicht die Währung war das Problem, sondern die Wirtschaftspolitik“, sagte Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz.

Angesichts der verbleibenden Ungleichgewichte, wie der hohen öffentlichen Schuldenlast sowie erhöhten Arbeitslosenquoten in vielen EWU-Mitgliedsländern ist der Aufräumprozess aber noch nicht abgeschlossen. Bei der Unterteilung der Indikatoren in längerfristige Niveaugrößen und Fortschrittsgrößen, die den Abbau von Schwächen messen, zeigt sich, dass allein der Niveauindikator 2017 zur Verbesserung des Gesamtindikators beitrug, während der Fortschrittsindikator stagnierte. Gründe hierfür sind neben der guten Konjunktur auch die abnehmende Krisenstimmung und die expansive Geldpolitik der EZB.

Heise: „Einiges spricht dafür, dass der Euroraum heute krisenresistenter und stabiler dasteht als im Jahr 2007. Allerdings haben die Reformanstrengungen zuletzt wieder nachgelassen. Dafür ist es eindeutig zu früh. Der konjunkturelle Rückenwind sollte für Reformen genutzt werden, um die Währungsunion für schlechtere Zeiten zu wappnen. Der nächste Abschwung kommt bestimmt.“

 

Für die ehemaligen Krisenländer bedeutet dies, die Altlasten der Krise weiter abzubauen. Die EWU-Kernländer müssen die Reformversäumnisse der letzten Jahre nachholen. Dazu zählen vor allem Frankreich, Italien und Belgien, die im Ranking die Schlussplätze belegen, aber auch Deutschland und Luxembourg, die zuletzt sehr wenig Reformehrgeiz zeigten. Die nationalen Reformanstrengungen sollten durch Maßnahmen auf EWU-Ebene unterstützt werden, die die Konvergenz im Währungsraum vorantreiben, wie etwa eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitik sowie (finanzielle) Anreize für die Umsetzung von Strukturreformen.

Michael Heise

Deutschland bleibt im Gesamtranking mit einem gegenüber 2016 unveränderten Wert von 8,1 weiterhin an der Spitze im Euroraum. Angesichts niedriger Verschuldungsquoten, geringerer Ungleichgewichte am Arbeitsmarkt und einer stabilen internationalen Wettbewerbsposition schneidet Deutschland beim längerfristig orientierten Niveauindikator mit einem Wert von 8,9 ausgesprochen gut ab.

Allerdings ist die Reformdynamik in Deutschland nicht allzu groß. Dies zeigt sich am Fortschrittsindikator, dessen Wert für Deutschland mit 7,3 leicht rückläufig ist (2016: 7,4). Damit liegt Deutschland im Euroraum lediglich noch im Mittelfeld und zwar auf dem 9. Platz. Eine derart mäßige Platzierung hatte Deutschland beim Fortschrittsindikator seit 2003 nicht mehr.

  • Obwohl der Gesamtindikator seinen Höchststand seit 2001 erreichte, war die Entwicklung nicht einheitlich positiv: Fünfzehn Länder erzielten 2017 eine höhere Bewertung als 2016 und vier eine geringere.
  • Etwas verbessert haben sich in den meisten Ländern die Bewertungen für das Staatsdefizit und die Staatsschuldenquote als auch die Arbeitslosenquoten, das Beschäftigungswachstum und die Arbeitsproduktivität. Beim Abbau der strukturellen Haushaltsdefizite, der Entwicklung der Exporte gemessen am Welthandel und der Entschuldung der Unternehmen gab es hingegen Rückschritte.
  • Spitzenreiter 2017 ist erneut Deutschland mit einem Wert des Gesamtindikators von 8,1 Punkten – unverändert gegenüber dem Vorjahr. Dies ist insbesondere dem guten Abschneiden in den Kategorien Solidität der Staatsfinanzen sowie Private Verschuldung und Auslandsverschuldung zu verdanken. Auf dem zweiten Platz folgen mit minimalem Abstand die Niederlande mit 8,0 Punkten.
  • Frankreich belegt in diesem Jahr in unserem Gesamtranking mit 5,4 den Schlussplatz, nur knapp hinter Italien mit 5,6 Punkten, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte haben sich vergrößert.
  • Die Aufsteiger des Jahres sind Österreich und Irland – sofern man nur Verbesserungen bei der Platzierung berücksichtigt. Den größten Sprung bei der Gesamtbewertung hingegen konnte Zypern verbuchen mit einer Verbesserung von 0,8 Punkten auf 6,2.
  • Beim Niveauindikator weist Deutschland die beste Beurteilung auf (8,9 Punkte). Demgegenüber liegen beim Fortschrittsindikator Slowenien (8,4 Punkte) und Malta (8,3 Punkte) vorne.
  • Der Einzelindikator mit den besorgniserregendsten Werten war 2017 erneut die Arbeitslosenquote (2017: 9,1 Prozent). Die durchschnittliche EWU-Bewertung notiert mit vier Punkten – trotz Verbesserungen in den letzten Jahren – immer noch im kritischen Bereich.
  • Die besten Ergebnisse wurden beim Indikator Leistungsbilanz erzielt (durchschnittliche EWU-Bewertung: 10 Punkte). Eine überwiegend positive Bewertung ist auch bei der langfristigen Entwicklung der Lohnstückkosten, dem Haushaltsdefizit und dem Beschäftigungsaufbau festzustellen.

Über die Allianz

Die Allianz Gruppe zählt zu den weltweit führenden Versicherern und Asset Managern und betreut mehr als 86 Millionen Privat- und Unternehmenskunden. Versicherungskunden der Allianz nutzen ein breites Angebot von der Sach-, Lebens- und Krankenversicherung über Assistance-Dienstleistungen und Kreditversicherung bis hin zur Industrieversicherung. Die Allianz ist einer der weltweit größten Investoren und betreut im Auftrag ihrer Versicherungskunden ein Investmentportfolio von über 650 Milliarden Euro. Zudem verwalten unsere Asset Manager Allianz Global Investors und PIMCO mehr als 1,4 Billionen Euro für Dritte. Mit unserer systematischen Integration von ökologischen und sozialen Kriterien in unsere Geschäftsprozesse und Investitionsentscheidungen sind wir der führende Versicherer im Dow Jones Sustainability Index. 2017 erwirtschafteten über 140.000 Mitarbeiter in mehr als 70 Ländern für die Gruppe einen Umsatz von 126 Milliarden Euro und erzielten ein operatives Ergebnis von 11 Milliarden Euro.

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Lorenz Weimann
Allianz SE
Tel. +4969 24431 3737

E-mail senden

18.04.2024

Allianz completes transaction to sell its 51% stake in Allianz Saudi Fransi to Abu Dhabi National Insurance Company (ADNIC)

mehr dazu

18.04.2024

AllianzGI receives approval to commence wholly foreign-owned public fund management business in Mainland China

mehr dazu

17.04.2024

Leidenschaft und Beruf

mehr dazu