Konjunkturaussichten laut Euler Hermes: „High Stakes Game“

Laut Euler Hermes, dem weltweit größten Warenkreditversicherer, zeigen trotz eines neuen Rekordstandes der Bargeldhortung von Nicht-Finanzinstituten die anhaltend hohen Zahlungsverzüge und ein starker Anstieg von Großinsolvenzen (Unternehmen mit > 50 Mio. EUR Umsatz), dass sich die weltweite Wirtschaftsdynamik durchaus Herausforderungen stellen muss.

In ihrem aktuellsten Bericht zu den Konjunkturaussichten mit dem Titel „High Stakes Game“ hat die Abteilung für Konjunkturforschung des Unternehmens:
• die Bargeldansammlungen von 30.500 börsennotierten Unternehmen an 94 Aktienmärkten erfasst;
• die Insolvenzstände in 43 Märkten analysiert;
• das Zahlungsverhalten eines Bloomberg Gremiums bestehend aus 27.000 börsennotierten Unternehmen weltweit untersucht.

„Vor dem Hintergrund einer weltweit allgemein stabilen Lage und einer endlich zunehmend an Fahrt gewinnenden Erholung der Wirtschaft drohen in hohem Maße Divergenz und Risiko“, sagte Ludovic Subran, Chefökonom bei Euler Hermes. „Diese Entwicklung verschärft sich aufgrund der neuen Rekordstände der Konzentration von Bargeld in manchen Regionen und Branchen, und da das Ausmaß und die Häufigkeit des Scheiterns großer Unternehmen immer weiter zunehmen.“

„Von Großinsolvenzen in den Einzelhandels- und Dienstleistungssektoren, insbesondere in den USA, über zunehmende Konkurse in China und Brasilien, bis hin zu längeren Zahlungsverzügen in China und der Luftfahrindustrie weltweit summiert sich alles zu höheren Tail Risks. Das Ausmaß und die Häufigkeit von Extremfällen steigt immer weiter und wird in den kommenden Monaten genau beobachtet werden müssen“, merkte Subran weiter an.

Obwohl Euler Hermes prognostiziert, dass dieses Jahr insgesamt die Insolvenzen weltweit um -1 Prozent zurückgehen werden, bevor sie 2018 wieder um +1 Prozent steigen, wird davon ausgegangen, dass 20 Länder 2017 mehr Insolvenzen verzeichnen werden, als vor der Krise 2008 Durchschnitt war.  Nach drei Jahren mit deutlichen Rückgängen der Insolvenzen (-13,6 Prozent 2014, -8,4 Prozent 2015 und -4 Prozent 2016) ist das Bild weltweit geprägt von uneinheitlichen regionalen Entwicklungen.

Aus den weltweiten Zahlen geht auch nicht der enorme Anstieg von Großinsolvenzen in Q1 2017 hervor. Etwa 74 Unternehmen mit einem Umsatz von > 50 Mio. EUR mussten in den ersten drei Monaten des Jahres Insolvenz anmelden, und damit 30 mehr als in Q1 2016.  Der kumulierte Umsatz dieser insolventen Unternehmen belief sich insgesamt auf 19,1 Mrd. EUR, was einen Anstieg um +34 Prozent bedeutet.  Die Top 20 der größten Insolvenzen machten mit 13,4 Mrd. EUR des kumulierten Umsatzes 70 Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes aus. Während acht dieser Großinsolvenzen in den USA eintraten, verzeichnete Europa den höchsten Anstieg der Anzahl von Großinsolvenzen.  In Q1 trat mehr als 1 von 3 (25 von 74) der weltweiten Großinsolvenzen in Europa ein.

Die Dienstleistungs- und Einzelhandelssektoren verzeichneten in Q1 2017 die meisten Großinsolvenzen unter dem Druck der rapide zunehmenden digitalen Umwälzung und als Fortsetzung der Entwicklung der letzten vier Quartale: jeweils 17 (Anstieg von 10 in Q1 2016) und 14 (Anstieg von 5). Der kumulierte Umsatz der insolventen Unternehmen in diesen Sektoren belief sich im ersten Quartal jeweils auf 6,2 Mrd. EUR (+579 Prozent) und 5,2 Mrd. EUR (+477 Prozent).  Die Branchen Pharmazeutika und Computer/Telekommunikation sind mit keiner einzigen Insolvenz in Q1 2017 und nur einer Großinsolvenz in den letzten vier Quartalen solide geblieben.

Euler Hermes warnt Unternehmen vor dem Domino Effekt dieser Großinsolvenzen, da sich allgemein das Ausmaß von Insolvenzen verschlimmert.  Dies könnte sich in Folge ernstzunehmend auf Dienstleister in der Supply Chain auswirken. Insolvenzfälle in der Einzelhandelsbranche in den USA und dem Vereinigten Königreich könnten sich beispielsweise weltweit auf die Sektoren Elektronik, Fertigung und Textilien auswirken.

Im letzten Jahr hat das Horten von Barmitteln einen neuen Rekordstand erreicht: Nicht-Finanzinstitute nahmen Ende 2016 in ihren Bilanzen Barmittel und Barmitteläquivalente in Höhe von 7 Bio. USD auf. Seit der Finanzkrise 2008 hat sich das Bargeldvolumen weltweit mit einem Anstieg von +2,9 Prozent im Vergleich zu 2015 und von +34 Prozent im Vergleich zu 2010 verdoppelt (von 3,5 Bio. USD). Es macht mittlerweile 9,5 Prozent des weltweiten BIP aus im Vergleich zu 6,1 Prozent im Jahr 2007.

Während Nicht-Finanzinstitute in den USA vor dem Hintergrund steuerlicher Optimierungen 30% der weltweiten Gesamtsumme verzeichnen, haben chinesische Unternehmen ihr Bargeldvolumen seit 2010 verdoppelt. Regional betrachtet ist das Bargeldvolumen der Unternehmen in der Region Asien-Pazifik mittlerweile das größte der Welt.  In Westeuropa ist die Anhäufung weiterhin beschränkt und uneinheitlich.

Der Technologiesektor bleibt die stärkte Barmittelmaschinerie und überholt die Öl & Gas- sowie die Automobilbranche. Dies trifft insbesondere auf die USA zu, wo der Technologiesektor 71 Prozent des Bargeldvolumens der Industrie besitzt. Tatsächlich werden aus einer Gesamtsumme von 2,1 Bio. USD, die US-Unternehmen besitzen, 916 Mrd. USD (44 Prozent) in der Branche verzeichnet, insbesondere durch die Top 5 Technik-Giganten Apple, Microsoft, Alphabet, Cisco und Oracle.  Gemeinsam hatten sie bis zum Ende des Jahres 2016 Barmittel in Höhe von 565 Mio. USD angehäuft. Das ist mehr als das gesamte Barmittelvolumen der deutschen und britischen Nicht-Finanzinstitute zusammengerechnet.  Im starken Kontrast hierzu haben zwei Branchen 2016 einen enormen Rückgang verzeichnet: Maschinen & Anlagen (-278 Mrd. USD) sowie Haushaltsgeräte (-104 Mrd. USD). Euler Hermes ist der Ansicht, dass diese Entwicklungen genau beobachtet werden müssen.

Auch wenn das weltweite Wirtschaftswachstum die Geldschöpfung unterstützt, haben doch anhaltende Unsicherheiten und Risiken Sparverhalten verursacht und werden dies auch weiterhin tun.  Die Erholung der weltweiten Investitionen und der M&A-Aktivitäten sollten jedoch die Anhäufung von Barmitteln verlangsamen. Auch anderer Entwicklungen könnten Auswirkungen haben. Zum Beispiel könnte sich der Plan der US-Regierung zur Rückführung von Steuern als bedeutend erweisen, falls hierdurch Unternehmen dazu bewegt werden, große Bargeldbeträge nach Amerika zurückzubringen.  Während ein Entgegenwirken gegen das Offshoring zu Investitionen in die Schaffung von Arbeitsplätzen und Forschung und Entwicklungen in den USA führen könnte, könnten sich Unternehmen, die dringend Renditen benötigen, dazu entscheiden, weiter zu horten.

Es lässt sich vermutlich nicht vermeiden, dass in einem Umfeld der Großinsolvenzen und des Hortens von Bargeld das Zahlungsverhalten der Unternehmen weiterhin angespannt ist. 2016 mussten Unternehmen weltweit im Durchschnitt 64 Tage warten, um bezahlt zu werden, wobei 1 von 4 nach 88 Tagen bezahlt wurde (2 Tage schneller als im Jahr 2015).  Unglückliche 9% der Unternehmen weltweit mussten letztes Jahr im Durchschnitt mehr als 120 Tage auf ihre Bezahlung warten.  Euler Hermes geht davon aus, dass sich 2017 die globale Forderungslaufzeit (Days Sales Outstanding, DSO) an einem weltweiten Durchschnitt von 64 Tagen einpendeln wird.

Während Neuseeland, Österreich, die Niederlande, Dänemark, die USA, die Schweiz und Australien mit den kürzesten DSOs (jeweils 42, 44, 46, 48, 49, 49 und 50 Tage) an die Spitze traten, waren am anderen Ende diejenigen, die am langsamsten bezahlen, die Türkei, Italien, Griechenland und China (jeweils 80, 85, 88 und 89 Tage). Euler Hermes ist der Ansicht, dass insbesondere die Situation in China beobachtet werden sollte, da die DSO von 89 Tagen im Jahr 2016 der höchste Stand seit neun Jahren ist. In Westeuropa ist die durchschnittliche Wartezeit länger geworden, wenn auch nur ein wenig (+1 Tag auf 61 Tage).  In den Mittelmeerländern hat sich das DSO-Niveau verbessert. Normalerweise lag es hier immer über dem Durchschnitt der Region.  Daher scheint die Lücke zwischen den Schlechtesten und den Besten immer kleiner zu werden.  

Weltweit liegt das DSO-Niveau der vorgelagerten Industriebereiche wie z. B. die Chemieindustrie, Bauunternehmen, die Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Bereich Maschinen über dem weltweiten Durchschnitt. Die Metallbranche verzeichnete jedoch ein DSO-Niveau von 56 Tagen. Unternehmen, die in Bereichen mit Einzelhandelsverkaufsstellen tätig sind, wie beispielsweise Lebensmittel, Haushaltsgüter oder Transport, werden für gewöhnlich schneller bezahlt als der weltweite Durchschnitt von 64 Tagen. Die hektische Aktivität im Luftfahrtsektor hat die DSO und die Betriebskapitalanforderungen seit 2012 in die Höhe getrieben (jeweils um +8 und +16 Tage).

„Nicht alle Unternehmen haben ein Ass im Ärmel, weshalb sie sich absichern werden müssen, um das meiste aus der stärkeren Wirtschaftsdynamik herauszuholen, ganz besonders in Europa. Wenn sie ihre Karten auf den Tisch legen, werden die Leiter der Unternehmen ein Pokerface aufsetzen müssen.  Niemand möchte herausfinden, dass er gerade russisches Roulette spielt“, fasst Subran zusammen.

Euler Hermes ist weltweit führend in Handelskreditversicherung und ein anerkannter Spezialist in den Bereichen Kautionsgeschäft und Beitreibungen. Mit mehr als 100 Jahren Erfahrung bietet das Unternehmen Geschäftskunden (B2B) finanzielle Dienstleistungen an, um das Liquiditäts- und Handelsforderungsmanagement zu unterstützen. Sein eigenes Informationsnetzwerk verfolgt und analysiert tägliche Veränderungen der Unternehmenssolvabilität bei kleinen, mittleren und multinationalen Unternehmen, die auf Märkten aktiv sind, die 92% des weltweiten BIP darstellen. Das Unternehmen mit Zentrale in Paris ist mit 5.800+ Mitarbeitern in über 50 Ländern vertreten. Euler Hermes ist eine Tochtergesellschaft der Allianz, an der Euronext Paris notiert (ELE.PA) und von Standard & Poor’s und Dagong Europe mit AA- bewertet. Das Unternehmen verzeichnete 2016 einen konsolidierten Umsatz von 2,6 Milliarden EUR und versicherte Ende 2016 weltweite Unternehmenstransaktionen für ein Engagement von 883 Milliarden EUR.

Weitere Informationen: www.eulerhermes.com. LinkedIn oder Twitter @eulerhermes.

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Barry Gardner
Euler Hermes Group
Tel. +33 66360 4314

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