10 Ideen für ein stärkeres Europa

Die neuesten politischen Entwicklungen haben links wie rechts des Rheins dazu geführt, dass man sich wieder mehr für ein stärkeres Europa einsetzt. Es ist kein Geheimnis, dass die EU seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 viele Probleme zu bewältigen hatte.

Die Experten von Allianz Research haben zehn Ideen, wie Frankreich und Deutschland den Wirtschaftsraum wieder auf Erfolgskurs bringen könnten:

Neue Impulse für Europa

Die Staatsschuldenkrise hat gezeigt, wie der gesamte Euroraum zu leiden hat, wenn ein effizienter Stabilisierungsmechanismus fehlt.

Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Einrichtung eines am Internationalen Währungsfonds orientierten europäischen Währungsfonds durchaus eine Überlegung wert. Wenn ein Land Liquiditätsprobleme hat, könnte es daraus finanzielle Unterstützung beziehen, wenn es im Gegenzug Strukturreformen umsetzt. Im Falle einer Solvenzkrise könnte dabei der Schwerpunkt auf Umstrukturierungen der Staatsschulden liegen. 

Frankreich und Deutschland könnten auch gemeinsam die Entwicklung eines Instruments oder Fonds zur makroökonomischen Stabilisierung für besonders krisenanfällige Volkswirtschaften der EU vorantreiben. In Wachstumsphasen könnten Mitgliedsländer in einen solchen Fonds für schlechte Zeiten einzahlen.

Das Risiko eklatanter Ungleichgewichte innerhalb der EU steigt rapide an, wenn es keine Möglichkeiten gibt, Ländern, die vorübergehend in Bedrängnis geraten sind, unter die Arme zu greifen. Ein System aus Zuschüssen und Darlehen könnte zur Bewältigung kurzzeitiger Schwierigkeiten einzelner Mitgliedsstaaten beitragen.

Die Finanzierungskosten für Unternehmen sind in Europa unterschiedlich hoch. Eine Kapitalmarktunion würde einen effizienteren Einsatz der umfangreichen Sparguthaben innerhalb der EU ermöglichen. Frankreich und Deutschland haben Reformen vorgeschlagen, die regulatorische und rechtliche Hindernisse beseitigen könnten – mit dem Ergebnis einer Integration der Finanzmärkte, die diesen Namen wirklich verdient.

Schritte in die richtige Richtung könnten sich die Stärkung der bestehenden Regulierungsbehörden und letztendlich die Schaffung einer gemeinsamen Aufsichtsinstanz sein, um sicherzustellen, dass Regeln für den Finanzsektor europaweit einheitlich implementiert und durchgesetzt werden. Damit würden die Kosten für Finanztransaktionen sinken, die Möglichkeiten für regulatorische Arbitrage eingeschränkt und die grenzüberschreitende Risikostreuung erleichtert.

Neue europaweite Finanzprodukte könnten dabei ebenfalls helfen. Eine vertiefte Integration und grenzüberschreitende Kapitalflüsse sind zwingende Voraussetzungen, um Europa als Drehscheibe für Finanzdienstleistungen zu positionieren.

Eine Ausweitung des sogenannten Juncker-Plans, eines auf EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zurückgehenden Investitionsprogramms für Infrastrukturprojekte würde die Investitionsfreudigkeit im Euroraum zusätzlich steigern und zu einer Vereinheitlichung der Finanzierungsbedingungen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) beitragen.

Derzeit bietet der Europäische Fonds für strategische Investitionen Garantien für die Kapitalbeschaffung für besonders erfolgversprechende Projekte in den Bereichen Infrastruktur, Bildung, erneuerbare Energien und KMU-Finanzierung. Leider entsprechen die seit seiner Gründung zugesagten Finanzierungen weniger als 1,7 Prozent des gesamten europäischen Investitionsvolumens im Jahre 2016. Darüber hinaus sind die Garantien auf nur wenige Projekte konzentriert. Zum Beispiel entfiel ein Großteil der für Portugal vorgesehenen 1,8 Mrd. EUR auf ein einziges Biomassekraftwerk.

Handel und Innovation sind zwei tragende Säulen jeder Industriepolitik. Beim Handel leiden die europäischen Länder unter einer mangelhaften Koordination der Exportförderung und der Umsetzung von Handelsabkommen, die von der Europäischen Kommission vereinbart wurden. Im Bereich der Innovation fehlt es wiederum an koordinierten Maßnahmen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene.

Frankreich und Deutschland sollten sich dafür einsetzen, dass die EU die Ziele einer gemeinschaftlichen Förderung der europäischen Ausfuhren und der Chancengleichheit für heimische Hersteller engagierter verfolgt.

Europa braucht einen digitalen Binnenmarkt und Innovationen, um mit China und den USA in Zukunftsmärkten wie künstliche Intelligenz, Big Data oder Biomedizin konkurrieren zu können. Laut der Europäischen Kommission könnte ein digitaler Binnenmarkt 415 Milliarden EUR bis 2020 generieren.

Um bei der digitalen Revolution eine Rolle zu spielen brauchen die europäischen Akteure einem einheitlich gestalteten regulatorischen Rahmen für Themen wie Datensicherheit, Verbraucherschutz und die Besteuerung digitaler Transaktionen.

Zu den Voraussetzungen für Innovation gehören auch langfristige Finanzierungen. Die Bereitstellung von Risikokapital ist in Europa hochfragmentiert und kurzfristig orientiert – Kapitalgeber streben an, sich nach drei bis fünf Jahren wieder zurückzuziehen. Ein Innovationszyklus hingegen kann sich ohne Weiteres auf bis zu zwei Jahrzehnte erstrecken.

Eine europäische Agentur nach dem Muster der US-amerikanischen Defense Advanced Research Projects Agency könnte den Weg freimachen für Investitionen in bahnbrechende Technologien, die anschließend in den Europäischen Markt eingeführt werden.

Um inklusives Wachstum zu erreichen, sind Frankreich und Deutschland nach wie vor auf der Suche nach dem richtigen Gleichgewicht von sozialer Sicherheit, Arbeitsanreizen und der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Die beiden Länder müssen zusammenarbeiten, um die progressive Besteuerung und die Sozialabgaben auf Arbeitseinkommen in Balance zu bringen.

Aus einer kürzlich veröffentlichten Studie geht hervor, dass die französischen Sozialversicherungsbeiträge die deutschen um 106 Mrd. EUR übersteigen. Demgegenüber liegt die deutsche Steuer- und Abgabenschere bei 50 Prozent und gehört damit zu den höchsten der Welt; Geringverdiener bekommen dies unverhältnismäßig stark zu spüren.

Beiden Ländern fällt es schwer, die Steuer- und Sozialabgabenlast für Geringverdiener niedrig zu halten, gleichzeitig Altersarmut zu verhindern und weiterhin Anreize für gering bezahlte Jobs zu bieten.

Man sollte deshalb erwägen, in Deutschland niedrigere und weniger progressiv gestaffelte Sozialversicherungsabgaben für sogenannte Mini- und Midijobs einzuführen. Gleichzeitig ist es wichtig, die Sozialversicherungskosten für Arbeitgeber wie auch für Arbeitnehmer zu reduzieren. Die Senkung der Abgaben auf Gehälter in Frankreich fördert das Wachstum, weil er Arbeit attraktiver macht.

Um die Mobilität von Arbeitnehmern zu verbessern, würde es sich anbieten, einen „Raum ohne Grenzen“ zu schaffen, der die Übertragung von Qualifikationen, Sozialleistungen und Beihilfen erlaubt.

Auf dem Papier ist die Arbeitskräftemobilität in der EU schon jetzt eine zentrale Freiheit. Allerdings gestaltete sich ihre Umsetzung bisher schwierig. Als problematisch erweisen sich insbesondere die Rentenansprüche. Letztlich setzt sich die Altersversorgung vieler europäischer Expats aus kleinen Renten aus verschiedenen Arbeitsverhältnissen in verschiedenen Ländern zusammen.

Zudem kann das fehlende harmonisierte Rahmenwerk dazu führen, dass die Altersversorgung zweimal besteuert wird: Zum Beispiel wird in Deutschland vorgelagert besteuert, während in Großbritannien die nachgelagerte Besteuerung gilt. Ein gesamteuropäisches Altersvorsorgeprodukt könnte eine Lösung sein.

Dieses könnte die Versorgungslücke reduzieren und bis 2030 zusätzliche Finanzmittel in Höhe von 700 Mrd. EUR erschließen, schätzt die Europäische Kommission. Es würde außerdem die Mobilität von Arbeitskräften fördern und damit auch die negativen Auswirkungen von asymmetrischen Schocks abfedern.

2016 war ein hoher Prozentsatz der 15- bis 24-jährigen Griechen, Spanier und Italiener weder in einem Beschäftigungsverhältnis noch in einer Aus- oder Fortbildung. Eine hohe Jugendarbeitslosigkeit führt durch entgangene Einkünfte, einer höheren Steuerlast und niedrigerem Wachstum zu einer starken gesellschaftlichen Belastung.

Der beschleunigte technologische Fortschritt führt dazu, dass in einer immer stärker von der Digitalisierung geprägten Wirtschaft nur diejenigen erfolgreich sein werden, die die richtigen Fähigkeiten mitbringen und sich weiterbilden können. Für Frankreich und Deutschland führt deshalb kein Weg daran vorbei, die Lücke zwischen den Kenntnissen und Fähigkeiten junger Arbeitssuchender und den Anforderungen der Wirtschaft zu schließen.

In Frankreich ist die Vermittelbarkeit junger Menschen nach dem Erwerb ihrer ersten Qualifikation eher gering. In Deutschland konnte 2016 die rekordhohe Zahl von 43.500 Ausbildungsplätzen nicht besetzt werden; gleichzeitig konnten 20.000 Bewerber keine Stelle finden. Um Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen, sollten Frankreich und Deutschland die Grundlagen für EU-weite Ausbildungsstandards schaffen.

Wegen des rasanten technologischen Wandels sollten Frankreich und Deutschland in Europa optimale Verfahren für lebenslange Weiterbildung entwickeln und ihre Bürger aktiv umschulen.

Der Digital Economy and Society Index zeigt, dass es innerhalb Europas in Bezug auf das zur Verfügung stehende Humankapital deutliche regionale Unterschiede gibt: Das Qualifizierungsniveau ist in Finnland und Luxemburg zum Beispiel doppelt so hoch wie in Bulgarien und Rumänien. Europa erzeugt viel neues geistiges Eigentum und muss dafür sorgen, dass sein Humankapital mit diesen modernen Wissensbeständen auch umgehen kann.

Wie sich der Weg Europas in das digitale Zeitalter gestaltet, wird davon abhängen, inwieweit es gelingt, die Bevölkerung neu zu schulen und zu qualifizieren.

Die Allianz Gruppe zählt zu den weltweit führenden Versicherern und Asset Managern und betreut mehr als 86 Millionen Privat- und Unternehmenskunden. Versicherungskunden der Allianz nutzen ein breites Angebot von der Sach-, Lebens- und Krankenversicherung über Assistance-Dienstleistungen und Kreditversicherung bis hin zur Industrieversicherung. Die Allianz ist einer der weltweit größten Investoren und betreut im Auftrag ihrer Versicherungskunden ein Investmentportfolio von über 650 Milliarden Euro. Zudem verwalten unsere Asset Manager Allianz Global Investors und PIMCO mehr als 1,4 Billionen Euro für Dritte. Mit unserer systematischen Integration von ökologischen und sozialen Kriterien in unsere Geschäftsprozesse und Investitionsentscheidungen sind wir der führende Versicherer im Dow Jones Sustainability Index. 2017 erwirtschafteten über 140.000 Mitarbeiter in mehr als 70 Ländern für die Gruppe einen Umsatz von 126 Milliarden Euro und erzielten ein operatives Ergebnis von 11 Milliarden Euro.

Die Einschätzungen stehen wie immer unter den nachfolgend angegebenen Vorbehalten.

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen

 

Lorenz Weimann
Allianz SE
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